Medien in Guinea-Bissau: „Münder zum Mieten?“

6. Juli 2022 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Pressefreiheit • von

Wie arbeiten Journalist*innen im Kontext eines „fragilen Staates“, der von politischer Instabilität und fehlender Infrastruktur geprägt ist? Dieser Text beleuchtet die Situation der Medienschaffenden in Guinea-Bissau und wie sie sich allen widrigen Umständen zum Trotz Spielräume schaffen.

Radio Cacheu

Radio “Voz do Rio Cacheu”: Der Stromgenerator ist die einzige Stromquelle

Am 31. März 2022 gab der Ministerrat in Guinea-Bissau per Communiqué die „Annullierung der Lizenzen für die Ausübung von Rundfunkaktivitäten“ bekannt. Dies gelte für alle Rundfunkanstalten, die angeblich ihre Lizenzgebühren nicht gezahlt haben: 79 Radios. Die Radios sind die Hauptinformationsquelle in Guinea-Bissau. Überall im Land gibt es die sogenannten „Community Radios“, die oft sehr nah an der Bevölkerung sind und neben der lingua franca Kriol oder der Amtssprache Portugiesisch in den Sprachen der jeweiligen Gemeinschaften vor Ort berichten, zum Beispiel Fulani, Mandjaco oder Papel. Eine Umfrage, die Ende 2020 vom United Nations Integrated Peacebuilding Office Guinea-Bissau (UNIOGBIS) in Auftrag gegeben wurde, zeigt: Außerhalb der Hauptstadt, wo es keine Zeitungen und nur schlechten Zugang zum Fernsehen gibt, sind sie neben mobil genutzten Onlinequellen (hauptsächlich Facebook und WhatsApp) sogar die einzigen Medien.

Die Community Radios leisten eine äußerst wichtige Arbeit und sind, trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen und teils zu großer Nähe zur Politik, oft weit mehr als nur eine Informationsquelle. Sie bieten eine Plattform für die Stimmen der Menschen vor Ort, die durch interaktive Formate teilhaben, was zur Konfliktbewältigung sowohl auf zwischenmenschlicher als auch auf politischer Ebene beitragen kann. Eine Recherche des guineischen Soziologen Miguel de Barros (2018) nennt die Radios als ein essenzielles Element des Nation Building im multiethnischen, postkolonialen Staat und betont ihre Bedeutung für die lokale Entwicklung in verschiedenen Bereichen, von Naturschutz bis hin zu Friedensarbeit (de Barros et al. 2021, S. 218).

Erlaubt wurden die Radios erst in den 80er Jahren. Nach der Unabhängigkeit Guinea-Bissaus von Portugal 1976 herrschte zunächst ein Einparteiensystem (geführt von der PAIGC, der Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde, unter Amilcar Cabral), in dem auch die Medien stark kontrolliert wurden – im Vordergrund stand, nach dem Unabhängigkeitskrieg die Einheit des neuen Staates mit seinen vielen Gruppen zu sichern, die sich nur über den gemeinsamen Kampf gegen die Kolonialmacht als Verbündete identifizierten. Kritik an der Partei war nicht erwünscht (Kohl, 2010). Erst in den 80ern begann die politische Öffnung; vorsichtig wurden weitere Parteien und dann auch Community Radios erlaubt – das Rádio Voz de Quelélé im gleichnamigen Vorort der Hauptstadt überzeugte die damalige Regierung von den Vorteilen lokaler Radios, indem es während der Choleraepidemie 1994 wichtige Präventionsarbeit leistete (Paula, 2011). Inzwischen gibt es mehr als 80 Radios, aber noch immer ist der Einfluss des Einparteiensystems im Verhältnis zwischen Medien und Politik zu spüren. Die Mehrzahl der Radios ist seit April per Regierungsbeschluss ohne Lizenz. Was steckt dahinter?

