Journalismusstudierende inspirieren und betreuen – gegen alle Widerstände

3. März 2025 • Aktuelle Beiträge, Internationales • von

Dieser Artikel entstand im Rahmen des AMAZE-Projekts, das durch das Auswärtige Amt finanziert wurde.

Wie studiert und erforscht sich der Journalismus über verschiedene Kontinente und Mediensystemen hinweg? Leopold Katubayemwo, Forscher und Dozent an der Universität Dar es Salam in Tansania, hat viel Erfahrung im Unterrichten von Journalismusstudierenden – oft in Klassen mit mehr als 300 Teilnehmenden. Im vergangenen Herbst nahm er an einer vom Auswärtigen Amt finanzierten Autumn School für afrikanische Nachwuchs – Journalismusdozenten teil.

Bildquelle: Wikimedia Commons

Die Autumn School fand vom 28. September bis zum 27. Oktober am Erich-Brost-Institut (EBI) in Dortmund statt und brachte neun Nachwuchswissenschaftler aus acht Ländern südlich der Sahara zusammen. Das vom Auswärtigen Amt geförderte Programm kombinierte Seminare, Studienreisen und internationale Veranstaltungen und behandelte Schlüsselthemen wie Propaganda, KI und Cross Border-Journalismus. Die Teilnehmenden besuchten Journalistenschulen, Medienhäuser und Forschungszentren, die sich mit Themen wie Klimawandel, Migration und Sicherheit befassen. Ein Höhepunkt war der Austausch mit deutschen Studierenden und Dozenten, der Einblicke in Lehr- und Lernpraktiken ermöglichte. Die Stipendiat:innen stellten auch ihre heimischen Mediensysteme vor und nahmen an Gruppendiskussionen über Pressefreiheit, Journalistenausbildung und Gender in den Medien teil. Präsentationen der „Mediensysteme“ unserer eigenen Länder sollten den Studierenden eine vergleichende Erfahrung in Bezug auf Deutschland vermitteln.

Während der Autumn School führte ein Austausch mit Journalismusstudierenden der TU Dortmund mich zu einer Reflexion, die mich bis jetzt über meine Rolle als Pädagoge in einer sich entwickelnden Welt nachdenken lässt. Die Überlegungen diskutierte ich auch mit meinen tansanischen Studenten.

Nach Abschluss meiner Präsentation über das tansanische Mediensystem war ein Teilnehmer angesichts all dessen, was ich über die schwierigen Bedingungen für journalistische Arbeit dort erzählt hatte, neugierig, was meine tansanischen Studierenden eigentlich motivierte, Journalismus zu studieren.

Diese Frage spiegelte perfekt einen Teil unserer Gespräche mit einem Akademiker wider, der Direktor eines Ausbildungsradiosenders an der Fakultät für Journalismus und Kommunikationswissenschaft der Universität Bamberg ist. Nachdem er uns von der harten Arbeit berichtet hatte, die sie beim Sender leisten, um den Studierenden praktische Fähigkeiten und ein Gefühl für Professionalität zu vermitteln, verriet er, dass die meisten seiner Studierenden Journalismus letztendlich damit verbinden, in sozialen Netzwerken „beliebt zu sein“ und ihre Fähigkeiten zu nutzen, um „viel Geld zu verdienen“.

Eine solche Weltanschauung der jungen europäischen Journalismusstudenten unterscheidet sich nicht von dem, was wir in unseren Schulen in Afrika erleben.

Journalismuspädagogen sind das Gewissen ihrer Gesellschaften, und unabhängig davon, ob wir in Europa oder Afrika ansässig sind, ist die Kenntnis der Bestrebungen und Motivationen unserer Studenten ein entscheidender Faktor für unseren Erfolg als Pädagogen. Und es reicht nicht aus, diese Motivationen und Bestrebungen zu kennen, denn wir haben auch eine moralische und berufliche Verantwortung, sie zu formen und in die richtige Richtung zu lenken.

