„Equal goes it loose“

4. Mai 2015 • Qualität & Ethik • von

Anführungszeichen, Kursivschrift, Übersetzung, Groß- oder Kleinschreibung? Fragen, über denen Redakteure bisweilen brüten, wenn die angelieferten Texte von echten oder falschen Anglizismen nur so wimmeln. Entscheidungshilfe bietet nun ein Buch mit Tipps und Anekdoten rund um unser heißgeliebtes Denglisch. Stephan Russ-Mohl hat es gelesen.

Die älteren Leserinnen undKau boy-700x500 Leser erinnern sich ja vielleicht noch an den deutschen Bundespräsidenten Heinrich Lübke. Mit der britischen Queen als Staatsgast an seiner Seite hatte er sich angeblich dereinst im Smalltalk versucht: „Equal goes it loose“, soll er ihr auf der Tribüne bei einem Pferderennen – oder war es doch die Loge eines Opernhauses? – ins Ohr geflüstert haben. Einer der allgegenwärtigen Spiegel-Reporter, die sich ja auch sonst hemmungslos unter dem Kabinettstisch verstecken und die Natels der Kanzlerin oder des Schweizer Ex-Botschafters Thomas Borer hacken, hat es aufgeschnappt – oder erfunden? – und an die große Glocke gehängt.

Danach hat eine ganze Generation junger Deutscher den Bundespräsidenten ausgelacht und sich über ihn erhaben gefühlt. Wenn sich diese jungen Leute nicht mal gründlich geirrt haben. Womöglich besteht nämlich gar kein Anlass für Überlegenheitsgefühle und Triumphgeheul – weder für jene Generation, die in Deutschland, der Schweiz oder in Österreich mit „Denglisch“ als lingua franca erwachsen geworden und inzwischen mehr oder minder in Ehren ergraut ist. Noch für die nachwachsenden cosmopolitans und digital natives, die off- und online im global village im 24/7-Takt unterwegs, Verzeihung: on the road, sind.

Der Journalist und Medienberater Peter Littger genießt das Privileg, zweisprachig aufgewachsen zu sein. „The devil lies in the detail“, hat er sein Buch betitelt, in dem er sich gründlich damit auseinander setzt, wie wir mit unserer Lieblingsfremdsprache umgehen. Er führt uns alle, die wir als Medienmenschen, als Kreative oder Wissenschaftlhuber, als Weltreisende oder Gremienhengste unser Englisch kultivieren, an unsere Grenzen und zeigt uns, was wir tagtäglich falsch machen. Littger hat dazu nicht nur unterhaltsame Geschichten gesammelt; er seziert über stattliche 310 Seiten hinweg unser Denglisch und lässt uns, die wir doch so stolz auf unsere Zweisprachigkeit sind, wissen, an wie vielen Stellen wir beim Umgang mit „unserem“ Englisch Fehler machen und wo wir im Voraus „berechenbar“ Missverständnisse produzieren.

Schon das Glossar mit 101 teuflischen Patzern am Anfang des Buches hat es in sich: Beispielsweise heißt „to cover up“ nicht „aufdecken“, sondern im Gegenteil „zudecken“, „verschleiern“ oder „überspielen“. Und ein „chef“ ist eben nur in der Küche der Boss, aber nicht in der Werbeagentur oder in der Redaktion. Bezeichnen wir stattdessen unseren Vorgesetzten als „chief“, begehen wir bereits den nächsten Fehler und machen ihn zum Indianerhäuptling, warnt uns Littger. Auch im Umgang mit Nullen ist Vorsicht geboten: Eine „billion“ auf Englisch ist eine Milliarde, also „tausendmal weniger als unsere Billion“, warnt der Autor die Investmentbanker oder Griechenlandversteher unter seinen Lesern. Und „branch“ sei nunmal der Ast eines Baumes oder die Filiale eines Unternehmens, aber eben nicht die Branche, in der wir arbeiten.

So geht es munter weiter. Littger nimmt Schein-Anglizismen unter die Lupe – von der „Antibabypille“, die ein „Inbegriff für pseudoenglische Wortungetüme“ sei, über den „Beamer“, der eben kein Projektor sei, sondern ein Automobil (zufällig sogar ein deutsches, nämlich ein BMW), weshalb die Frage des CEO an seinen Assistenten „Do we have a beamer in the boardroom?“ Anlass zu Heiterkeitsausbrüchen liefert. Bis hin zur „hitlist“, die auf Englisch eben keine Hitliste bei einem Schlagerfestival und auch kein Universitäts-Ranking beinhalte, sondern eine „Treffer-, Abschuss- oder gar Todesliste“ sei. Auch der „slip“ hat es in sich, warnt uns Littger. Indem wir den Schlips wörtlich übersetzten, würden wir „aus dem Phallussymbol der Krawatte“ einen “Damenschlüpfer“ machen.

Vielleicht halten wir ja, wenn wir das Buch aus der Hand legen, einen kleinen Moment inne. Am besten wäre es wohl, wir gäben den ohnehin nicht allzu zahlreichen Amis, Australiern und Briten, die uns besuchen kommen, um Deutsch zu lernen, endlich mal eine Chance, ein paar Brocken in unserer Sprache aufzusagen. Statt ihnen auf Denglisch über den Mund zu fahren und sie jedweder Chance zu berauben, des Schwyzerdütschen oder Bayerischen wenigstens halb so habhaft zu werden, wie wir uns des Denglischen mächtig fühlen. Das „Sitzfleisch“, die „Schadenfreude“, der „Weltschmerz“, aber auch der „Sitzpinkler“ oder „Warmduscher“ werden ihnen womöglich über die Lippen kommen, noch bevor sie ihre erste Deutschstunde absolviert haben – denn das sind Wörter, die inzwischen zum Kernbestand der englischen Sprache gehören so wie „Sex“, „Airline“ oder „Bullshit“ zur deutschen.

Erstveröffentlichung: Werbewoche vom 10. April 2015

 

Literatur:

Peter Littger (2015): The devil lies in the detail. Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache, Köln: Kiepenheuer & Witsch.

 

Bildquelle: gynti_46/flickr.com

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