Laut Gesetz „Nr 4/2013 vom 25. Juni“ hatten die Radios lediglich vorläufige, keine endgültigen Lizenzen. Diese hätten sie nach Aussage der Regierung jedes Jahr erneuern und dafür jeweils eine Gebühr zahlen müssen. Die meisten Radios haben allerdings kein Einkommen, wie Sana Mané, Direktor des Community Radios Voz do Rio Cacheu in der historischen Stadt Cacheu im Norden des Landes erzählt. „Wir können unseren Mitarbeitern keine Gehälter zahlen.“ Sie arbeiten ausschließlich ehrenamtlich und aus Leidenschaft für die Aufgabe – das sorge natürlich für große Fluktuation im Team. „Oft bilden wir junge Mitarbeiter aus, aber sobald sie woanders einen Job finden, sind sie weg.“ Mané zeigt den Generator, der vor dem Redaktionsgebäude steht – die einzige Stromquelle des Radios. „Manchmal ist kein Geld für Benzin da, und dann sendet das Radio auch mal eine Woche lang nicht. Manchmal kommen dann die Leute und fragen, warum es kein Programm gibt, und steuern etwas Geld bei, wenn möglich.“ Ab und zu helfen auch NGOs dem Radio, aber der Zugang zu finanziellen Mitteln bleibt sporadisch. Die über Jahre angesammelten Lizenzgebühren nun mit einem Mal zu zahlen ist für die meisten Radios undenkbar. Das Radio Voz do Rio Cacheu hat 640.620 CFA-Francs Schulden beim Staat, knapp 980 Euro – und ist nun ohne Lizenz also offiziell illegal. Viele Community Radios im Land befinden sich in einer vergleichbaren Situation und haben noch deutlich höhere „Schulden“.

Auszug aus dem Communiqué des Ministerrats vom 31.03.2022:

„Im Kapitel ‚allgemeine Informationen‘ wurde registriert: ie Notiz des Kommunikationsministers über die Entscheidung der Annullierung von Lizenzen für die Ausübung von Rundfunkaktivitäten, die lokalen, regionalen und nationalen Rundfunkstationen erteilt wurden, wegen flagranter Verletzung der Bestimmungen des Gesetzes Nr. 4/2013 vom 25. Juni.“

Verhandlungen: Subventionen oder Lizenzgebühren?

Die Behauptung, es seien Lizenzgebühren nicht bezahlt worden, werten wir als einen Vorwand, die Pressefreiheit einzuschränken

sagt Demba Sanhà, Direktor des Netzwerkes aller Community Radios in Guinea-Bissau (RENARC). Die Weigerung der Regierung, gültige Lizenzen zu erteilen, widerspreche der in der Verfassung festgeschriebenen Pressefreiheit. Eigentlich müsse die Regierung den Radios außerdem Subventionen zahlen, die dort aber nie ankämen. „RENARC empfiehlt den Radios, trotzdem weiterzuarbeiten wie gewöhnlich“, so Sanhà. Zugleich treffen er und seine Kollegen verschiedener nationaler und internationaler Organisationen sich mit Regierungsvertretern, um zu verhandeln. Aufgehalten wurden die Verhandlungen allerdings unter anderem dadurch, dass am 13. Mai 2022 Präsident Umaro Sissoco Embalo das Parlament auflöste.

Als Ergebnis des jährlichen Treffens der Community-Medien, das vom 19. bis 21. Mai in São Domingos stattfand, schrieben die Journalist*innen einen Brief direkt an den Präsidenten, in dem sie, unter Bezug auf ihre „ehrenamtliche Arbeit im Dienste der Öffentlichkeit“, darum bitten, keine Lizenzgebühren mehr zahlen zu müssen. Auch verschiedene Organisationen, die für Pressefreiheit arbeiten, verurteilen die Entscheidung und appellieren an die Regierung, diese aufzugeben, darunter die Media Foundation West Africa (MfWA), die in diesem Jahr ein großes Medienentwicklungsprojekt in Guinea-Bissau startet.

Schwindende Spielräume für die Pressefreiheit

Die Entscheidung über den Lizenzentzug passiert in einem Kontext, der ohnehin von schwindenden Spielräumen für die Pressefreiheit geprägt ist – im Jahr 2021 kam es unter anderem zu Einschüchterungen und Angriffen auf einzelne Journalist*innen und Blogger*innen. Außerdem wurde das private Rádio Cápital FM in der Hauptstadt Bissau zerstört, ein Wachmann kam dabei ums Leben. Das Radio gilt als regierungskritisch.

