Digital Services Act: Das EU-Instrument gegen die Macht der großen Online-Plattformen

13. Februar 2024 • Aktuelle Beiträge, Digitales • von

Bildquelle: thedescrier/ lizensiert unter CC BY 2.0

Der Digital Services Act gilt ab Februar 2024 unmittelbar in der ganzen Europäischen Union. Der Digital Services Act soll gemeinsam mit dem Digital Markets Act, kurz DMA, ein einheitliches Regelwerk bilden. In Deutschland wird der DSA durch das Digitale Dienste Gesetz umgesetzt und konkretisiert werden, über das der Bundestag im Januar zum ersten Mal beraten hat. Der Digital Services Act soll vor allem die Macht sehr großer Online-Plattformen beschränken, während der Digital Markets Act der ausufernden Marktmacht von sogenannten Gatekeeper-Konzernen entgegenwirken will.

VLOPs, Gatekeeper: Als besonders große Online-Plattformen wurden Plattformen mit über 45 Millionen Nutzer:innen eingestuft. Dies entspricht zehn Prozent der Bevölkerung der EU. Diese „very large online platforms“, kurz VLOPs, müssen bereits ab August 2023 Teile der Regeln umsetzen. Außerdem gelten für sie besondere Sorgfaltspflichten und strengere Regeln als für kleinere Dienste. Das wird mit ihrer enormen Reichweite begründet, durch die sie einen deutlich stärkeren Einfluss auf Nutzer:innen und deren Kaufentscheidungen und Meinungen nehmen können. Die EU-Kommission hat bisher 17 sehr große Online-Plattformen und zwei sehr große Suchmaschinen benannt. Zu den VLOPs gehören zum Beispiel TikTok, Google Play, Amazon, YouTube, Instagram und X. Gatekeeper oder Torwächter sind Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe eine enorme Marktmacht besitzen und fast konkurrenzlos geworden sind. Sie bringen auf ihrer Plattform eine große Anzahl von Unternehmen mit einer großen Anzahl von Nutzer:innen in Kontakt.

Der digitale Dschungel

Das Hauptanliegen des Digital Services Act besteht laut EU darin, für einen sichereren digitalen Raum zu sorgen. Digitale Dienste sind mittlerweile fester Bestandteil der Lebensrealität. Unter den Begriff fallen Online-Plattformen und -Vermittler genauso wie einfache Webseiten und Suchmaschinen. Konkret umfasst das eine breite Kategorie von Online-Diensten, die längst großflächig alltäglich genutzt werden. Beispiele für große digitale Dienste sind etwa Amazon, Instagram, Wikipedia oder YouTube. Der digitale Raum ermöglicht Käufe und Verkäufe vom Wohnzimmer aus, unterhält, informiert und verbindet Menschen ohne Rücksicht auf räumliche Trennung. In vielerlei Hinsicht erleichtert er den Alltag und bietet fraglos noch größeres Potenzial. Gleichzeitig sind mit den neuen Möglichkeiten auch neue Probleme entstanden. Illegale Waren und Dienstleistungen können leichter ausgetauscht werden. Fake News verbreiten sich schnell und koordinierte Desinformationskampagnen stellen eine gesellschaftliche Gefahr dar. Die Grundrechte von Nutzer:innen zu gewährleisten ist oft schwierig. Auch die teils intransparente Nutzung und Sammlung von Daten durch Online-Giganten schafft Herausforderungen bei der Wahrung von Grundrechten. Große Plattformen können durch ihre Reichweite enormen Einfluss auf Nutzer:innen haben, ohne, dass dies klar nachzuverfolgen ist.

Gleichzeitig leidet die digitale Wirtschaft unter den sogenannten Gatekeepern. Verschiedene Umstände sorgen dafür, dass es für neue Marktteilnehmer kaum möglich ist, mit diesen Unternehmen in ernsthafte Konkurrenz zu treten: Die Notwendigkeit von hohen Investitionen macht den Markteintritt riskant. Den großen Playern stehen durch ihre schiere Größe deutlich mehr Daten zur Verfügung, was ihnen einen großen Vorsprung verschafft. Auch für Unternehmen, die Plattformen der Gatekeeper nutzen, schafft dies erschwerte Bedingungen und beschränkt gleichzeitig die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher:innen. Das kann zum Beispiel passieren, indem ein Unternehmen, das einen App-Store betreibt, innerhalb dieses Stores Produkte bevorzugt, die auch von ihm selbst entwickelt wurden. Insgesamt zeigt sich ein Machtungleichgewicht zugunsten der Gatekeeper, das zu unfairem Wettbewerb und zu negativen Auswirkungen auf Nutzer:innen der Plattformen führen kann. Hier soll der Digital Markets Act entgegenwirken.

Bisher fand die Aufsicht des digitalen Raums eher unkoordiniert statt. Es gab keine einheitliche, staatenübergreifende Regelung. Die flächendeckende Vereinheitlichung der Gesetzgebung soll die Aufsicht und Durchsetzung der Regeln für Online-Dienste erleichtern und den Regelungen mehr Durchschlagskraft verleihen.

