Blogger und Journalisten: Ähnlicher als gedacht

3. September 2018 • Digitales • von

Euphorisches Lob oder scharfe Kritik als „kommunikativer Krimskrams“: Blogs polarisieren. Journalisten bezeichnen Blogger oft als Amateure. Aber wie sehr unterscheiden die beiden Gruppen sich tatsächlich – und worin ähneln sie sich? Diesen Fragen geht eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung nach.

Olaf Hoffjann und Oliver Haidukiewicz der Hochschule Ostfalia haben 936 professionelle Journalisten und 463 journalistische Blogger sowie 156 Nutzer online befragt. Außerdem haben sie Experteninterviews mit 20 Bloggern durchgeführt. Die Autoren sehen beide Gruppen als „Journalisten“ an. Zur Unterscheidung werden sie in der Veröffentlichung als „professionelle Journalisten“ bzw. als „Blogger“ bezeichnet.

Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse:

1. Relevanz

Journalisten gestehen Bloggern wenig journalistische Relevanz zu. Jeder dritte Journalist glaubt, dass Blogs keine relevanten Informationen liefern. Blogger hingegen schätzen Journalisten und sind der Ansicht, dass sie kritisch berichten. Einig sind sich Blogger und Journalisten  darüber, dass der wachsende Erfolg von Blogs auf die Unzufriedenheit des Publikums mit den traditionellen Medien zurückzuführen ist

2. Ausbildung und Professionalität

Die Studie zeigt, dass Blogger in der Regel journalistisch deutlich schlechter ausgebildet sind als professionelle Journalisten. Jeder siebte Blogger hat aber immerhin ein kommunikationswissenschaftliches Studium absolviert. Selten können sie einschlägige Praktika vorweisen.

Jeder dritte Blogger arbeitet mehr als 20 Stunden pro Woche, verdient damit Geld und kann somit als „Berufsblogger“ bezeichnet werden. Laut Hoffjann und Haidukiewicz ist damit allerdings oft ein hoher Arbeitsaufwand verbunden, der sich nicht in einem entsprechend hohen Verdienst niederschlägt.

Blogger recherchieren im Gegensatz zu professionellen Journalisten nur selten außerhalb des Internets. Stattdessen investieren sie mehr Zeit ins Marketing

3. Ziele

Sowohl professionelle Journalisten als auch Blogger wollen in erster Linie Informationen ermitteln. Bei Bloggern steht abgesehen davon die Unterhaltung im Vordergrund (ein Drittel), während professionelle Journalisten häufiger kritisieren und kontrollieren wollen (40%).

Einigkeit herrscht über Qualitätskriterien: Beide Gruppen finden Richtigkeit, Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Erklärungskompetenz wichtig. Professionelle Journalisten möchten allerdings eher neutral berichten, Blogger fokussieren sich auf das persönliche und literarische Schreiben.

4. Qualität

Die Autoren entscheiden zwischen funktionalen und normativ-demokratieorientierten Qualitätskriterien (z.B. Relevanz, Richtigkeit, Aktualität) sowie publikumsorientierten Qualitätskriterien (z.B. Unterhaltsamkeit, Nähe). Professionellen Journalisten sind nach den Studienergebnissen erstere wichtiger, Bloggern letztere.

5. Partizipation

Blogger  investieren viel Zeit in Publikumskontakte, z.B. über Kommentarfunktionen. Außerdem zielen sie stärker auf die Nähe zum Publikum ab als professionelle Journalisten (siehe Punkt 3 und 4). Allerdings zeigt sich auch bei Blogs, dass nur wenige Nutzer von den Partizipationsmöglichkeiten im Netz Gebrauch machen.

6. Haltung zu PR

Sowohl Blogger als auch professionelle Journalisten sind unzufrieden mit der Qualität von Pressemitteilungen und der PR-Arbeit offizieller Stellen und Institutionen. Blogger bemängeln, dass ihnen teilweise kein Zugang zu Pressekonferenzen gewährt werde, bemerken aber, dass sich dies zusehends verbessere und sie zunehmend ernster genommen würden.

7. Schleichwerbung

Bloggern wird oft Schleichwerbung vorgeworfen. Laut der Befragung kennzeichnen Blogger aber genauso oft bezahlte Inhalte (91,6%) wie professionelle Journalisten (91,7%). Die Autoren vermuten allerdings, dass das Bewusstsein über soziale Erwünschtheit die Antworten verfälschen könnte und dass vor allem auch auf YouTube und Instagram bezahlte Inhalte nicht immer gekennzeichnet würden.

Bei Bloggern, so die Studie, gibt es einen größeren Rollenkonflikt zwischen der Verpflichtung gegenüber dem Publikum und der Rolle als akquirierende Werbeverkäufer. Bei traditionellen Zeitungen sorgt die Trennung von Verlag und Redaktion für mehr Distanz. Als Strategie ziehen einige Blogger Dienstleister für das Marketing hinzu. 93,1% der Blogger gaben außerdem an, Werbebeiträge abzulehnen, die nicht zu ihrer redaktionellen Linie passen, selbst, wenn sie dadurch weniger Werbeeinnahmen haben. Unter professionellen Journalisten sind es nur 65,7%.

Das Publikum glaubt hingegen, dass nur 23,4% der Blogger und 50% der professionellen Journalisten bezahlte Beiträge ausreichend kennzeichnen.

8. Ähnlichkeiten

Die Studie zeigt, dass sich Journalisten und Blogger in einigen Aspekten ähnlicher sind als erwartet. So gibt es zwischen Vertretern unterschiedlicher Gruppen, die zum selben Themenbereich arbeiten, oft mehr Nähe als zwischen Vertretern der gleichen Gruppe, die in verschiedenen Ressorts arbeiten.

Am ähnlichsten sind sich Politikjournalisten und Politikblogger: Die Rolle als Kritiker und Kontrolleure ist ihnen beiden wichtiger als all ihren anderen Kollegen. Ähnlich ist es beim Thema Mode: Sowohl Blogger als auch professionelle Journalisten legen in diesem Bereich mehr Wert auf Unterhaltung und Service als andere Kollegen.

9. Konkurrenz

Blogger stellen derzeit keine ernsthafte Konkurrenz für professionelle Journalisten dar. Die Reichweite der größten journalistischen Webangebote in Deutschland (z.B. faz.net) ist 50mal so groß wie die des größten Politikblogs (netzpolitik.org).

Jüngere Nutzer haben allerdings angegeben, besonders zum Thema Mode Blogs den traditionellen journalistischen Angeboten vorzuziehen.

Hoffjann und Haidukiewicz merken an, dass angesichts der wachsenden Popularität der sozialen Medien die Ergebnisse einer vergleichbaren Studie in zehn Jahren ganz anders ausfallen könnten. Bislang hätten Blogs noch den großen Nachteil,  dass kein rentables Geschäftsmodell für sie in Sicht sei. Die Autoren vermuten, dass Blogs auch in Zukunft keine generelle Konkurrenz für den tagesaktuellen Journalismus darstellen werden, aber in bestimmten Fachbereichen wie Mode, Reise und Technik durchaus aufholen könnten.

Die Studie steht auf der Website der Otto Brenner Stiftung als Download zur Verfügung. 

Bildquelle: The Blue Diamond Gallery/Alpha Stock Images: Blogger; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

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