Das Team von “Positive Daily”* will zeigen, wie die Welt heute ist und morgen sein könnte. Anfang 2016 soll das Online-Medium für konstruktiven Journalismus an den Start gehen. Das Ziel: Neue Perspektiven aufzeigen und Lösungen diskutieren. Im EJO-Interview haben wir Dr. Maren Urner, eine der drei Gründer, gefragt, was genau hinter „Positive Daily“ steckt.
EJO: Ihr Slogan „Positive Daily… weil es Lösungen gibt“ verspricht viel. Aber was steckt hinter dem so weitgesteckten Ziel, ein lösungsorientiertes Online-Medium zu verfassen?
Maren Urner: Wir wollen alles, was uns und unser Leben betrifft, abdecken. Das kann von Bildungsthemen bis zu Energieversorgung oder Bevölkerungswachstum reichen. Wichtig ist die Nähe zum Leser. Das heißt nicht, dass Einzelgeschichten oder Schicksale erzählt werden sollen, sondern dass das Ganze von einer anderen, häufig auch neuen Perspektive beleuchtet werden soll. Wir werden ungewöhnlichere Fragen stellen: „Was wäre wenn?“ oder „Gibt es da schon Lösungen?“
Würden Sie uns ein Beispiel für die „klassische Perspektive“ und Ihre „ungewöhnlichen Fragen“ geben?
Die klassische, journalistische Perspektive ist Position A und B zu Wort kommen zu lassen. Beispielsweise beim Thema Klimawandel. Oft kommt eine Person zu Wort, die sagt, dass der menschgemachte Klimawandel gefährlich real ist und Beispiele, Beweise und Studien anführt. Auf der anderen Seite wird dann ein „Klimaskeptiker“ genannt, der das Ganze völlig anzweifelt. Und am Ende wird der Leser häufig ein bisschen alleine gelassen. Denn ganz oft fehlen Einordnen und Proportionalität. Der Fakt, dass es mehr als 97 Prozent der Klimawissenschaftler sind, die sagen, dass das Problem vom Mensch gemacht ist und dass die „Klimaskeptiker“ dagegen an einer Hand abzuzählen sind, wird verschwiegen. Das heißt: Wir gehen solche Fragen eher mit einer wissenschaftlichen Perspektive an.
Was sich auch an Ihrem Gründerteam zeigt?
Wir haben alle drei in naturwissenschaftlichen Fächern promoviert und seit vielen Jahren journalistische Erfahrungen gesammelt. Wir kommen ein bisschen aus einer anderen Welt. Das heißt nicht, dass Journalisten nie Wissenschaftler sind. Das heißt aber, dass wir eher in Richtung „Erklärung“ gehen – nur nicht als Wissenschaftsjournalisten, von denen Texte häufig für einen gewissen Fachkreis geschrieben sind. Wir glauben an eine Balance und sehen uns als Hybride aus Journalisten und Wissenschaftlern. Trotz journalistischer Erfahrung haben wir aber eben keine klassische Journalistenkarriere gemacht.
Was hat Sie auf die Idee gebracht Positive Daily zu gründen?
Wir haben uns im Laufe unserer wissenschaftlichen Karriere immer wieder gefragt, warum gegen die großen Herausforderungen unserer Zeit wie den Klimawandel noch nicht ausreichend getan wird. Wir haben uns deshalb gefragt, was die wichtigsten Informationsquellen für Menschen sind und festgestellt, dass dies Bildung und Medien sind. Der Fokus auf Schreckens-Nachrichten und negativen Schlagzeilen in den Medien führt aber zu Stressreaktionen, Depressionen und sogenannter gelernter Hilflosigkeit. Das heißt Menschen werden passiv, weil sie keine Handlungsmöglichkeiten für sich mehr sehen.
Wir haben uns international umgeschaut und andere Ansätze zur „klassischen“ Berichterstattung kennengelernt, dazu gehört der konstruktive oder lösungsorientierte Journalismus. Aus diesen Projekten und Entwicklungen versuchen wir jetzt die positiven Sachen herauszuziehen und die negativen als Lernerfahrung zu sehen. Wir möchten dies nun in den deutschsprachigen Raum bringen und hoffen, dass es hier einen solchen Anklang findet wie in anderen Ländern.
