Neue Zürcher Zeitung, 24. September 2004
Von vielen einst als Betätigungsfeld für Narzissten belächelt, werden Weblogs inzwischen als zusätzliche Stimme im Kanon der Medien ernst genommen. In den USA kann man mit solchen Online-Journalen nun sogar Geld verdienen.
Seitdem kürzlich mehr als 30 Weblog-Autoren zum Parteitag der amerikanischen Demokraten akkreditiert worden sind, dürften sich die meist aus engagierten Kommentaren, persönlichen Eindrücken und Verweisen auf Fundstücke im Netz bestehenden Online-Journale endgültig von ihrem Schattendasein befreit haben. Vor allem in den USA scheint eine wachsende Leserschaft den meinungsbetonten und mitunter äusserst subjektiven politischen Weblogs gegenüber den auf Ausgewogenheit und politische Korrektheit bedachten Leitmedien den Vorzug zu geben. Aber auch die meist von Experten unterhaltenen Fach- und Branchen-Blogs stossen auf zunehmendes Interesse. Auf monatlich weit über drei Millionen Besucher bringen es heute die bekanntesten US- Weblogs, und immer öfter verweisen auch etablierte Medien auf Beiträge von Bloggern.
Für Gottes Lohn
Das Leben eines Weblog-Schreibers kann indes hart sein. Manch ein Autor fühlt sich durch die Erwartung seiner Leser auf regelmässige und lückenlose Berichterstattung unter Druck gesetzt. Von Blogger-Burnout war jüngst bei «Wired News» gar die Rede. Kein Wunder, zerbrechen sich immer mehr Weblog-Verfasser den Kopf darüber, wie sie für ihre meist nebenberufliche Tätigkeit entschädigt werden könnten.
Recht verbreitet sind in diesem Zusammenhang die Buttons der Ebay-Tochter PayPal, über die die Leser zu einer Spende an den Weblog-Betreiber aufgerufen werden. Zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat es im vergangenen Jahr der Journalist Christopher Allbritton, als er sich seine unabhängige Kriegsberichterstattung auf seinem Weblog «Back to Iraq» erfolgreich durch Spenden finanzieren liess. Der Star unter den «Bettel-Bloggern» ist – neben Howard Dean – aber ganz klar Andrew Sullivan. Nahezu 80'000 Dollar brachte der Journalist gemäss Medienberichten im Jahr 2002 mit einem Spendenaufruf für seinen vor allem eine konservative Klientel bedienenden und mit monatlich mehr als einer Million Besuchern überaus populären Blog «andrewsullivan.com» zusammen. Der Mehrzahl der Blogger ermöglichen Spendengelder aber wohl höchstens den monatlichen Verzehr einer Bratwurst.
Ähnliches dürfte für das auf den Online-Journalen ebenfalls recht häufig anzutreffende Amazon-Partnerprogramm gelten, das den Vermittler einer Transaktion – etwa über einen Link von einer Buchrezension aus – mit einer Provision von maximal 7,5 Prozent des Kaufpreises entschädigt. Man kann sich leicht ausrechnen, wie viele Verkäufe erforderlich sind, um auf einen nennenswerten Betrag zu kommen. Nach Auskunft von J. D. Lasica, Spezialist für Online-Journalismus und neue Medien, hat sich das Kommissionsmodell zumindest für seinen Weblog «New Media Musings», der es immerhin auf 2000 bis 3000 Leser pro Tag bringt, nicht gerechnet.
Relativ ansehnliche Werbeeinnahmen
Als lukrativer erweist sich für Lasica die herkömmliche Online-Werbung, die dem freien Journalisten nach eigenen Angaben immerhin mehr als 500 Dollar pro Monat einbringt. Die Akquisition der Werbebanner und -buttons überlässt Lasica dabei dem vor zwei Jahren gegründeten Anzeigenvermittler BlogAds, der die Werbeflächen von zurzeit rund 500 überwiegend in den USA beheimateten Weblogs vermarktet. Und das auf einer 20-prozentigen Kommission basierende Geschäftsmodell von BlogAds scheint sich zu bewähren. Nach Auskunft von Henry Copeland, CEO des Unternehmens, hat die Firma im zweiten Quartal des laufenden Jahres die Gewinnschwelle erreicht. Für den Monat Juli könne man gar einen gegenüber Januar 2004 verzehnfachten Umsatz ausweisen.
