Impulse für einen neuen britischen Presserat

5. Juni 2012 • Qualität & Ethik • von

Eine Studie des britischen Reuters Institute for the Study of Journalism zeigt, wie Presseräte in anderen Ländern arbeiten und will so zur Debatte über die Presseregulierung in Großbritannien beitragen. 

Der britische Presseaufsichtsrat (Press Complaints Commission – PCC) gab im März 2012 bekannt, dass er sich neu ausrichten werde. Damit reagiert er auf die Kritik vonseiten der britischen Politik und Öffentlichkeit, die nach Bekanntwerden des Abhörskandals beim britischen Boulevardblatt News of the World im Juli 2011 das Vertrauen in das bestehende Pressekontrollsystem verloren haben.

Die damalige PCC-Vorsitzende, Baronin Buscumbe, war bereits im vergangenen Jahr zurückgetreten. Man hatte sowohl ihr persönlich als auch dem Rat ein falsches Verhalten im Abhörskandal vorgeworfen.

Nachdem die Redaktion der News of the World geschlossen worden war, News Corporation sein Kaufangebot für BSkyB zurückgezogen hatte und Führungskräfte bei der Polizei und News International zurückgetreten waren, berief Premierminister David Cameron einen Untersuchungsausschuss („Leveson Inquiry into media culture, practics and ethics“) ein. Dieser soll zum einen Empfehlungen für neue, effektivere Wege der Presseregulierung, die höchste ethische und professionelle Standards garantieren, geben. Zum anderen soll er das Fehlverhalten der Presse und der Polizei untersuchen.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Lord Justice Leveson, betonte zu Beginn der Anhörungen, dass vor allem eine Frage im Mittelpunkt der Untersuchungen stehe: „Who guards the guardians?“ („Wer bewacht die Wächter?“)

Laura Fielden, Fellow am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford, zeigt in ihrer Studie Regulating the Press: A comparative study of international press councils (Presseregulierung: Eine vergleichende Studie internationaler Presseräte) auf, wie in anderen Ländern die Wächter bewacht werden. Sie möchte zur Debatte um die Neuausrichtung der britischen Medienkontrolle beitragen, indem sie Erfahrungen der Presseräte in Australien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland und Schweden analysiert. Zudem geht sie auf Beispiele aus Kanada, Neuseeland und Norwegen ein.

Fieldens Interviews mit Mitgliedern der Presseräte, Ombudsleuten und Journalisten aus den jeweiligen Ländern machen deutlich, dass alle untersuchten Presseräte ihre eigenen Herausforderungen zu meistern haben, vor allem, wenn es um den Umgang mit neuen Medien und den Status von professionellen und Amateurjournalisten geht.

So sind der finnische und der dänische Presserat für Print und Online als auch für Rundfunkmedien verantwortlich, Australien berät gerade über eine crossmediale Regulierungsstelle. Schweden legt zwar dieselben Standards für Print und Rundfunk an, die Regulierung wird aber von zwei verschiedenen Institutionen gesteuert.

Ein weiterer Punkt, dem Fielden große Beachtung schenkt, ist die Frage nach der freiwilligen oder verpflichtenden Mitgliedschaft von Medienunternehmen im Presserat. Sie zitiert den Vorsitzenden des britischen Pressaufsichtsrats, Lord Hunt, der feststellte, dass der PCC niemals ein Kontrollorgan gewesen sei, da er die Medienunternehmen nie zu seinen Regeln verpflichten und Mitglieder nicht halten konnte.

Fielden zeigt auf, dass aber auch Presseräte anderer Länder auf einer freiwilligen Mitgliedschaft basieren, so etwa in Deutschland, Finnland und Schweden. In Dänemark dagegen ist die Mitgliedschaft im Presserat für Print- und Rundfunkmedien verpflichtend.

Der dänische Presserat geht sogar noch einen Schritt weiter: Ein Medium, das eine Rüge des Presserats nicht veröffentlicht, muss eine Geldstrafe zahlen. Das bestehende System des Presserats stößt in Dänemark aber auf Kritik, weshalb er dieses Jahr im Parlament einer genaueren Überprüfung unterzogen werden soll.

Die untersuchten Presseräte unterscheiden sich auch bezüglich ihrer Beschwerdepolitik. Während in Australien, Deutschland und Finnland jeder Bürger eine Beschwerde einreichen kann, wenn er der Meinung ist, dass ein Medium professionelle oder ethische Standards verletzt hat, können in Dänemark, Irland und Schweden nur die betroffenen Personen selbst, die sich durch die Berichterstattung in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen, eine Beschwerde einreichen.

Im letzten Kapitel ihrer Studie gibt Fielden Empfehlungen für die Neuausrichtung des britischen Presserats und fordert vor allem Glaubwürdigkeit durch Unabhängigkeit und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit. So könnte eine Art Plakette auf der Titelseite des Printprodukts beziehungsweise auf der Start-Seite des Online-Angebots über eine etwaige Mitgliedschaft des Medienunternehmens im Presserat informieren.

Diese Kennzeichnung, die auch in Australien und Irland eingeführt werden soll, könnte Mediennutzern bei der Beurteilung, ob sie Medien vertrauen können, helfen. Sie könnte auch den Medienunternehmen Anreize bieten, dem Presserat beizutreten. Medienunternehmen ohne Presserat-Plakette würden an Glaubwürdigkeit verlieren und sich wahrscheinlich schlechter verkaufen, so Fielden.

 

 

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