„Der Ruf der Stunde“

20. Februar 2012 • Medienökonomie • von

Alle fordern “Transparenz, Transparenz, Transparenz!”. In den Medien ist das nicht ganz falsch.

Das beste Beispiel kennen selbst in der Medienbranche nur ganz wenige, wenngleich das Beispiel über dreißig Jahre alt ist. Das Beispiel stammt aus Basel.

In den siebziger Jahren war der Zürcher Verleger Max Frey Mehrheitsaktionär der damaligen Basler Nachrichten. 1977 fusionierte sein Blatt mit der National-Zeitung zur neuen Basler Zeitung. Max Frey hielt in der Folge an der Basler Zeitung 50 Prozent. Im Verwaltungsrat hatte er darum ein Vetorecht. Freys Geschäftsführer Beat Curti nahm für ihn an den VR-Sitzungen der Basler Zeitung teil.

Max Frey hielt die 50-Prozent-Beteiligung geheim. In den VR-Protokollen jener Zeit taucht nicht einmal der Name seines Geschäftsführers Curti auf. Warum wollte Frey keine Transparenz? Er fürchtete, dass die isolationistische Basler Gesellschaft einen Zürcher nicht akzeptieren würde. Es hätte Leser und Umsatz gekostet.

Ein zweites Beispiel aus den neunziger Jahren: Ich saß damals in der Konzernleitung von Tamedia. Tamedia hatte eine 30-Prozent- Beteiligung an der Finanz und Wirtschaft und ein Vorkaufsrecht auf den Rest. Niemand wusste davon. Warum wollte Tamedia keine Transparenz? Sie fürchtete, dass das linke Image des eigenen Verlagshauses der stockbürgerlichen Finanz und Wirtschaft schaden würde. Es hätte Leser und Umsatz gekostet.

Warum wollte Christoph Blocher bei der Basler Zeitung keine Transparenz? Er fürchtete kaum die Reaktion der Öffentlichkeit. Die ist ihm seit je wurst. Doch sein Name, wie zu beweisen war, hätte Leser und Umsatz gekostet.

Damit sind wir bei Philipp Hildebrand. Die Weltwoche hat ihn abgeschossen, zu Recht, weil man sich im Service public nicht als privater Spekulant bereichern darf. Allerdings beging das Blatt den hitzköpfigen Fehler, Hildebrand als Lügner und als Gauner zu betiteln. Die Debatte wurde dadurch unnötig emotionalisiert. Emotionen rufen immer Populisten wie SPPräsident Christian Levrat und CVP-Pendant Christophe Darbellay auf den Plan. Sie fordern nun mehr Kontrolle der Medien, etwa eine völlige Offenlegung der Besitzverhältnisse und Finanzierungen. Primär ist es eine Strafaktion gegen die Weltwoche, weil sie hier die Besitzverhältnisse anzweifeln.

Wem gehört die Weltwoche?

Zuerst zum Konkreten. Als Roger Köppel 2006 die Weltwoche kaufte, musste er nach meinen Informationen gegenüber dem Verkäufer Tito Tettamanti eine fünfjährige Sperrfrist eingehen, während deren er nicht an Dritte verkaufen durfte. Dafür sicherte Tettamanti die Bankkredite ab, weil keine Bank einem Journalisten einfach so zwölf Millionen leiht. Seit 2007 hat Köppel jährlich zwischen ein und zwei Millionen Franken verdient und die Kredite zu gutem Teil zurückzahlen können. Levrat und Darbellay dürften enttäuscht sein: Das Blatt gehört heute seinem Herausgeber. Wenn er jetzt verkaufen würde, läge sein Profit bei etwa fünfzehn Millionen.

Nun zum Generellen. Hier haben für einmal die Populisten recht. Medien können nicht Transparenz bei Dritten verlangen, sich diesem Gebot aber in eigener Sache verweigern. Medienhäuser müssen heute schon ihre «namhaften Beteiligungen» öffentlich machen, wobei als «namhaft» mehr als rund zehn Prozent des Aktienkapitals gelten. Dieselbe Regelung erscheint auch gegen innen sinnvoll. Ich würde ein Gesetz unterstützen, wonach Medienhäuser all ihre Aktionäre benennen müssen, die mehr als zehn Prozent ihres Kapitals halten. Wünschenswert wäre auch Transparenz über Kredite, Aktienrechte und Bürgschaften. Aber das werden die Branchengrößen wie Tamedia, Ringier und NZZ nicht zulassen.

Medien müssen laut sein. Darum brauchen sie keine stillen Teilhaber.

Erstveröffentlichung: Weltwoche Nr. 3/2012

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