Einfach nur schön? Newsbilder auf Instagram

29. Oktober 2018 • Digitales, Forschung aus 1. Hand • von

Romantische Naturfotos beim Spiegel, Infografiken bei der Tagesschau: Nachrichtenmedien setzen auf Instagram unterschiedliche Akzente. Ihrem journalistischen Profil bleiben sie dennoch treu – mit einer Ausnahme.

Jeden Morgen schieben sich tausendfach aufwändig gestaltete Nahaufnahmen farb- und kontrastreicher Müslischalen in die Newsfeeds der Instagram-Community. Unter dem Hashtag Foodporn können Nutzer inzwischen 171 Millionen Einträge finden.

Doch Instagram ist längst mehr als ein Netzwerk schöner Bilder, die einen gesunden und dynamischen Lifestyle vermitteln. Instagram ist zu einem Nachrichtenkanal für journalistische Inhalte geworden. Klassische Nachrichtenmedien wie Tagesschau oder Spiegel Online betreiben eigene Accounts und versorgen ihre Follower täglich mit speziell für Instagram aufbereiteten Fotos und Videos.

Doch wie viel Einfluss hat die auf Instagram gelebte Ästhetik auf die Nachrichtenkanäle? Wirkt sich das positive Weltbild auch auf die Newsfeeds der Nachrichtenmedien aus? Sind es deshalb überwiegend good news, die verbreitet werden? Diese und andere Fragen greift meine Untersuchung über die Accounts klassischer Nachrichtenmedien auf Instagram im Rahmen meiner Bachelorarbeit auf.

Die Studie befasst sich mit den vier followerstärksten Nachrichtenmedien Tagesschau, Bild.de, RTL aktuell und Spiegel Online und konzentriert sich auf Fotos und Videos sowohl gestalterisch im Hinblick auf den Grad ihrer Ästhetik als auch inhaltlich auf Merkmale von Emotionalisierung, Personalisierung und eines konstruktiven Journalismus.

Die häufigsten Bildtypen innerhalb der drei häufigsten Bildthemen und Bildkontexte, n=109

Um die Feeds der Medien charakterisieren und gegenüberstellen zu können, sind 263 Postings mit Hilfe einer quantitativen Bildinhalts- und Bildtypenanalyse über einen Untersuchungszeitraum von zwei Jahren erfasst und ausgewertet worden. Um zusätzlich zur Charakteristik der einzelnen Accounts Hinweise auf die Vorlieben der Nutzer gewinnen zu können, beinhaltet die Stichprobe außerdem Postings mit den meisten Nutzerreaktionen eines Jahres.

Tagesschau: Konflikte schaffen, wo keine sind

Ein Ergebnis der Studie ist, dass die untersuchten Nachrichtenmedien insgesamt wenig über Konflikte berichten. In knapp zwei Drittel aller Beiträge spielen diese überhaupt keine Rolle. Als einziges Medium berichtet RTL aktuell über große Krisen und Katastrophen, aber ebenso häufig über besonders positive Entwicklungen. Im Account von RTL aktuell zeigt sich im Vergleich die intensivste lösungsorientierte Berichterstattung, wie sie das Konzept des konstruktiven Journalismus vorsieht.

Der Konflikt als Stilmittel in politischen Beiträgen. Quelle: Tagesschau auf Instagram

Als Stilmittel tauchen Konflikte insbesondere im Kanal der Tagesschau auf. In mehr als zehn Prozent der Beiträge werden Konflikte grafisch oder inhaltlich deutlich herausgestellt. Die Beobachtung, dass die Tagesschau politische Themen besonders über den Bildtyp des Porträts spielt, passt zudem zu den Befunden der Kommunikationswissenschaften über einen Personalisierung- und Emotionalisierungstrend insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Medien.

Auffällig ist, dass negative Emotionen wie Ärger, Wut oder Verzweiflung über alle Medien den geringsten Teil innerhalb der Berichterstattung (4%) ausmachen. Eine stark auf positive Emotionen ausgerichtete Berichterstattung findet sich vor allem innerhalb der beiden Boulevardmedien Bild.de und RTL aktuell. Diese Befunde sprechen zunächst für eine positive Tonalität der Nachrichtenmedien. Sie folgen damit der Instagram-Konvention des positiven Weltbildes.

Auf Instagram präsentiert Peter Kloeppel jede Woche ein Nachrichtenbild, das den Moderator besonders bewegt hat. Quelle: RTL aktuell auf Instagram

Die Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass dieser Effekt nicht zwangsläufig als typisch für Instagram-Berichterstattung gewertet werden muss, da sich ein Emotionalisierungstrend auch in der klassischen Berichterstattung abseits von Instagram zeigt. Allein anhand der Emotionalität auf die Einhaltung der kanalspezifischen Konventionen zu schließen, erscheint daher wenig sinnvoll.

