Nigeria: Nutzen und Herausforderungen von KI im Journalismus

12. März 2025 • Aktuelle Beiträge, Forschung aus 1. Hand • von

Die Welt erlebt einen rasanten technologischen Wandel. Rund um den Globus vollziehen sich bedeutende Veränderungen durch Wissenschaft, Technologie und Innovation. Besonders die Bereiche KI, Robotik, erneuerbare Energien, Biotechnologie, synthetische Biologie, Drohnen, 3D-Druck und Proteomik sind in Bewegung und treiben die aktuelle Informationsgesellschaft voran. Die extremen Funktionsstörungen des bestehenden globalen Informationsökosystems werden hingegen als „Infocalypse“ bezeichnet.

Von Ngozi Comfort Omojunikanbi Ph.D, Toluwanimi Grace Omojunikanbi & Clinton Chukwuebuka Mmezi

Dieser Artikel entstand im Rahmen des AMAZE-Projektes, das durch das Auswärtige Amt finanziert wurde.

Künstliche Intelligenz ist immer noch ein aufstrebendes Instrument. KI bedeutet, dass Maschinen Dinge tun, die Menschen tun. Sie beschreibt die Fähigkeit eines Systems, externe Daten korrekt zu interpretieren, aus diesen Daten zu lernen und diese Lernprozesse zu nutzen, um bestimmte Aufgaben und Ziele durch flexible Anpassung zu erreichen. Sie betrifft alle Aspekte des Lebens, der Wirtschaft, des Sports, der Politik und der Landwirtschaft. Sie wird durch die Verbindung von Computer und Technologie angetrieben, um die menschliche Leistung zu steigern. KI hat die Fähigkeit, mit der Zeit zu lernen.

Künstliche Intelligenz verändert den Journalismus

Laut UNESCO (2019) lebt KI von Daten. Ein KI-System muss also drei Dinge können: Wissen speichern, das gespeicherte Wissen zur Lösung von Problemen anwenden und durch Erfahrung neues Wissen erwerben. Zu den verschiedenen Dimensionen der KI gehören menschliches und rationales Denken sowie menschliches und rationales Handeln. Die besonderen Eigenschaften der künstlichen Intelligenz sind ihre Fähigkeit, zu rationalisieren und Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sich ein bestimmtes Ziel bestmöglich erreichen lässt.

Studien haben jedoch gezeigt, dass zu schnelle Fortschritte schwerwiegende Nachteile haben können. Das geschieht vor allem, wenn sie die Fähigkeit von Gesellschaften übersteigen, sich an das Thema KI anzupassen. So entstehen etwa Befürchtungen, dass Arbeitsplätze verschwinden, da immer mehr wirtschaftliche Aktivitäten automatisiert werden, oder, dass sich Ungleichheiten vergrößern oder neue entstehen. Die meisten dieser Ängste wurden in sogenannten „developing countries“ geäußert, zu denen auch Nigeria gehört.

Darüber hinaus scheint Afrika im Allgemeinen – und Nigeria im Besonderen – durch eine schlechte technologische Infrastruktur, einen kleinen Pool an Forschenden, geringe Anstrengungen in Wissenschafts- und Technologieprogrammen, Schwächen beim Schutz des geistigen Eigentums und geringe wissenschaftliche Ergebnisse gekennzeichnet zu sein. Ein UNESCO-Bericht aus dem Jahr 2015 zeigt, dass Afrika weiterhin benachteiligt ist. Das ist unter anderem auf geringe Investitionen in die Entwicklung von technologischen Kapazitäten zurückzuführen. Von etwa 5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts gehen nur 1,3 % der weltweiten Ausgaben in Forschung und Entwicklung. STI, kurz für „science, technology and innovation“ ist ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, wird aber in der nationalen Agenda Nigerias nicht priorisiert. Die Vernachlässigung von STI könnte auf viele Jahre politischer Unsicherheit und Inkonsistenzen und auf mangelnden Willen der politischen Entscheidungsträger zurückzuführen sein. Auch die angemessene Kommunikation der Forschungsergebnisse im Bereich STI scheint im Diskurs über evidenzbasierte Politikgestaltung, insbesondere in Nigeria, in den Hintergrund gedrängt zu werden. Es mangelt außerdem an der passenden Nutzung und an Bewusstsein und öffentlichem Verständnis von STI in Bezug auf KI, die in engem Zusammenhang mit der Entwicklung eines Landes stehen. In einem Ranking der Innovationskapazität aus dem Jahr 2021 belegt Nigeria den 66. Platz von 73 Ländern.

