Künstliche Intelligenz im Journalismus: Zwischen Innovation und ethischer Verantwortung

13. März 2025 • Aktuelle Beiträge, Digitales • von

Bildquelle: Pixabay

„Grenzen überwinden, Chancen gestalten“ – so betiteln Jonas Schützeneder, Professor für digitalen Journalismus an der Universität der Bundeswehr München, und Kollegen ihre Analyse zum Einsatz künstlicher Intelligenz im journalistischen Newsroom: KI kann laut den Wissenschaftlern entlang der gesamten journalistischen Wertschöpfungskette eingesetzt werden, erfordert aber ethische Abwägungen.

Künstliche Intelligenz spielt nicht erst seit der Einführung von ChatGPT eine Rolle im Journalismus. So wurden beispielsweise „mithilfe von Angeboten wie Retresco […] seit Jahren einfache Texte wie Börsenmeldungen, Wahl- oder Sportergebnisse automatisiert erstellt“ Durch die Etablierung von Large Language Models und zunehmende Verwendung in der Gesellschaft, „hat das Thema aber in Politik, Praxis und Wissenschaft deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten, und eine große Menge an Studien und Theoriearbeiten ist national und international erschienen“ (S. 2). Aus knapp 50 Quellen leiten Schützeneder et al. Einsatzfelder von KI im journalistischen News Room, ethische Standards und Handlungsempfehlungen für die journalistische Praxis und der Medienpolitik ab.

(Mögliche) Einsatzfelder

Während in der Vergangenheit KI zum Beispiel schon zur Analyse größerer Datenmengen, wie bei den Panama Papers eingesetzt wurde, liefert künstliche Intelligenz mittlerweile „kleinteilige und individuelle Unterstützung bei der Recherche im journalistischen Alltag“ (S. 3), so die Wissenschaftler. Entsprechende Tools können bei der Transkription und Übersetzung fremdsprachiger Quellen helfen. Des Weiteren kann die KI bei der Themenfindung durch verschiedene Analysen, erste Themenansätze bereitstellen. „Erste Ansätze“, da bisher immer noch die Redaktionen entscheiden, welcher Themenidee am Ende nachgesetzt wird.

Als eine der größten Herausforderungen der digitalen Medienwelt nennen die Wissenschaftler die Verbreitung von Desinformationen. Mittels künstlicher Intelligenz können so genannte Deep-Fakes erstellt werden. Videos in denen Gesichter ausgetauscht oder Stimmen neu generiert werden. Die Tools zur Überprüfung von Bild- und Videomaterial basieren dabei im weitesten Sinne auf künstlicher Intelligenz:

„Bei der Identifikation und Richtigstellung von Deepfakes wenden Redaktionen ganz unterschiedliche Technologien an, häufig spezialisierte Suchmaschinen oder spezielle Anwendungen von Google; alles in allem handelt es sich dabei um Tools, die mal mehr oder mal weniger auf KI-Technologien basieren.“ (S. 3)

Wiederum besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Redaktionen ihr Bild- und Videomaterial mittels KI bewusst verändern, um so die Anonymität ihrer Quellen zu gewährleisten. Allerdings müssten diese Änderungen deutlich kenntlich gemacht und begründet werden.

In der Produktion lassen sich neben Texten, wie schon erwähnt, auch Audios, Bilder und Videos automatisch erstellen. So kann künstliche Intelligenz hier im Bereich Schlagzeilen und Grafiken eingesetzt werden, wie ein Experiment aus 2023 zeigt:

„Die Lokalzeitungen Ostfriesen-Zeitung, Volksstimme und Neue Osnabrücker Zeitung veröffentlichten ihre Titelseiten jeweils mit und ohne KI-Unterstützung – mit positiven Resultaten, weil die KI-Schlagzeilen und -Grafiken als deutlich kreativer und bunter wahrgenommen wurden.“ (S. 4)

 Ein weiteres Einsatzfeld besteht in der Archivierung. Die Metadaten journalistischer Beiträge würden oder werden auch schon automatisch erfasst und eingetragen. In der Distribution besteht der Einsatz vor allem in der Ausspielung personalisierter Inhalte und der „individuellen Preisgestaltung digitaler Bezahlmodelle“ (S. 5) , sowie im Bereich der Kündigungen. Des Weiteren können Online-Kommentare durch KI-Tools klassifiziert und vorsortiert werden und das Community-Management der Redaktionen effizienter gestaltet werden. Außerdem können die Reichweite einzelner Beiträge und die Verweildauer auf einzelnen Beiträgen gemessen werden. „Die KI unterstützt auf Basis dieser (und weiterer Daten) bei der genaueren Ansprache von Zielgruppen, bei der Personalisierung oder durch abgestimmte Empfehlungssysteme“ (S. 5). Zudem fällt in das Feld der Analyse das Social-Media-Monitoring. Mittels dieser Methode können „Auffälligkeiten, Trends oder Ungewöhnlichkeiten“ (S. 5) aufgezeigt werden und als neue Impulse für Themen dienen.

