Realität oder Fiktion – wer erklärt die Politik besser?

19. April 2021 • Aktuelle Beiträge, Ressorts • von

Für das Wissen darüber, wie politische Prozesse ablaufen, können fiktive Geschichten offenbar genauso relevant sein wie die journalistische Berichterstattung.  

Wie Politik funktioniert, Entscheidungsprozesse ablaufen und Akteure sich verhalten, wissen die meisten von uns nur aus dem Fernsehen. Häufig ist dabei auch von Symbolpolitik die Rede, d.h. von Aktivitäten, die Politiker vor allem deshalb entfalten, weil sie öffentlichkeitswirksam sind, aber vergleichsweise geringen Einfluss auf die Lösung des politischen Problems haben.

Videoplattformen und Fernsehsender haben diesen Trend erkannt und einige erfolgreiche Serien entwickelt, die das politische Geschäft und die darin handelnden Personen in den Mittelpunkt authentischer, aber letztlich ausgedachter Geschichten stellen. „The West Wing“, „House of Cards“ und „Borgen“ sind erfolgreiche Beispiele für Formate dieser Art.

Für den politischen Journalismus gilt der Anspruch, das Publikum und damit letztlich auch die Wähler möglichst vielfältig, objektiv und angemessen über das politische Gesehen zu informieren. Die Kommunikationswissenschaftlerin Cordula Nitsch und ihre zwei Kollegen Olaf Jandura und Peter Bienhaus haben eine Studie vorlegt, die die Darstellung von Politik in einer Fernsehserie mit der Darstellung in einem politischen Magazin vergleicht.

Dafür untersuchten sie 60 Beiträge des ZDF-Magazins „Berlin direkt“ und über 200 Szenen aus der dänischen Serie „Borgen“. Aus dem Untersuchungsmaterial bildeten sie insgesamt zehn thematische Pärchen aus beiden Formaten, z.B. Koalitionsverhandlungen, Staatshaushalt oder Auslandseinsätze des Militärs.

Die Ergebnisse sind eindrücklich. Für fast alle politischen Themen des Magazins ließen sich entsprechende Szenen in der Serie finden. Die vorherrschende Perspektive war ebenfalls vergleichbar: Die politischen Entscheidungsprozesse standen stärker im Vordergrund als die Inhalte. Bei der Vielfalt der Akteure gab es leichte Vorteile für das Magazinformat – die Serie war stärker auf die Protagonistin fokussiert. Die objektive und ausgewogene Darstellung der politischen Konflikte in der Serie ähnelte wiederum stark der politischen Berichterstattung des untersuchten Magazins.

Für das Wissen darüber wie politische Prozesse ablaufen, können fiktive Geschichten also offensichtlich genauso relevant sein wie die journalistische Berichterstattung über das politische Tagesgeschäft – das gilt allerdings nicht für die Meinungsbildung über aktuelle, gesellschaftliche Probleme – die kann man sich nicht ausdenken.

 

Cordula Nitsch, Olaf Jandura, Peter Bienhaus (2021): The democratic quality of political depictions in fictional TV entertainment. A comparative content analysis of the political drama Borgen and the journalistic magazine Berin direkt. In: Communications (46) 1, pp. 74-94. https://doi.org/10.1515/commun-2019-2076

 

Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 18. April 2021

Bildquelle: Photo Giddy / Flickr CC: Netflix series “House of Cards”; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/ 

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