KI: Veränderungen im journalistischen Arbeitsalltag

Die Einführung von KI bei der Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten wird als eine große Bedrohung und Herausforderung für Journalist:innen angesehen. Man geht davon aus, dass die wachsende Relevanz von KI die Nachrichtenbranche stark beeinflussen wird.

Ein besseres Verständnis der Technologie würde Journalisten helfen, sie effektiver anzuwenden. Es gibt viele Bedenken hinsichtlich Fake News, Fehlinformationen, Akzeptanz, Desinformation, Arbeitsplatzverlust, oder ethischen Überlegungen. Trotzdem wird davon ausgegangen, dass KI die Nachrichtenredaktion und die Arbeit von Journalisten vollständig verändern könnte, indem sie neue Fähigkeiten von Journalisten fordert und die Notwendigkeit neuer und einfacherer Arbeitsabläufe schafft. Dazu gehören Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality, Algorithmus-Empfehlungen, maschinelle Nachrichten, News Games, Big Data und andere innovative Technologien. Dies veranlasst sowohl Journalist:innen als auch Forschende zu neuen Fragen: Welche Aufgaben könnte KI in Nachrichtenredaktionen übernehmen? Wird KI irgendwann Teil jeder Nachricht sein? Wird KI den Menschen ersetzen?

Künstliche Intelligenz hat ein breites Spektrum an Anwendungsfeldern und Vorstellungsräumen in der Kombination mit Journalismus und Medien. Dies erfordert, dass wir die Werte und Verantwortlichkeiten des Journalismus und der Journalisten in ethischer Hinsicht neu untersuchen und einen vernünftigen Rahmen für die Anwendung des KI-Journalismus finden.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht hat ergeben, dass ein großes Hindernis für die Entwicklung von KI in Nachrichtenmedien der Wettbewerb um Talente ist. Bei diesem Wettbewerb geht es nicht nur darum, Talente anzuziehen, sondern auch darum, Fachkräfte in den Redaktionen zu halten, die im Vergleich zur Technologiebranche niedrigere Gehälter bieten. Dieser „Brain Drain“ in den Redaktionen wirkt sich negativ auf die Einführung von Technologien in der Nachrichtenbranche aus. Trotz dieser erschwerten Bedingungen setzen Nachrichtenagenturen auf der ganzen Welt KI-Lösungen in ihren Redaktionen ein. In Brasilien verlassen sich Nachrichtenredaktionen hauptsächlich auf Twitter-Bots, die KI-Modelle verwenden, insbesondere NLP, maschinelles Lernen und Planung und Terminierung und Optimierung, um große Datenmengen zu verarbeiten und auf digitalen Medienplattformen zu interagieren. In den letzten Jahren haben Nachrichtenredaktionen damit begonnen, Nachrichten zunehmend zu automatisieren. Obwohl für einige dieser Projekte bis zu einem gewissen Grad Algorithmen für maschinelles Lernen eingesetzt werden, basieren viele Projekte immer noch auf einer einfachen Automatisierung. Das bedeutet, dass lediglich die Lücken in Vorlagen für Nachrichten ausgefüllt werden, und keine Nachrichten erstellt werden, die auf vorherigen Daten basieren.

Obwohl viele dieser journalistischen Bots weder maschinelles Lernen noch NLP-Modelle („Natural Language Processing“) verwenden,  führen sie eine Reihe von Schritten aus und verstehen, wann sie einen bestimmten Schritt ausführen müssen, um Nachrichten zu veröffentlichen. Forscher haben vier verschiedene Kategorien von Nachrichtenbots identifiziert: „die Eingaben und Quellen der Eingabedaten; die von den Nachrichtenbots erzeugten Ausgaben; die Algorithmen, die bestimmen, wie ein Nachrichtenbot Eingaben in Ausgaben umwandelt; und die Funktion oder Absicht des Nachrichtenbots“. Bots wurden bei mehreren politischen Großereignissen in der Vergangenheit auch in böswilliger Absicht eingesetzt, wie bei den US-Wahlen 2016 und während der Brexit-Kampagne.

