Erst verloren die Verlagshäuser das Geld, dann die Schlacht – und nun auch noch den Stolz.
Das letzte Mal im Blatt gab es das seltene Ereignis vor drei Wochen. In der Sonntagszeitung hatte es eine “Pano”. Es war eine Pano von Toyota.
Die Pano, das Kürzel für Panoramaseite, ist die Königsform der klassischen Werbung. Der Kunde schaltet ein Inserat, das zwei nebeneinanderliegende Seiten abdeckt. Die Pano ist die teuerste Werbeform im Print. In der Sonntagszeitung kostet die Doppelseite nach Listenpreis 67163 Franken.
Noch vor zwanzig Jahren waren die Zeitungen und Zeitschriften mit Panos prall gefüllt. Die Verlagshäuser verdienten massig Geld. Mit Spott blickten sie hinunter auf das neue Internet und seine Tastversuche im Werbemarkt. Die junge Konkurrenz war für sie bloß eine Erscheinung im Eintagsfliegen-Modus. Sie zitierten genüsslich Bill Gates, der 1993 angekündigt hatte: “Das Internet ist nur ein Hype.”
Es war ein epochaler Irrtum. Die Inserategelder verschwanden schneller ins Netz, als die Verleger ihre Verluste zählen konnten. Google, der digitale Werbegigant, wird dieses Jahr bereits einen Umsatz von 80 Milliarden Dollar erreichen. Immer wichtiger als Werbeträger wird auch Facebook, das dieses Jahr auf 15 Milliarden Dollar kommen wird.
Nachdem ihre Anzeigen abgezogen waren, setzten die Verleger auf eine Angriffsstrategie gegen den Feind. Sie wollten von Google Geld eintreiben, weil die Suchmaschine ihre Online-News ohne Gegenleistung verbreitete. Google lächelte nur milde. Denn inzwischen waren die Verlage in hohe Abhängigkeit geraten. Ohne Google brachen die Zugriffe auf ihre Zeitungs-Websites zusammen. Die Schlacht ging darum verloren. Google bedient sich heute ungenierter als je bei den Inhaltsproduzenten.
In den letzten Wochen nun folgte eine neue Eskalationsstufe bei der Unterwerfung unter Google und Facebook, die siegreichen Widersacher im Werbemarkt. Die Verlagshäuser begruben nun auch ihren letzten Widerstand.
Soeben gingen führende Großverlage eine sogenannte Kooperation mit Google ein. In Wirklichkeit lassen sie sich von Google sponsern. Der Konzern wirft jährlich 150 Millionen auf, um den Medienhäusern zu zeigen, wie man zu besseren Erlösen kommt. Auch renommierte Unternehmen von Guardian bis FAZ-Verlag akzeptierten die Almosen von Google. Es ist eine Art Armenspeisung aus Angst vor dem Aushungern.
Noch einschneidender ist der Deal, den die Verlage unter dem Titel “Instant Articles” soeben mit Facebook eingegangen sind. Facebook darf künftig ihre Artikel in seinem Netzwerk aufschalten. Sie sind viel schneller abrufbar als bisher. Die Medienhäuser bekommen nichts für ihre Inhalte, nicht einmal einen Link auf ihre Websites, die es nun nicht mehr braucht. Wiederum machen von New York Times bis Spiegel die führenden Print-Adressen mit. Es ist eine Art journalistischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Gewaltiger Kulturwandel
Die Zeitungshäuser haben ihren früheren Stolz an der Garderobe abgegeben. Sie kapitulieren mittlerweile vor der Macht der Stärkeren. Die Stärkeren sind die Internetgiganten mit ihrem Milliardenpublikum. Ohne sie erreichen die Medienhäuser die Leser nicht mehr.
Der Kulturwandel, der sich in den letzten Wochen akzentuierte, ist tatsächlich gewaltig. Jahrzehntelang waren die Zeitungen die Eisenbahnen, auf die kommerzielle Trittbrettfahrer aufsprangen. Nun sind Google und Facebook zu Eisenbahnen geworden, und die Verlagsunternehmen springen als kommerzielle Trittbrettfahrer auf.
Man konnte den Wandel des Journalismus nie besser beschreiben als derzeit. Es ist der Wechsel vom Fahrersitz in den Seitenwagen.
Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 21. Mai 2015, S. 27
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