Web 2.0 Avantgarde

18. Oktober 2009 • Digitales • von

Europäisches Journalismus Observatorium

In Deutschland hat soeben die Piraten-Partei zwei Prozent der Stimmen ergattert – ohne professionell organisierten Wahlkampf, mit einer Agenda, die darauf zielte, Freiheit im Internet unbegrenzt zu sichern. Zugleich wird der Umgangston zwischen Onlinern und der „alten“, oftmals regulierungswütigen Politik unerbittlicher.

Dies hat nicht zuletzt die Debatte um das Internet-Manifest (www.internet-manifest.de ) gezeigt, mit dem führende Köpfe der Web 2.0-Community sich „geoutet“ und wohl auch ein bisschen ob ihrer Einfalt blamiert haben. Jedenfalls nehmen die Missverständnisse zwischen beiden Lagern zu.
Just an diesem Punkt könnte ein altes Medium weiterhelfen, das die Blogger-Avantgarde vermutlich als steinzeitlich empfinden wird: Die Medienexperten Stephan Weichert und Christian Zabel versammelten in einem bemerkenswerten Buch 20 Autoren um sich, welche die führenden Köpfe im deutschsprachigen Online-Journalismus porträtiert haben. Das Ganze ist in diesem Fall mehr als die Summe seiner Teile. „Die Alpha-Journalisten 2.0“, so der Buchtitel, vermittelt Einblicke in die Denkweisen der Blogger-Community, aber eben auch einen spannenden Überblick zum Stand der Kunst des Online-Journalismus. Die Herausgeber beschreiben süffisant, wie widersprüchlich die grossen Medienhäuser noch immer mit dem Web 2.0 umgehen: Zwar gelte praktisch allerorten „online first“, aber in vielen Verlagen „sassen Onliner und Zeitungsjournalisten bis vor kurzem noch in getrennten Büros, mitunter sogar in unterschiedlichen Stadtteilen“.
Inzwischen herrscht „Fusionitis“: Print- und Internet-Journalisten werden in Newsrooms zusammen gepfercht und sollen mehrere Medien bedienen. Damit sind die Onliner nicht länger Aussenseiter, sondern im Begriff, die Print-Journalisten in puncto Karrierechancen zu überholen. „Das Internet“, so resümieren Weichert und Zabel, „ist nicht einfach ein neues, höher entwickeltes Medium; vielmehr saugt es alle bestehenden Massenmedien in sich auf.“ Ob allerdings auch die klassischen Tugenden journalistischer Professionalität „mit aufgesogen“ werden – zum Beispiel Akkuratesse und Gründlichkeit bei der Recherche? Zweifel sind und bleiben vorerst berechtigt.
Stephan Weichert/Christian Zabel: Die Alpha-Journalisten 2.0, Herbert von Halem Verlag, 2009.

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