Spiegel Online mit Hang zur Romantik

Ein überraschendes Ergebnis der Studie: „Deutschlands wichtigste Nachrichtenseite“ wählt auf Instagram einen vor allem künstlerisch anspruchsvollen Schwerpunkt. Spiegel Online kann als Verbreitungskanal für romantische Naturaufnahmen bezeichnet werden. Knapp drei Viertel aller Inhalte lassen sich dem Thema Natur zuordnen. 82 Prozent der Bilder im Account sind zudem besonders ästhetisch und zählen damit in die Kategorie Kunstfoto.

Die beliebtesten Beiträge aus 2017. Quelle: Spiegel Online auf Instagram/ bestnine

Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der vorherrschenden Fotokultur und der verbalisierten Ausrichtung als wichtigster Nachrichtenkanal. Ein Erklärungsansatz ergibt sich aus der  Anspruchshaltung des Mediums an sich selbst: Eine künstlerisch anspruchsvolle Fotografie steht in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor als Merkmal für ausgesprochenen Qualitätsjournalismus, als dessen Botschafter sich Spiegel Online versteht.

Interessant ist die Beobachtung, dass die Community von Spiegel Online überdurchschnittlich mit Kunstfotos interagiert. Dieser Bildtyp löst in den Communitys der anderen Medien nur sehr wenig Interaktion aus. Lediglich bei RTL aktuell findet sich noch ein Interesse der Nutzer an dieser Fotokultur. Insgesamt zeigt sich im Untersuchungsmaterial eher eine Tendenz zur Fotokultur der professionellen Pressefotos, bei der ein inhaltliches Informationsinteresse im Vordergrund steht, was als Zeichen dafür gewertet werden kann, dass die Community von einem Nachrichtenmedium diese Fotokultur auch erwartet.

Bild.de zaubert Schnappschüsse

Der typische Schnappschuss auf Bild.de, hier in Form eines Videos. Quelle: Bild.de auf Instagram

Grundlage für die Beurteilung der Ästhetik bilden Instagram-Fotokulturen des Medienwissenschaftlers Lev Manovich, der Instagram-Fotos in die Kategorien „Schnappschuss“, „professionelle Presseaufnahme“ und „Kunstfoto“ unterteilt. Angelehnt an diese Einteilung weisen Schnappschüsse, die von einer nachlässigen Bildkomposition geprägt sind, das geringste Maß an Ästhetik auf. Der Einsatz unvollkommener Bilder wird innerhalb der untersuchten Nachrichtenkanäle als eine typische Strategie von Boulevardmedien gewertet. Mit diesen Aufnahmen bleibt Bild.de auch auf Instagram dem Boulevardstil treu.

Nachrichtenmedien sind weder positiv noch überschwänglich emotional

Die Auswertung zeigt insgesamt ein für Nachrichtenmedien durchaus erwartbares ästhetisches Profil. Insgesamt machen die klassischen informativen Nachrichtenbilder etwas mehr als die Hälfte der Berichterstattung aus. Die meisten dieser professionellen Pressefotos finden sich im Account der Tagesschau. Doch auch wenn eine ausgeprägte Bildästhetik den Account von Spiegel Online mit mehr als drei Vierteln beherrscht und RTL aktuell besonders konstruktiv berichtet, findet sich eine vorwiegend positive Berichterstattung in keinem der untersuchten Medien.

Die Darstellung der Berichterstattungsthemen ist insgesamt eher sachlich neutral als emotional und wertend. Die Befürchtung, dass Nachrichtenmedien hauptsächlich positiv berichten, weil Instagram als positives Netzwerk gilt, lässt sich zumindest in dieser Untersuchung nicht bestätigen.

Es verdichtet sich der Befund, dass die Nachrichtenmedien bis auf eine Ausnahme eher ihren üblichen Berichterstattungsmustern anstatt speziellen Instagram-Konventionen folgen. Diese Vermutung verstärkt sich über die verwendeten journalistischen Stilmittel und Themen. Insgesamt ergibt sich über alle Medien hinweg eine deutliche Konzentration auf Themen aus der Kategorie Human Interest, gefolgt von Politik und Natur. Diese Konzentration entspricht in ihren Grundzügen einem Trend, den Forscher auch in der klassischen Nachrichten-Berichterstattung beobachten konnten.

Die Medien setzen also auch auf Instagram auf ihre bewährten Motive und Darstellungsformen: Sie zeigen Porträts oder Gruppen handelnder Personen, sie zeigen symbolische Protestaufnahmen ebenso wie reine Textbeiträge in Fotos, Bildergalerien, Collagen und Videos – bewährte klassische journalistische Formen. Nur eines suchen Nutzer in den untersuchten Nachrichtenbildern vergeblich: ein Foto mit dem Hashtag Foodporn.

Müller, Sarah (2018): Zwischen Bildästhetik und konstruktivem Journalismus – Nachrichtenmedien auf Instagram. Unveröffentlichte Bachelorarbeit am Institut für Journalistik der TU Dortmund.

Bildquelle: pixabay.com

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