Medienmogul Rupert Murdoch setzte Anfang Februar wieder einmal Maßstäbe, als er mit „The Daily“ die erste speziell für das iPad entwickelte Zeitung an den Start brachte.
Auch deutsche Verleger versuchen sich an Lösungen für Apples Tablet-Computer. Sie setzen allerdings bis jetzt ausschließlich auf Modifizierung und Weiterentwicklung ihrer Print-Produkte.
Die Medienwelt blickte am 4. Februar nach New York – keinen weniger aufsehenerregenden Ort als das Guggenheim-Museum für Moderne Kunst hatte sich Rupert Murdoch für die Vorstellung einer kleinen Revolution ausgesucht. Das Projekt „The Daily“ hatte schon während seiner Entwicklung hohe Wellen geschlagen. Eine Zeitung nur für das iPad. Mehrmals hatte Murdoch die Einführung der App verschoben. Knackpunkt war die Tatsache, dass die Anwendungen für den Tablet-Computer zuvor nur einzeln bezogen werden konnten – jeweils zum gleichen, vollen Preis. Doch Apple lenkte ein und stellte Inhalte auch im Abonnement zur Verfügung. „The Daily“ konnte durchstarten.
39,99 Dollar (knapp 29 Euro) kostet das Jahresabo von “The Daily” – das Wochenabo gibt es für 99 Cent (circa 70 Eurocent). Das Ziel ist klar: Murdoch will mit journalistischen Inhalten in Zeiten allgegenwärtiger kostenloser Online-Nachrichten Geld verdienen. Mit Aussicht auf Erfolg? Angesichts von 30 Millionen Euro Entwicklungskosten und 100 Journalisten, die für „The Daily“ in Lohn und Brot stehen, sind viele deutsche Medienmacher und -Experten skeptisch.
„Ich bin da eher pessimistisch“, sagt etwa der Dortmunder Medienökonom Prof. Dr. Frank Lobigs. Allerdings böte die Platzierung auf dem sehr großen US-Markt und damit gleichzeitig auf dem englischsprachigen Weltmarkt durchaus Erfolgspotenzial für die iPad-Zeitung. „Wenn das nicht funktioniert, wird Murdoch aber auch nicht lange fackeln, und das Projekt wieder einstellen“, so Lobigs.
Zurzeit sind solche Schritte noch Zukunftsmusik. Zwar veröffentlichte Murdoch bislang keine Zahlen dazu, wie viele Abonnenten „The Daily“ bislang gewinnen konnte, dafür gibt es bereits erste Meldungen über Expansionspläne für das Projekt. Die Zeitung soll nach Informationen von Insidern bereits in naher Zukunft auch auf den mit dem Betriebssystem Android ausgestatteten Tablet-PCs abrufbar sein.
„Neue Zeiten erfordern neuen Journalismus“, hieß Murdochs Credo bei der Vorstellung des „Daily“. Zwar nutzt das Medium die multimedialen Möglichkeiten des iPad und bietet zu einzelnen Artikeln etwa interaktive Grafiken oder Spiele an, kann allerdings nach Einschätzung einiger deutscher Medienexperten journalistisch wenig bieten. „Originelle Gestaltung allein macht noch keinen exzellenten Journalismus“, wird Spiegel-Chefredakteur Matthias Müller von Blumencron vom Online-Medienmagazin Meedia zitiert. Doch journalistische Qualität war Murdoch durchaus ein Anliegen – das zeigt ein Blick in die Lebensläufe der „Daily“-Mitarbeiter, die häufig namhaften US-Blättern abgeworben wurden.
Deutsche Medien versuchen seit Einführung des iPad in Deutschland im Mai 2010 einen speziell auf mobile Geräte zugeschnittenen Journalismus umzusetzen – auf unterschiedliche Weise.
Kostenlos ist die App des Spiegels. Dafür wird für den Abruf einzelner Ausgaben jeweils ein Preis von 3,99 Euro fällig – also rund 20 Cent mehr als für die gedruckte Ausgabe. Dafür lässt sich nicht nur das komplette Heft digital abrufen, sondern die Redaktion liefert auch Bildergalerien und kurze Videos zu den Artikeln.
