Bezahlen im Regionalen

27. August 2012 • Medienökonomie • von

Deutschlands Regionalzeitungen liegen bei der Suche nach neuen Einnahmequellen noch weit hinten.

Gerade einmal vier Zeitungen gehen über ein ePaper oder iPadAngebot hinaus und werden digital als echte Paid-Content-Produkte angeboten. Doch die Aufholjagd hat begonnen, so das Ergebnis einer aktuellen Branchenumfrage der Schickler-Unternehmensberatung. Demnach haben Verlage vor allem die mobilen Endgeräte als Vermarktungsplattform für ihre Online-Zeitungen im Blick und weniger stark den Heim-PC.

Binnen zwölf Monaten wollen über 80 Prozent der befragten Verlage (83 Geschäftsführer regionaler Tageszeitungen) ihre Produkte kostenpflichtig auf dem iPad anbieten, 90 Prozent planen eine Bezahlschranke für Mobile Devices auf Android-Basis. Die Zeit drängt, denn derzeit können 69 Prozent der Verlage ihre Kosten für Digital Publishing noch nicht decken. Dabei seien die Redaktionskosten – derzeit noch verbucht bei der klassischen Zeitung auf Papier – noch gar nicht eingerechnet, haben die Verlagsmanager angegeben.

In dieser Lage gilt alle Hoffnung dem Paid Content. Knapp die Hälfte der 83 Geschäftsführer glauben fest daran, dass sich dieses Modell, zumal auf mobilen Plattformen, durchsetzen lässt, weitere 46 Prozent sagen „eher ja“. „Mobil“ gilt inzwischen bei 90 Prozent der Verlage als Alternative zu „Print“. Drei Viertel wollen vor allem lokale Inhalte künftig mobildigital vermarkten.

Gleichzeitig lassen aber 70 Prozent der Verlage ihre eigenen Investitionen in den Zukunftsmarkt auf niedrigem Niveau – ein offenkundiger Widerspruch. Für die Zurückhaltung hat die Schickler-Umfrage externe und interne Ursachen ausgemacht: einerseits geringe Erlöspotenziale (69 Prozent) und fehlende Vermarktungsmodelle (77), aber eben auch fehlende personelle Kapazitäten im eigenen Haus (69), fehlendes Knowhow (16) und unzureichende ITVoraussetzungen (24 Prozent). Schickler erwartet, dass das Preisniveau für Online-Werbung gering bleibt und dass die Zeitungen sich keine führende Position im Online-Werbemarkt erarbeiten können. Konsequenz daraus: „Wenn größere Teile der Leserschaft digitale Medien bevorzugen, geht an Paid Content kein Weg vorbei.“

Die Planspiele der Verlagsmanager, ihre prognostischen Erwartungen haben Konsequenzen für die Journalisten von Regionalzeitungen. Von ihnen wird „exklusiver Content“ erwartet: „regionale Inhalte, attraktiv dargestellt“, fasst Schickler die Anforderungen zusammen. In den Ausbau der Redaktionen wird eher nicht investiert werden, denn verlangt werden „neue redaktionelle Konzepte in den Lokalredaktionen, um bei gleichen Kosten die Attraktivität des lokalen Auftritts zu stärken.“ Die Verlage sollten sich fragen, ob das geht: mobile „Exklusivität“ quasi in Echtzeit, aber mit gleich starken, in den letzten Jahren ohnehin reduzierten Redaktionen. Hierin könnte die Selbstgefährdung eines erwünschten Geschäftsmodells stecken.

Doch Pioniere sind bekanntlich keine Bedenkenträger. Jan Bayer, bei Axel Springer Vorstand Welt-Gruppe und Technik, sagte auf dem „1. Deutschen Zeitungsgipfel“ Ende Juni 2012 in Wiesbaden: „Wir müssen in den  Angriffsmodus schalten, statt uns permanent zu verteidigen. Paid Content muss Standard in der Branche werden.“ Beobachter der Bayer-Rede wollen einen „flammenden Appell“ ausgemacht haben.

Volker Lilienthal ist Inhaber der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg und einer der Herausgeber von Message.

Erstveröffentlichung: Message – Internationale Zeitschrift für Journalismus Nr. 3/2012

Auszüge aus der Branchenumfrage der Schickler-Unternehmensberatung: http://www.schickler.de/expertise/studien/Dokumente/DigitalPublishingSCHICKLERHORIZONT2012-06-28.pdf

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