Am 7. Februar 2022 wurde das Radio erneut von maskierten unbekannten Männern überfallen und zerstört. Sie schossen auf die Computer, zerschlugen technische Geräte. Eine Journalistin sprang aus dem Fenster, um sich zu schützen, und musste zur Behandlung ihrer schweren Verletzungen nach Portugal geflogen werden. „Sie kamen in einem Auto der Regierung“, sagt Sumba Nansil, Chefredakteur von Rádio Capital FM. „Das war ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit.“

Welche Themen sind es, die für Journalist*innen besonders schwierig oder gefährlich zu berichten sind? „Das hier zum Beispiel“, sagt Sumba Nansil und zeigt auf den Platz, auf dem er sitzt: ungepflastert, staubig, überall liegen Müll und kaputte Reste von Bühnen und Sitzecken herum. Vielleicht vom letzten Tabaski, dem muslimischen Opferfest, oder einer anderen Feierlichkeit. Dazwischen Plastiktische; einzelne Frauen verkaufen aus Kühlboxen und an mobilen Grills „Caldo Branco“, Reis mit Fisch, zum Mittagessen. „Das ist eine Schande, so sieht ein Platz mitten in der Hauptstadt aus, an der größten Straße. Dieses Missmanagement“, erklärt Nansil. „Das ist das Einzige, was man uns vorwerfen kann: Dass wir den Guineern in unseren Programmen eine Chance gegeben haben, solche Themen offen und ehrlich anzusprechen. Zu sagen, was sie von den Regierenden erwarten und welche Wahlversprechen nicht eingehalten wurden.“

Eins der schwierigsten Themen für Journalist*innen bleibt allerdings der internationale Drogenhandel. Im März haben einige Journalist*innen ein neues Netzwerk gegründet, das die Berichterstattung über das Thema erleichtern soll. Anstatt ihrer persönlichen Namen können sie nun mit dem Namen des Netzwerks unterzeichnen und gemeinsam außerdem leichter Kontakt zu internationalen Organisationen und anderen Quellen gewinnen.

Wahlplakate von Umaro Sissoco Embaló aus dem Jahr 2019: “General des Volkes”?

Der Angriff auf das Rádio Capital FM ereignete sich nur wenige Tage nach einem anderen Vorfall, der Guinea-Bissau in die internationalen Nachrichten brachte: Am 1. Februar 2022 fielen Schüsse am Regierungspalast. Bewaffnete und maskierte Männer drangen in das Regierungsgebäude ein, mehrere Wachposten wurden erschossen, doch am Ende konnten die Angreifer aufgehalten werden – ein erneuter Staatsstreich? Guinea-Bissau ist eines der Länder mit den meisten Putschen und Putschversuchen weltweit. Nach dem kurzen, aber blutigen Bürgerkrieg 1998/1999 konnte kaum ein Präsident oder Premierminister seine Amtszeit regulär beenden; 2009 wurde João Bernardo (Nino) Vieira in seinem Haus ermordet und die nach dem Ende der vergleichsweise ruhigen Amtszeit von José Mário Vaz (2014-2020) mit leiser Hoffnung erwarteten Wahlen 2019 endeten in einer undurchsichtigen Situation mit dem Vorwurf von Wahlfälschung, aus der schließlich Umaro Sissoco Embaló von der Partei MADEM-G15 als Sieger hervorging. Einige politische Gegner nennen ihn noch immer „auto-proclamado“ (der Selbsternannte) und bezeichnen seine Machtübernahme als Putsch – sie weigern sich, den Titel „Präsident“ zu verwenden, obwohl seine Präsidentschaft offiziell und international anerkannt ist. Er selbst hingegen tituliert sich als „General des Volkes“.