Viele Menschen erwarten außerdem, dass KI die Kosten für investigativen Journalismus senkt. KI-Modelle sind jedoch in der Regel für einen bestimmten Zweck konzipiert, was bedeutet, dass diese Algorithmen für neue Projekte neu erstellt und trainiert werden müssen. Deshalb können hohe Anfangsinvestitionen nicht über mehrere Produkte verteilt werden. Außerdem werden KI-Modelle in der Regel mit alten und voreingenommenen Datensätzen trainiert, was zu vielen ethischen Komplikationen führen kann.

KI birgt Potenzial im Kampf gegen Desinformation

Es gibt jedoch eine Reihe von Initiativen von Berufsverbänden, die ethische Fragen ansprechen und ethische Richtlinien für KI-Systeme entwickeln wollen. KI wird immer mehr zu einem wichtigen Instrument für die Gestaltung von Informationen und kann, wenn sie klug eingesetzt wird, der Gesellschaft enorme positive Vorteile bringen. Sie birgt unter anderem großes Potenzial im Kampf gegen Fake News, Fehlinformationen und Desinformation.

Das von der Europäischen Kommission finanzierte Projekt PROMPT will Journalist:innen und Aktivist:innen neue Instrumente an die Hand geben, um Desinformationsnarrative zu erkennen, zu antizipieren und zu bekämpfen. PROMPT wird gemeinsam mit Medienexpert:innen und Journalist:innen von Organisationen wie dem Erich-Brost-Institut (Deutschland), Les Surligeurs (Frankreich), Re:Baltica (Baltische Staaten) und Digital Bridge (Rumänien) entwickelt . Die Verbreitung dieser innovativen KI kann auch Nigeria dabei helfen, diese Herausforderung zu bewältigen.

Nigeria und unabhängige Forscher können bei diesem KI-Projekt mit der EU zusammenarbeiten. Die Reaktion der europäischen Politik auf Desinformation erkennt die Rolle der unabhängigen wissenschaftlichen Forschung an. Es wird davon ausgegangen, dass der Kampf gegen Desinformation in der Verantwortung aller Beteiligten liegt, einschließlich Faktenprüfern und Forschern. Die Verbreitung von Desinformation ist eine der Befürchtungen von Journalisten in Nigeria im Zusammenhang mit KI-Nutzung. Mit einem solchen Projekt wird es möglich, KI zu nutzen, um die Flut von Fake News und Desinformation einzudämmen. Es wird davon ausgegangen, dass KI dabei helfen kann, die Richtigkeit von Daten zu überprüfen und Fake News zu identifizieren. Menschen auf Social-Media-Plattformen liken und teilen Informationen, ohne die Authentizität dieser Informationen zu überprüfen, was eine große Herausforderung darstellt. Es besteht die Notwendigkeit, die Medienkompetenz zu verbessern. KI-gestützte Tools zur Erkennung von Anomalien wie Fake News können dafür von Vorteil sein und sollten eingesetzt werden.

 

Tabelle 1: Wie Journalist:innen in Nigeria den Einsatz von KI wahrnehmen

Diskussion der Ergebnisse

Die Studie untersuchte die Wahrnehmung und Nutzung von künstlicher Intelligenz für die Sammlung und Verbreitung von Nachrichten durch Journalist:innen in Nigeria. Die Ergebnisse zeigten, dass der Bekanntheitsgrad neuer KI-Tools unter Journalisten gering war. Dies könnte auch der Grund für die geringe Nutzung dieser sein. Diese Ergebnisse stimmen mit den Erkenntnissen von Jammy Seigha Guanah (2021) überein, der feststellte, dass der Bekanntheitsgrad von KI bei den Befragten gering ist, dass die Medien nicht genug tun, um die Menschen über die Funktionsweise von KI aufzuklären, und dass die Mehrheit der Befragten die Auswirkungen von KI auf sie selbst, ihre Arbeit und die Gesellschaft, in der sie leben, nicht kennt.