Der Blogging-Boom schlägt sich mittlerweile auch in den Anzeigenpreisen nieder. Während vor Jahresfrist etwa auf dem liberalen Weblog «Eschaton» der teuerste Werbeplatz noch für eine Jahresgebühr von 900 Dollar zu haben war, entspricht dieser Preis gemäss Copeland derzeit einer Monatsbelegung. Der konservative Blogger Greg Reynolds heischt für den «Premium slot» auf seinem Weblog «Instapundit.com» monatlich gar 3000 Dollar – ein nettes Nebeneinkommen für den hauptberuflichen Rechtsprofessor! Auf gut 10'000 Dollar habe sich der bisher grösste, auf einen einzelnen Blogger ausgestellte Monatscheck belaufen, erklärt Copeland. «Viele Blogs machen aber nur 100 Dollar pro Monat und sind sehr zufrieden damit», so der BlogAds-CEO weiter.
Aber auch mit Fach-Blogs lassen sich erkleckliche Beträge erwirtschaften. Auf Anfrage beziffert etwa Steve Hall, Betreiber des sich mit der Marketing- und Werbebranche befassenden Blogs «AdRants», seinen derzeitigen Blogging-Umsatz mit 4000 bis 6000 Dollar pro Monat. Und gar vom Bloggen leben kann der britische Journalist Rafat Ali, der mit seinem Weblog «PaidContent.org» im vergangenen Jahr rund 80'000 Dollar erwirtschaftete. Zum erwarteten Ergebnis fürs laufende Jahr wollte Ali gegenüber der NZZ nicht mehr sagen, als dass es sich im sechsstelligen Dollarbereich bewegen dürfte.
Die Beispiele zeigen, dass sich gerade Branchen- oder Fachblogs besonders gut als Werbeträger eignen, lassen sich mit ihnen doch eng definierte, an spezifischen Themen oder Wirtschaftszweigen interessierte Publika erreichen. Keine noch so exotische Zielgruppe, für die sich nicht ein Weblog finden liesse. Mit inhaltsbezogenen Textanzeigen versucht dies auch das AdSense- Programm von Google auszunützen, das inzwischen auf vielen Weblogs anzutreffen ist. Wie viel sich mit den Klick-abhängigen Kommissionen verdienen lässt, ist indes nur schwer zu eruieren, untersagt es Google doch den AdSense-Teilnehmern, Zahlen bekannt zu geben.
Nano-Verleger
Mit Nick Denton und Jason Calacanis basteln inzwischen auch zwei Protagonisten aus den Boomzeiten des Internets an Weblog-Geschäftsmodellen herum. Denton, Mitbegründer des News-Aggregators Moreover.com und der einstigen Internet-Ideenbörse First Tuesday, betreibt unter dem Dach seiner Firma Gawker Media fünf Weblogs, die sich die neuesten Gadgets, Szeneklatsch aus New York, Washington DC und Los Angeles sowie die Welt der Pornografie zum Thema machen. Mit den Angeboten peilt Denton nicht zuletzt die von der Werbeindustrie anvisierte Gruppe der 18- bis 34-Jährigen an, die über die herkömmlichen Medien immer schwerer zu erreichen sind. Für die Betreuung der Online- Journale beschäftigt Denton meist junge, talentierte Blogger, die er gemäss Medienberichten mit einem monatlichen Fixum von 1500 bis 2000 Dollar entschädigt – nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass es etwa der Gadget-Weblog «Gizmodo» inzwischen auf mehr als 50'000 Besucher pro Tag bringt. Mit dem lakonischen Hinweis auf sein Recht auf Ferien lehnte Denton eine Stellungnahme zu diesen Zahlen ab.