Einen Euro weniger als die iPad-Spiegel kostet die Stern-Version fürs iPad, die ebenfalls ein solides E-Paper mit multimedialen Extras ist. Der Focus dagegen bietet nur Inhalte seines Online-Angebots in App-Form an.
Auch einige deutsche Tageszeitungsverlage haben ihre Titel für den Tablet-Computer fit gemacht. So bieten die Berliner Morgenpost (für 8,99 Euro im Monat) und die Welt (für 11,99 Euro im Monat) Ausgaben an, die mindestens zweimal am Tag aktualisiert werden. Auch hier bemühen sich die Macher um Zusatznutzen in Form von Bildergalerien oder interaktiven Grafiken. Ähnlich ausgestattet sind die Apps vom Kölner Stadt-Anzeiger und der Frankfurter Rundschau.
Doch solche Elemente gibt es fast immer auch auf den Webseiten der Printtitel, wo die gleichen Informationen häufig kostenlos zu haben sind. Um iPad-Besitzer dennoch vom Kauf der kostenpflichtigen Apps zu überzeugen, griff der Axel-Springer-Verlag im Dezember vergangenen Jahres als erstes Medienhaus rigoros durch und sperrte sein Online-Angebot für Zugriffe von iPhone und iPad aus. Deren Besitzer werden aufgefordert, sich die App herunterzuladen.
Die Bild-Einzelausgabe für’s iPad kostet 79 Cent – also knapp 20 Cent mehr als die Printausgabe am Kiosk. Trotzdem ist die Anwendung laut Axel-Springer-Verlag ein Erfolg – 400.000-mal sei sie allein im ersten Jahr verkauft worden, sagte Bild-Chefredakteur Kai Diekmann im Dezember 2010.
Dabei haben Forscher bislang alles andere als ein genaues Bild davon, wofür iPad-Nutzer ihren Computer vorwiegend benutzen. Einer Studie der Tomorrow Focus AG zufolge lesen fast neun von zehn Lesern Tageszeitungen und Nachrichten auf dem iPad. In den USA dagegen hat das renommierte Marktforschungsunternehmen Nielsen herausgefunden, dass das iPad überwiegend zum Surfen, dem Versenden von Mails und dem Kommunizieren über soziale Netzwerke verwendet wird. Unter den Apps führen laut der Studie Spiele, Bücher und Musik die Rangliste an – und nicht etwa Nachrichten-Anwendungen.
Einen interessanten Trend haben Forscher am Institut für Journalismus der Universität von Missouri in den USA festgestellt: iPad-Nutzer ziehen bei der Nutzung ihrer Geräte zwar Nachrichten-Apps konventionellen Nachrichten-Websites vor, mehr als die Hälfte derjenigen Befragten, die solche Apps nutzen, spielen allerdings mit dem Gedanken, ihr Print-Abo innerhalb der nächsten sechs Monate zu kündigen.
„Hier ist ein Trend der Substitution zu erkennen“, sagt Frank Lobigs. Wirklich belastbare Zahlen gebe es dazu allerdings noch nicht. Der allzu euphorischen Prognose des Chefs des Axel-Springer-Verlags, Matthias Döpfner, will Lobigs sich auch fast ein Dreivierteljahr nach dem Start des iPads noch nicht anschließen. Döpfner hatte das iPad im Frühjahr 2010 als „die Rettung der Verlagsbranche“ bezeichnet. Noch, so Lobigs, sei nicht zu erkennen, dass sich Zahlschranken für Nachrichteninhalte auf dem iPad nachhaltig durchgesetzt hätten.
Eins jedoch zeigt der Fall von „The Daily“ ganz gewiss: Die Medienwelt – und ganz besonders die Print-Branche – muss sich neu erfinden. Wieder einmal.
Links:
http://meedia.de/details-topstory/article/wachstumgeschft-mit-sehr-hoher-dynamik_100033020.html
http://www.tomorrow-focus-media.de/Dokumente/Studien/Deutsch/PM_Ipad_Effects.pdf
http://www.rjionline.org/digital-publishing/dpa/stories/research-projects/ipad-news-survey
Thilo Kötters studiert Journalistik an der TU Dortmund. Dieser Artikel ist im Rahmen des Seminars “Medienauslandsberichterstattung” entstanden.
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