Zu dem aktuellen Putschversuch, den unter anderem ECOWAS, UN und EU verurteilten, gibt es noch offene Fragen. War es tatsächlich das Militär? Unwahrscheinlich, denn dieses hätte sich vermutlich nicht stoppen lassen. Oder am Ende sogar der Präsident selbst, der einen Weg suchte, in der Folge unliebsame Gegner unter Druck zu setzen? Oder Gruppierungen innerhalb des Militärs oder innerhalb politischer Parteien, die ihre Macht sichern wollten? Wer auch immer den Putschversuch zu verantworten hat, es folgten Einschüchterungen, Hausdurchsuchungen bei Aktivist*innen und Journalist*innen und schließlich der Angriff auf Rádio Capital FM. „Wir können in diesem Kontext nicht von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder Demokratie reden“, meint Sumba Nansil von Rádio Capital FM.

Sissoco begründete im Mai seine Entscheidung, das Parlament aufzulösen und die eigentlich für 2024 angesetzten Parlamentswahlen möglicherweise bereits im Dezember 2022 abzuhalten, mit angeblicher Korruption innerhalb des Parlaments. Politische Beobachter bezeichnen die Entscheidung laut Deutsche Welle allerdings als nicht verfassungsgemäß und gehen von machtpolitischem Kalkül seitens des Präsidenten aus. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS schickte im Mai 600 Soldaten nach Guinea-Bissau, die für „die Sicherheit des Präsidenten und der Autoritäten“ sorgen sollen – eine Entscheidung, die von verschiedenen Seiten kritisiert wird.

Medien: Anfällig für Beeinflussung

Die politische Instabilität ist in Guinea-Bissau nicht neu, aber niemals wird sie eine hinnehmbare Normalität. Zu groß sind die Effekte auf die Bevölkerung, von unzureichender Gesundheitsversorgung bis hin zu einem desolaten Bildungssystem und der Verstrickung verschiedener Institutionen mit dem internationalen Drogenhandel, der Guinea-Bissau den Spitznamen „Narco-State“ eingebracht hat. Durch poröse Grenzen und internationale Dynamiken wie organisierte Kriminalität, irreguläre Migration und Menschenhandel, sowie Korruption (ein Beispiel dafür ist die Ausgabe gefälschter Diplomatenpässe) wird die Situation in Guinea-Bissau damit auch ein Risikofaktor für die Region und darüber hinaus. Und natürlich wirkt sich diese Instabilität auch auf die Medien aus.

Dies zeigt sich unter anderem in der finanziellen Situation der Medien. In Guinea-Bissau gibt es staatliche, private und so genannte Community-Medien, wobei die Grenzen zwischen den zwei letzteren fließend sind. Der Staat unterhält das Nationale Radio Rádiodifusão Nacional, den Fernsehsender Televisão da Guiné-Bissau (TGB) und die Zeitung Nô Pintcha (kriol für: Wir gehen voran), außerdem die Nachrichtenagentur Agência das Noticias da Guiné-Bissau. Zeitungen spielen nur eine geringe Rolle. Sie sind ausschließlich in der Hauptstadt zu erhalten und auch dort muss man sie suchen. Die private Tageszeitung Última Hora druckt, geschwächt durch die allgemeinen Umstände und nun noch durch die Pandemie, zum Beispiel nur noch 100 Exemplare wöchentlich. Die Mitarbeiter des staatlichen Rundfunks streiken immer wieder, zuletzt im April, um auf unsichere Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Laut Reporter ohne Grenzen wurde der jüngste Streik im April auch eine Reaktion auf die Entlassung eines Reporters, der sich angeblich geweigert habe, den Präsidenten zu interviewen, als dieser ein Fußballspiel besuchte. Die Situationen der privaten Radios unterscheiden sich mitunter stark: Da sind einige, die politischen Akteuren äußerst nahestehen, zum Beispiel África FM, das dem Präsidenten Sissocó gehört, und andere, wie beispielsweise das Rádio Sol Mansi (Kriol für Sonnenaufgang), mit engen Verbindungen zur katholischen Kirche. Rádio Sol Mansi und Rádio África FM gehören zu den wenigen Anstalten ohne Lizenzschulden.