Wehrhafte Nutzer:innen

Dazu gehört besonders, die Macht von Nutzer:innen gegenüber großen Online-Diensten zu stärken und Wege zu schaffen, wie diese sich gegen Plattformen zur Wehr setzen können. Dafür muss jeder EU-Mitgliedsstaat für eine konkrete und offizielle Anlaufstelle sorgen, an die Bürger:innen sich wenden können, wenn sie Probleme mit Plattformen erfahren. Diese Stellen sind dann für die Rechtsdurchsetzung zuständig. Auch die Plattformen selbst müssen Beschwerdeverfahren bereitstellen, über die sich Nutzer:innen mit Problemen direkt an sie wenden können. Es soll auch für mehr Transparenz gesorgt werden: Wenn ein Account etwa gesperrt oder gelöscht wird, sind Plattformen dazu verpflichtet, auf Nachfrage ihren Entscheidungsprozess zu dem Fall offenzulegen. Nutzer:innen von sozialen Medien können sich außerdem dazu entscheiden, ihren Feed nicht mehr personalisieren zu lassen. Die Alternative ist häufig ein chronologisch sortierter Feed. Plattformen dürfen nicht mehr die Daten von Kindern dafür verwenden, personalisierte Werbung auszuspielen. Außerdem verbietet der DSA sogenannte „Dark Patterns“: Auf Deutsch „dunkle Muster“ verleiten durch bestimmte Designs der Benutzeroberfläche Nutzer:innen zu Entscheidungen, die für sie eigentlich nachteilig sind – zum Beispiel indem ein Button gegenüber einem anderen stark farblich hervorgehoben wird. In Deutschland ist die Bundesnetzagentur für die Durchsetzung der Regelungen durch den Digital Services Act zuständig.

Härteres Vorgehen gegen Fake News

Der DSA verpflichtet Plattformen dazu, konkrete Maßnahmen gegen sogenannte systemische Risiken zu ergreifen. Hier geht es zum Beispiel um Risiken durch die Verbreitung von illegalem Content, aber auch Risiken für Grundrechte oder Demokratie und Gesellschaft. Darunter fällt auch die Verbreitung von Fake News und mögliche koordinierte Desinformationskampagnen über soziale Netzwerke. Plattformen sollen genauer überprüfen, inwiefern ihre Funktionen die Verbreitung von Fake News erleichtern und an diesen Stellen eingreifen. Über die genauen Maßnahmen gegen diese Risiken und deren Wirksamkeit müssen die Plattformen Berichte vorlegen, außerdem kann die EU-Kommission die Wirksamkeit überprüfen lassen. Im Anschluss hat sie das Recht, gegebenenfalls Nachbesserungen anzuordnen. Als Maßnahmen gegen Fake News macht der Digital Services Act verschiedene Vorschläge, zum Beispiel die Verbesserung der Sichtbarkeit von als verlässlich bewerteten Informationsquellen. Auch verstärkte und schnellere Moderation von Inhalten durch ausgebildetes Personal wird als mögliche Maßnahme angeführt.

Der Digital Services Act als Gefahr für die Pressefreiheit?

Vor dem Inkrafttreten des Digital Services Act gab es immer wieder Diskussionen über die geplanten verstärkten Moderationsbefugnisse von Unternehmen wie Meta. In einer Pressemitteilung aus dem Jahre 2022 schrieb der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger, der DSA unterstütze „die weitergehende Zensur inhaltlich rechtmäßiger Presseartikel“. Ähnliche Bedenken äußerten auch der Deutsche Journalistenverband oder der Medienverband der Deutschen Presse. Grundlage hierfür war die Sorge, dass durch die strengeren Standards im Vorgehen gegen Desinformation Inhalte online für illegal erklärt werden können, die offline legal sind, weil sie gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Plattform verstoßen. Das EU-Parlament wies Versuche, eine „Presseausnahme“ zu implementieren, zurück. In einer Stellungnahme im Juli 2023 zum geplanten Medienfreiheitsgesetz auf EU-Ebene verwies der Deutsche Journalistenverband erneut darauf, dass nicht die AGB großer Plattformen bestimmen dürften, was für journalistische Produkte verbreitet werden können.

Die weiteren Schritte

Momentan passt Deutschland seine Gesetzgebung durch das Digitale Dienste Gesetz an die Vorschriften des Digital Services Act an. Die Umsetzung des DSA stellt eine große Herausforderung dar. Die zuständige Abteilung der Bundesnetzagentur muss gut mit Ressourcen und besonders mit Personal ausgestattet sein. Es wird außerdem trotz der Beteiligung von EU-Kommission und Behörden immer noch schwierig sein, die großen Plattformen zu kontrollieren. Im Dezember 2023 zeigte eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Bundesverband, dass die Vorschriften des Digital Services Act von großen Plattformen zum Teil noch nicht ausreichend umgesetzt worden waren, obwohl der DSA schon galt. Es wurden unter anderem Instagram, TikTok und Google Search untersucht. Besonders im Bereich der Dark Patterns, aber auch bei den AGB bestand Verbesserungsbedarf. Gleichzeitig macht jedoch auch die EU-Kommission von ihrem neuen Werkzeug gegen die Übermacht der digitalen Dienste Gebrauch: Im Dezember 2023 leitete sie gegen die Plattform X zum ersten Mal ein Verfahren ein, dass eventuelle Verstöße gegen den Digital Services Act prüfen soll.

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