„Ethische Leitplanken“

Eine Debatte, inwiefern KI im Journalismus eingesetzt werden sollte, ist auf jeden Fall nötig.

„Zudem ist offenzulegen, wo und wie Grenzen des KI-Einsatzes gesehen und gezogen werden können. Transparenz im Journalismus, also das Sprechen über die eigenen Arbeitsweisen und redaktionellen Routinen, wird damit zunehmend wichtiger – auch und gerade im Hinblick auf den Einsatz von KI.“ (S. 6)

argumentieren Schützeneder et al. Der Pressekodex wurde bisher noch nicht um KI-Richtlinien ergänzt. Redaktionelle Richtlinien, sollten insofern diese bestehen, fortlaufend angepasst werden. Ein großer Punkt besteht dabei  in der journalistischen Sorgfaltspflicht: „publizistische Verantwortung für alle Inhalte liegt bei der Redaktion, kann also nicht an ein KI-Tool abgegeben werden“ (S. 7). Zudem müssen auch „Zuliefernde von Technik und Datenbanken“ (S. 7) auf Eigeninteressen überprüft und die „Integrität und Qualität von Trainingsdaten“ (S. 7). sichergestellt werden:

„Die vermeintliche Neutralität von KI ist eine medienethische Falle: Bei automatisierter Empfehlung und Personalisierung muss redaktionell immer auf Vielfalt und Inklusion geachtet werden, um keinen Bias, Vorurteile oder Filterblasen zu schaffen oder zu verstärken. Und die Verantwortung darf im Laufe der Zeit nicht abnehmen: Wer gute Erfahrungen mit KI-Tools macht, läuft Gefahr, deren Output nicht mehr kritisch zu hinterfragen.“ (S. 7)

Außerdem wären „branchenweite Standards zur Kennzeichnung“ (S. 7) hilfreich, um die nötige Transparenz zu gewährleisten. Allerdings müssten diese auch erklärt werden, um Unsicherheiten zu vermeiden und Vertrauen zu stärken. Neben den zentralen Punkten der Sorgfaltspflicht und Transparenz müssen die Grundsätze des Datenschutzes und der Datensparsamkeit beachtet werden. Zudem steht weiterhin die Frage des Urheberechts bei KI-erstellten Produkten im Raum.

Handlungsempfehlungen für Journalismus und Praxis

Laut Schützeneder et al. sollte KI in bestimmten Bereichen wie der Bewertung menschlichen Handelns und der biometrischen Identifizierung durch Gesetze reguliert werden. Es seien aber keine übergeordneten Regulierungen im Journalismus nötig, solange sich die Redaktionen an ihre journalistische Sorgfaltspflicht hielten und „redaktionelle Leitlinien und Orientierung [etabliert] werden. Des Weiteren sollten eine „technisch-optimistische Redaktionskultur [ge]schaffen“ (S. 8) werden, anstatt neue Technologien zu ignorieren. Zudem empfehlen die Wissenschaftler „Plattformen [zu]kontrollieren und Innovationen im Journalismus zu fördern“ (S. 8). Denn gerade auf Social Media bestehen die höchsten Risiken, dass sich „zum Beispiel manipulierende und demokratiegefährdende Inhalte wie Desinformationen, Hassrede und Echokammern durch verzerrende Personalisierungen“ (S. 8) durch künstliche Intelligenz erstellt und darüber hinaus verbreitet werden. Auch wenn es der nationalen und internationalen Medienpolitik Schwierigkeiten bereitet solche Plattformen effektiv zu regulieren, sollten die „Initiativen nicht aufhören dürfen“ (S. 8). Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Aufklärung der Öffentlichkeit durch einen freien und qualitativ hochwertigen Journalismus gestärkt wird. Dabei kommt vor allem der Förderung von Innovationen, z.B. durch die weitere Förderung von öffentlichen Media Labs, eine hohe Bedeutung zu. Studien zeigen, dass Innovationen im Journalismus dazu beitragen, seine demokratische Funktion zu verbessern.

 

Quelle: Schützeneder, J. Graßl, M. & Meier, K. (2024). Grenzen überwinden, Chancen gestalten. Friedrich-Ebert-Stiftung. https://library.fes.de/pdf-files/a-p-b/20987.pdf

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