Während des gesamten Fluges von Deutschland nach Tansania ließ mir die Frage, die über die Motivation meiner Studierenden für das Journalismusstudium aufgeworfen wurde, keine Ruhe.

Fragen nach den Zukunftsaussichten

Eine Woche später, nach meiner Rückkehr an die St. Augustine University of Tanzania, stellte ich meinen Studenten im dritten Studienjahr bei der Vorstellung meines Kurses „Medien und Gesellschaft“ dieselbe Frage nach ihrer Motivation. Es handelt sich um Studierende, die sich in der Endphase ihres Studiums befinden, und ich wollte herausfinden, ob sich ihre Motivation seit ihrem ersten Studienjahr geändert hat oder gleichgeblieben ist.

Eine Studentin erklärte:

„Meine erste Wahl war zunächst, Internationale Beziehungen zu studieren. Nachdem ich keinen Studienplatz an meiner Lieblingsuniversität bekommen hatte, die dieses Programm anbietet, bin ich beim Journalismus gelandet”

Ich konnte Enttäuschung in ihrem Gesichtsausdruck erkennen. Glücklicherweise ist sie eine engagierte und sowohl theoretisch als auch praktisch leistungsstarke Studentin, auch wenn Journalismus nicht ihre erste Priorität war. Sie fügte hinzu, dass sie ihre neue Wahl jetzt genießt.

Ein anderer Student sagte:

„Wenn ich höre, dass ein Journalist getötet oder entführt wurde, bekomme ich Angst“ und ich sage mir: „Das kann nicht mein Beruf sein.“

Ein anderer Student teilte seine Frustration:

„Wenn wir uns die Zahl der Studierenden ansehen, die mit einem journalistischen Abschluss die Universität verlassen, dann sind es mehr als die Zahl der verfügbaren Medienhäuser. Wohin sollen wir alle gehen?“

Trotz ihrer fehlgeleiteten Motivationen und Frustrationen im Zusammenhang mit der schlechten Medienwirtschaft müssen wir als Pädagogen unseren Schülern die Idee eines öffentlichen Dienstes vermitteln. Ein Journalist zu sein bedeutet mehr, als viel Geld zu verdienen oder berühmt zu sein. All dies kann schließlich erreicht werden, nachdem ein Journalist erkannt hat, dass er eine Mission hat, seiner Gesellschaft zu dienen. Im Zusammenhang mit der Situation unserer Länder, die in Probleme endemischer Korruption und schlechter Regierungsführung verstrickt sind, müssen Journalist:innen mutig sein und genug tun, um die Rechenschaftspflicht von Beamten durchzusetzen.

Leider ist es uns Lehrkräften angesichts der großen Zahl an Studierenden nicht möglich, die Beweggründe aller unserer Studierenden zu kennen. In diesem Semester betreue ich beispielsweise eine Klasse mit 320 Studierenden. Das ist die kleinste Klasse, die ich je unterrichtet habe. Schlimmer noch, die Zeiten, in denen wir im Rahmen unseres Bewerbungsverfahrens ein Motivationsschreiben verfassen mussten, sind vorbei. Durch diese Schreiben bekamen die Zulassungsstelle und die Schule in der Vergangenheit eine Vorstellung von den Studierenden, die sich für das Journalismusprogramm bewarben.

In den letzten Jahren kommt die Mehrheit der Studierenden direkt von der Highschool, ohne ein Jahr Pause einzulegen. Sie haben keine Ahnung von gesellschaftlichen Problemen und haben noch niemanden getroffen, der ihnen erklärt, was Journalismus eigentlich ist.  Sie machen andere Erfahrungen als einige von uns, die wir aufgrund unserer Umstände fünf Jahre lang gestrandet waren, bevor wir die Möglichkeit bekamen, uns an einer Universität einzuschreiben.

Trotz der großen Studierendenzahl müssen Pädagogen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Motivationen und Ziele ihrer Schüler zu kennen, wenn sie einen positiven Einfluss auf ihr Leben haben wollen.

 

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