Wie Nick Denton versucht auch Jason Calacanis, einst Herausgeber der inzwischen eingegangenen New-Economy-Zeitschrift «Silicon Alley Reporter», mit Weblogs Geld zu verdienen. Mit seiner Firma Weblogs Inc. unterhält Calacanis ein Netzwerk von unabhängigen Online-Journalen, das für die beteiligten Blogger die technische Infrastruktur betreut und die klassischen Verlagsaufgaben (Marketing und Anzeigenverkauf) übernimmt. Anders als Gawker Media beteiligt Weblogs Inc. die Autoren jedoch mit 50 Prozent am Erfolg ihrer jeweiligen Weblogs. Rund 50 Blogs sind derzeit Teil des Netzwerks – eine Zahl, die sich nach Auskunft von Calacanis bis Ende Jahr auf 100 erhöhen soll. Der Kleinverleger ist überzeugt, dass sich der Umsatz seines Unternehmens dannzumal auf 100'000 bis 200'000 Dollar pro Monat belaufen wird. Bis 10'000 Dollar Monatsumsatz würden einige der beteiligten Weblogs nämlich bereits heute generieren. Mit einem ähnlichen Modell wie Weblogs Inc. versucht in Europe die Firma Creative Weblogging Fuss zu fassen.
Weblogs als Sprungbrett
Die «Nano-Verleger» Denton und Calacanis liefern sich über ihre persönlichen Weblogs mitunter recht heftige Wortgefechte, insbesondere seit Weblogs Inc. im März dieses Jahres den Macher des Gadget-Blogs von Gawker Media abgeworben hat. Weblogs bieten somit offensichtlich auch indirekte finanzielle Anreize, indem sie nämlich den Autoren als Plattform zur Selbstprofilierung dienen. So ist der Student Brian Stelter vor wenigen Wochen durch den Verkauf seines Branchen-Blogs «CableNewser.com» an die Journalistenbörse «Mediabistro» zu etwas Geld und einem Job gekommen. Einer Bloggerin von Gawker Media gelang es kürzlich, als Journalistin beim «New York Magazine» unterzukommen. Dem «Blogger von Bagdad» brachten seine Aufzeichnungen gar einen Buchvertrag ein. Und der kalifornische Anwalt J. Craig Williams bestätigt die von der «New York Times» kolportierte Aussage, wonach er dank seinem Weblog «May It Please The Court» für seine Anwaltskanzlei zusätzliche Aufträge in Höhe von mehreren hunderttausend Dollar generiert habe.
Hierzulande noch ein Randphänomen
Mit rund 10'000 Online-Journalen – gegenüber 3,5 Millionen in den USA – ist Blogging im deutschsprachigen Raum noch ein Randphänomen. Die Besucherzahlen der grössten deutschen Weblogs liegen um weit mehr als das Zwanzigfache hinter jenen in den USA zurück. So ist hierzulande mit Bloggen noch kein Geld zu verdienen. Zwar lassen sich auf dem einen oder anderen Angebot diskret placierte Textanzeigen entdecken, und das Thema wird auf den einschlägigen Weblogs mitunter recht leidenschaftlich diskutiert. Nennenswerte Umsätze werden aber noch keine erzielt, wie Anfragen bei führenden deutschen Webloggern ergeben haben. Ein namentlich nicht genannt sein wollender Fach-Blog will es zwar auf monatlich 200 bis 300 Euro bringen. Aber selbst Jörg Kantel, der mit seinem «Schockwellenreiter» den vermutlich meistfrequentierten Blog Deutschlands betreibt, bringt es mit Textanzeigen nach eigenen Angaben derzeit auf mickrige 25 Euro pro Monat – ein Betrag, der gerade einmal die Hälfte der Hosting-Kosten decken würde.
Schlagwörter:Blogs, Geschäftsmodelle