Semiu, B., Abdullah, S., & Perpetua, C. U. (2023) führten auch eine Umfrage zum Bewusstsein und zur Akzeptanz  der künstlichen Intelligenz unter Journalist:innen in den Bundesstaaten Lagos und Kwara durch. Sie stellten fest, dass bei einer Umfrage unter 376 Journalist:innen in beiden Bundesstaaten ein hohes Bewusstsein für Journalismus im Bereich der künstlichen Intelligenz bestand. Allerdings haben nur wenige die Innovation in ihre tägliche Praxis übernommen. Dies liegt an den wahrgenommenen ethischen und beruflichen Herausforderungen im Kontext mit KI.

Die Wahrnehmung des Einsatzes von KI-Tools war unterschiedlich, wobei die Mehrheit der Befragten (54,8 %) eine positive Wahrnehmung des Einsatzes von KI-Tools hatte. Die Untersuchung ergab auch, dass die Befragten unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf künstliche Intelligenz haben, wobei die Mehrheit Chat GPT (49,3 %) nutzt, gefolgt von Grammarly (31,5 %), Metal AI (27,4 %) und Dall-E mit 3,4 % am wenigsten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Herausforderungen und Ängste im Zusammenhang mit der Akzeptanz von KI bei der Nachrichtenbeschaffung und -verbreitung besonders wirtschaftliche Faktoren betreffen, etwa Angst vor Arbeitslosigkeit oder auch Sorgen um die Glaubwürdigkeit des Journalismus.

Schlussfolgerung

Das Ziel von KI-Technologien besteht darin, Systeme bereitzustellen, die menschenähnliche Interaktionen mit Software ermöglichen und Entscheidungshilfen für bestimmte Aufgaben bieten. Künstliche Intelligenz für die Nachrichtenbeschaffung und -verbreitung ist sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern zu einem wichtigen Instrument der Nachrichtenproduktion geworden. Dies hat vermutlich die Dynamik des Journalismus nicht nur in Rivers State, Nigeria, sondern weltweit verändert. Inzwischen ist das Bewusstsein für KI der Journalisten im Bundesstaat Rivers unterschiedlich ausgeprägt, ebenso wie die Nutzung. Obwohl einige von ihnen die Effizienz des KI-Einsatzes und seine Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben anerkannten, fürchteten viele den Einsatz von KI, weil sie befürchteten oder glaubten, dass sie zu Massenarbeitslosigkeit führen könnte, indem sie viele von ihnen aus ihren Medienorganisationen verdrängen würde. Gleichzeitig hatten sie Befürchtungen in Bezug auf Fake News, Desinformation und ethische Fragen.

KI könnte die Nachrichtenredaktion und die Arbeit von Journalist:innen völlig verändern. Künstliche Intelligenz für die Nachrichtenbeschaffung und -verbreitung ist jedoch zu begrüßen, da die Welt schnell in das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz übergeht und jeder Beruf oder jedes Land, das diesem Trend nicht folgt, ausgeschlossen und möglicherweise analog, überflüssig und veraltet werden könnte. In folgenden Studienbereichen müssen die KI-Erkennungssysteme verbessert werden: Umgang mit Satire, Meinungsbeiträgen und Verschleierung.

Empfehlungen

  1. Medienschaffende sollten KI-Tools nutzen, um die Bemühungen von Menschen bei der Nachrichtenbeschaffung und -verbreitung zu ergänzen.
  2. Die Interessengruppen sollten ein solides Schulungs-, Umschulungs-, Kampagnen- und Finanzierungsprogramm bereitstellen, um Medienschaffende und die breite Öffentlichkeit, insbesondere in Entwicklungsländern, über die Bedeutung und den Einsatz von KI-Tools aufzuklären, zu schulen und ein umfassendes Bewusstsein dafür zu schaffen.
  3. Das Studium der KI sollte in den akademischen Lehrplan von Journalismusstudierenden aufgenommen werden, um die frühzeitige Anpassung und Übernahme von KI-Tools in diesem Beruf zu fördern.

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