Zurück zum Beispiel des Klimawandels: Wie soll denn die positive Lösung dabei aussehen?
Die Lösungen bei dem Beispiel sind ganz vielfältig, weswegen es sowieso nicht nur einen Text zu dem Thema geben würde. Dabei ist uns wichtig, dass unsere Themen nicht nach Ressorts, sondern inhaltlich sortiert sind: Unsere Energieversorgung hat beispielsweise technische, politische und kulturelle Aspekte. Wie viel Energie kann durch Wind und Sonne in einem Land gewonnen werden? Wie viel kann eingespart werden, Stichwort Energieeffizienz? Wie können solche Einsparungen „Spaß machen“ – z.B. im Rahmen von lokalen Wettbewerben. Verschiedene Lösungen im Bereich des Wohnens oder der Mobilität müssen diskutiert werden. Welche Ergebnisse liefern diese Projekte bereits? Durch das Aufzeigen von Lösungen wird lösungsorientiertes Denken wieder stimuliert.
Der lösungsorientierte Journalismus ist manchmal verschrien als PR für bestimmte Unternehmen oder Organisationen.
Wir sind da auch sehr kritisch. Denn so etwas passiert tatsächlich manchmal. Unser Ansatz ist aber ein anderer. Wir wollen von oben drauf schauen und gucken, was die Gesamtsituation ist und welche Zusammenhänge es gibt. Das heißt nicht, dass keine Beispiele genannt werden dürfen. Das ist genau das richtige, denn dadurch entsteht eine Nähe zum Thema. Aber es ist auch wichtig zu gucken wie einzelne Lösungen skaliert werden können, so dass eine Einordnung in den größeren Kontext möglich ist.
Wie sehen Ihre nächsten Schritte mit Positive Daily aus?
Aktuell bereiten wir unsere groß angelegte Crowdfunding- Kampagne vor, die voraussichtlich Ende des Jahres beginnen soll. In Zukunft soll die Redaktion sich allein über die Mitglieder und ihren Jahresbeitrag von 42 Euro finanzieren. Während der Crowdfunding-Kampagne wollen wir 10.000 Mitglieder gewinnen. Es gibt keine Werbeanzeigen, Investoren oder politische Interessen. Ist die Kampagne erfolgreich, wird Positive Daily Anfang 2016 an den Start gehen.
Bildquelle: Screenshot Positive Daily
*Update vom 10.10. 2015: „Positive Daily“ heißt nun „Perspective Daily“. In einer Pressemitteilung des Gründerteams heißt es: „In den letzten Wochen haben wir viele Vorträge gehalten und Gespräche geführt. Dabei wurde immer wieder eins deutlich: Der Name Positive Daily weckt starke Vorurteile. Nicht nur Journalisten assoziieren mit dem Namen häufig „Wohlfühl“-Journalismus, der nur positive und unkritische Beiträge à la „Katze vom Baum“ gerettet bringt. Wir wollen jedoch mehr. Wir wollen positiven Entwicklungen mehr Raum in unserer Berichterstattung geben als andere Medien. Aber wir wollen konstruktiven Journalismus bieten, der mindestens genauso kritisch ist wie der klassische Journalismus – aber eben nicht nur Probleme beschreibt, sondern auch Lösungen diskutiert. Um das zu erreichen, haben wir uns diesen Rückmeldungen angenommen und noch mal auf die Suche gemacht: Nach einem Namen, der unserem Ansatz gerechter wird. Perspective Daily hat das Rennen gewonnen. Wir wollen neue Perspektiven und Möglichkeiten finden. Perspektiven, die helfen, Probleme anzugehen und zu lösen.“
„Perspective Daily“ ist nun unter www.perspective-daily.de und auch weiterhin über die alte Adresse zu erreichen.
Schlagwörter:konstruktiver Journalismus, lösungsorientierter Journalismus, Maren Urner, Positive Daily