Viele Radios aber arbeiten ohne stabile finanzielle Ressourcen. Dies macht die Journalist*innen besonders anfällig für Beeinflussungen durch Politiker*innen und andere Akteur*innen. Ein erfahrener Journalist, der hier anonym bleiben möchte, beobachtet, dass die Nähe zwischen Politik und Medien sich verstärkt: „Inzwischen bemüht sich jede Partei, ihr eigenes Radio zu haben. Das sind ganz offen Sprachrohre, die einer Partei gehören und nach dem Mund reden.“ Der Direktor von África FM behauptet im Interview zunächst, sein Radio sei eines der wenigen, die unabhängig von politischer Einflussnahme seien – obwohl es sich in einem Gebäude befindet, dass Sissoco gehört, und vom Präsidenten finanzierte Autos auf dem Hof stehen. Darauf angesprochen, verteidigt der Direktor sich: „Ja, wir bekommen Geld vom Staatsoberhaupt – aber was können wir tun? So machen es ja alle. Wenigstens sind wir nicht so schlimm wie Cápital FM, die stehen voll auf der Seite der PAIGC.“

In ihrer Studie aus dem Jahr 2019 zeigt Susana Sampaio-Dias das Ausmaß der „per-Diem-payments“ und deren Folgen für die Pressefreiheit. „A syndrome of media bribery“ (Sampaio-Dias 2019), ein Syndrom der Bestechung von Medien, nennt sie diese Praktik, die manchmal auch mit dem Begriff „brown envelope“ umschrieben wird: Journalist*innen werden von Politiker*innen bezahlt, um über diese zu berichten. Bei Pressekonferenzen werden ihnen Umschläge zugesteckt oder Kandidat*innen nehmen sie zu Wahlkampfveranstaltungen in ab gelegenere Regionen in ihren Autos mit. Sampaio-Dias‘ Interviews zeigen, dass die Journalist*innen sich der berufsethischen Problematik der „per-Diem-payments“ bewusst sind und es hin und wieder Versuche der Medienselbstkontrolle gibt. Auch im Pressekodex der Journalistenvereinigungen, SINJOTECS und Ordem das Jornalistas, heißt es, dass „der Journalist jegliche Form von Nötigung, Bestechung, Druck oder Bevorteilung, die nicht mit der Berufsethik vereinbar sind“ ablehnen solle und dass Propaganda zu vermeiden ist. Dennoch besteht eine Lücke zwischen Theorie und Praxis, solange die Arbeitsbedingungen nicht verbessert sind. Bis dahin, so Sampaio-Dias, wird das Akzeptieren von Zahlungen teils als unvermeidlich und daher weniger als ethisches Problem betrachtet. Nicht nur Politiker versuchen, Einfluss zu nehmen, sondern “jeder, der irgendein Interesse durchzusetzen hat”. Ein aktueller Bericht der EU warnt vor wachsendem Einfluss extremer religiöser Tendenzen, die sich in vielen Ländern der Region auch in der Medienlandschaft niederschlagen.

Lösungsansätze?

Professor António Nhaga, der unter anderem an der Universität Lusofona in Bissau Nachwuchsjournalist*innen unterrichtet, warnt in seinen Seminaren die Student*innen, nicht zu „bocas de alugar“, „Mündern zum Mieten“, zu werden. Er plädiert daher in seiner Rolle als Leiter des „Journalistenordens“ ONJGB wiederholt für die Einführung eines Geschäftsmodells, das die Redaktionen finanziell stabilisieren könnte – dies sei wichtiger und nachhaltiger als Hilfe von außen. Auch hier hakt es allerdings an der Umsetzung.

