Februar 2008
EJO Research
Sind die Zeitungen wirklich vom Aussterben bedroht? Oder lässt sich ein Mittelweg zwischen den traditionellen Nachrichten und der Online-Berichterstattung finden? Eine Untersuchung der EJO zeigt, dass sich derzeit ein nachhaltiges System herausbildet, in dem sich die beiden Komponenten ergänzen.Waren die grossen Verlagshäuser bis vor einigen Jahren nur in sehr geringem Ausmass und zögerlich bereit, den Lesern ihre Inhalte zugänglich zu machen, so entschieden sich einige der grossen Zeitungen im Jahr 2007 nun doch für einen kostenlosen und unbeschränkten Zugang.
Gesamtleserzahl steigt
Werfen wir einen Blick zurück auf die Entwicklung der Berichterstattung, so können wir feststellen, dass die Einführung neuer Technologien wie etwa Radio oder Fernsehen nie ein Prozess der gegenseitigen Abwerbung war, in dem es klare Gewinner und Verlierer gab. Das Aufkommen des Internets bestätigt diese Regel. Nach einer Zeit der Unsicherheit haben viele Printmedien zusätzliche Online-Seiten eröffnet, wodurch sich der Leserkreis der einzelnen Zeitungen ausgeweitet hat und eine neue, multimediale Art der Kommunikation aufgebaut wurde. So hat beispielsweise die New York Times ihre Gesamtleserschaft um wöchentlich 446'000 Leser erhöht, der Guardian seinen Leserkreis beinahe verdreifacht, während Le Monde und Figaro nahezu doppelt so viele Leser wie früher erreichen.
Das Geschäftsmodell
In der Studie Online-Newsangebote, die Geschäftsmodelle konkretisieren sich (2004) , zeichnete sich eine klare Tendenz zur Beibehaltung des Abonnement-Prinzips für den Zugang zu Online-Informationen ab. In den vergangenen drei Jahren hat sich im Zuge der stetig steigenden Werbeinvestitionen im Internet und dem Zuwachs der Online-Leserschaft nun mehr und mehr das vollständige Gratis-Prinzip durchgesetzt. Eine Ausnahme stellen die beiden grössten Finanzzeitungen Wall Street Journal und Financial Times dar, die mit dem beschränkt freien Zugang eine Mischform anbieten. Insgesamt gilt jedoch die Logik, dass es profitabler ist, möglichst viele Leser en und einen höheren Umsatz zu erzielen als die Inhalte kostenpflichtig anzubieten. Der Mechanismus der Online-Werbung orientiert sich nämlich an der Besucherzahl einer Seite. Je höher sie ist, desto attraktiver wird die Seite für die Werbeanbieter. Dennoch trifft der von den Herausgebern mit wachsender Überzeugung getragene Konvergenzprozess immer noch auf Widerstände innerhalb der Redaktionen. Hier gibt es derzeit noch keine einheitlichen Mechanismen für die Arbeitsteilung. Auch ist man sich hier nicht darüber einig, ob eher dem Internet oder dem Papier der Vorzug zu geben sei. Im Allgemeinen ist jedoch zu beobachten, dass die Anzahl traditioneller Redaktionen zurückgeht und die der Online-Redaktionen zunimmt.
Werbeinvestitionen
Die Entwicklung der Werbeinvestitionen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich ein komplementäres Modell herauskristallisiert hat. Im Jahr 2006 wuchs die Werbung in den kostenpflichtigen Zeitungen gegenüber dem Vorjahr weltweit um 3,77%, ging aber in einigen hoch entwickelten Ländern zurück. Gleichzeitig ist eine stetige Zunahme bei den Werbeinvestitionen in der Online-Sparte mit oftmals zweistelligen Wachstumsraten zu verzeichnen. Diese Tendenz zwingt die Zeitungen also dazu, mehr und mehr auch im Internet präsent zu sein und ihren Auftritt intensiv durch Printmedien zu ergänzen. Die Tatsache, dass sich das Internet mehr und mehr durchsetzt und ein stetig zunehmender Anteil an Werbeinvestitionen nunmehr in der Online-Sparte getätigt wird, ist ein Grund mehr dafür, dass einige Verlage dazu übergegangen sind, sich ausschliesslich auf den Online-Bereich zu konzentrieren.
Die Entwicklung der Zeitungen
Weltweit lesen immer mehr Menschen Zeitung. 515 Millionen Leser kaufen jeden Tag eine Tageszeitung, die Gratis-Zeitungen mitgerechnet, sind es sogar über eine Milliarde. In den vergangenen fünf Jahren hat die Verbreitung der Zeitungen um 9.4% zugenommen, so dass heute 11’000 verschiedene Titel herausgegeben werden. Dennoch überwiegt in den hoch entwickelten Ländern eine gegenläufige Tendenz. So ist die Anzahl der kostenpflichtigen Zeitungen in den USA im Jahr 2006 um 1.6% zurückgegangen. Im Zeitraum von 2002 bis 2006 betrug dieser Prozentsatz sogar 5.18 %. Ein ähnlicher Trend ist in Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Italien, der Schweiz und in Japan zu beobachten, wo das Internet überall gleichermassen auf dem Vormarsch ist.
Internet und Breitband
In den Ländern, in denen die Anzahl derer, die sich einen Breitbandzugang leisten können, am höchsten ist, erfreuen sich auch die Online-Nachrichten der grössten Leserschaft. Dies sind auch genau die Länder, in denen ein Rückgang der am Kiosk verkauften Zeitungen zu verzeichnen ist. In den Ländern mit den geringsten Einwohnerzahlen erfreut sich das Internet insgesamt der grössten Beliebtheit. Dies ist beispielsweise in Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, Island, der Schweiz, Finnland, Hong Kong und Schweden der Fall.
Die Erfahrung zeigt, dass die Versuche gescheitert sind, im Internet die gleiche Logik wie bei den Printmedien und dieselben Kriterien wie bei der traditionellen Nachrichtenauswahl anzuwenden. Die erfolgreichsten Nachrichtenseiten sind vermehrt jene, die Möglichkeiten und Potenzial der digitalen Plattform nutzen. So bieten sie, verglichen mit den Tageszeitungen, eine andere Art des Lesens sowie einen multimedialen und interaktiven Ansatz, in dem unterschiedliche Formen der Kommunikation (Video, Stimme, Text) aufeinander treffen.
Schlagwörter:Geschäftsmodelle, Zeitungskrise