Journalistenschule in Bissau

Hilfe von außen bekommen die Medieninstitutionen in Guinea-Bissau unter anderem von verschiedenen internationalen Akteuren. UNICEF und verschiedene NGOs schalten Spots in den Lokalradios. Das EU-finanzierte Programm Ianda Guiné entwickelt aktuell eine Plattform, auf der Radios und NGOs registriert sind. Sie soll das Vermitteln der Spots an die Radios erleichtern und die Veröffentlichung und Bezahlung dokumentieren. So können mehr Radios von den Entschädigungen für das Veröffentlichen der Spots profitieren und die NGOs ihre Botschaften weiter verbreiten. Der Zivile Friedensdienst (ZfD) bindet Radios und Journalist*innen in seine Friedensarbeit ein. Diese Beispiele zeigen: Medienentwicklungszusammenarbeit läuft meist eher in Projekten mit einem anderen Fokus mit – es geht zuallererst um Frieden, Kinderrechte oder Gesundheit, und die Medien werden als Plattform genutzt und teils finanziell unterstützt. Die Radios werden in diesen Projekten eher aufgrund ihrer Rolle als wichtige Vertreter der Zivilgesellschaft betrachtet denn in ihrer journalistischen Identität. Besonders wichtig für die Medien war die Arbeit des United Nations Integrated Peacebuilding Office UNIOGBIS, dessen Mandat jedoch Ende 2020 auslief. UNIOGBIS arbeitete eng mit den Medienakteur*innen zusammen und versuchte, deren Kapazitäten, Rechte und professionelle Kompetenzen zu unterstützen. Ergebnis ist unter anderem eine Journalistenschule, die nun vom Consórcio Média-Innovacao- Communicacao Social (CMICS) betrieben und von UNDP weiter finanziert wird. Ein dreijähriges Medienentwicklungsprojekt versucht ab 2022 die Media Foundation West Africa umzusetzen, unterstützt von der EU. Darin soll es unter anderem um Weiterbildung, Advocacy, Gesetzgebung und Pressefreiheit gehen.

Der Schlüssel zur Veränderung jedoch, das betont Indira Correia Baldé, die Chefin der Journalistengewerkschaft SINJOTECS, ist nachhaltige Bildung. „Wir brauchen Bildung in allen Bereichen, allgemeine Schul- und akademische Ausbildung, praktische und theoretische Journalistenausbildung, hier vor Ort oder im Ausland“, sagt sie. Welche Hoffnungen sie für die nähere Zukunft der Medienlandschaft hat? “Ehrlich gesagt ist es eine schwierige Zeit und es wird nicht leichter. Aber in dieser Zeit weiter für die Rechte der Journalist*innen einzustehen, das ist unsere Aufgabe.”

 

Literatur

Barros, M. de, & Tchumá Camará, F. (2015). Rádios comunitárias e processos de recriação da cidadania ativa na Guiné-Bissau: sentidos de pertença, direito à voz e apropriação do espaço. In L. Bussotti, M. de Barros, & T. Grätz (Eds.), Media Freedom and Right to Information in Africa (pp. 31–44). Centro de Estudos Internacionais. https://books.openedition.org/cei/162

Barros, M. de; Fortes, ; Santy, B. (2018). “Dynamics of Community Animation in the Construction of Citizenship: Mobilization, Awareness and Involvement of Local Communities in Urok, a Protected Marine Area in Guinea-Bissau”. In Martins, R., Barros, M.de, Cunha, A. (Eds.), Hispano-Lusophone Community Media: Identity, cultural politics, difference. (pp.204 ff.). SkPublishing.

CESOP (2020): Grande Inquérito sobre uso e consumo de informação pela população da Guiné Bissau. https://nanomon.org/sites/default/files/2021-01/Relatorio%20final%20CESOP%20PNUD%20UNIOGBIS%202020%20Media.pdf

Kohl, C. (2010): National Integration in Guinea-Bissau since Independence. Cadernos de Estudos Africanos [Online]. http://journals.openedition.org/cea/155; DOI: https://doi.org/10.4000/cea.155

Paula, P. (2011). Community Radio: the future speaks “glocal” An African experience: the Guinea-Bissau & Mozambique cases. Signo Y Pensamiento, 30, 282–297.

Sampaio-Dias, S. (2019). Per Diem Payments as a form of Censorship and Control: The Case of Guinea-Bissau’s Journalism. Journalism Studies, 20(16), 2349-2365. https://doi.org/10.1080/1461670X.2019.1593883

 

Bilder: Johanna Mack

 

 

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