Pressefreiheit in Polen: Wenig Hoffnung auf Besserung

12. Oktober 2019 • Aktuelle Beiträge, Pressefreiheit • von

Die Prognosen für die Parlamentswahlen in Polen sind eindeutig. Und so auch die Pläne der Regierungspartei PiS, die vorhat, mit weiteren Gesetzen die freie Berichterstattung zu beeinflussen.

Am 13. Oktober wird in Polen ein neues Parlament gewählt. Den Prognosen zufolge wird es einen klaren Sieger geben: Prawo i Sprawiedliwość (PiS), übersetzt Recht und Gerechtigkeit. Die rechtspopulistische Partei Jarosław Kaczyńskis liegt in aktuellen Umfragen bei rund 47 Prozent und damit noch höher als bei ihrem historischen Sieg 2015. Dort konnte sie als erste Partei seit der Wende 1989 die absolute Mehrheit im Parlament gewinnen.

Seitdem spaltet ihre nationalkonservative Agenda die Nation. Mit Entscheidungen wie der Einführung eines Kindergeldes und der Verschärfung des Abtreibungsgesetzes macht sich PiS vor allem bei der erzkatholischen Landbevölkerung sehr beliebt. Andere Teile Polens sehen die Partei als Bedrohung für die Demokratie. Einer der Gründe dafür ist ihr autoritärer Umgang mit den Medien.

Aus den öffentlich-rechtlichen werden ‚Nationale Medien’

Im Dezember 2015, nur wenige Wochen nach der Wahl, beschloss die neue PiS-Mehrheit im Parlament eine Medienreform. Diese Reform verlieh der Regierung deutlich mehr Kontrolle über die öffentlich-rechtlichen Medien. In der Folge wurden zahlreiche Entscheidungsträger entlassen und durch Parteimitglieder ersetzt.

Seitdem ist Polen in der jährlich veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von Platz 18 auf Platz 59 gefallen. Die Begründung: „Die öffentlich-rechtlichen Medien wurden umbenannt in ‚Nationale Medien’ und in Propaganda-Instrumente der Regierung verwandelt. Die neuen Direktoren tolerieren weder Opposition noch Neutralität von ihren Mitarbeitern und feuern die, die sich daran nicht halten.“

Insgesamt verloren seit der Reform 235 Journalisten der öffentlich-rechtlichen Medien ihren Arbeitsplatz. Die polnische Gesellschaft der Journalisten, Mitglied der Internationalen Journalisten-Föderation, dokumentiert diese Fälle.

„Als 47-Jähriger, der noch das kommunistische System miterlebt hat, muss ich sagen, dass ich immer weniger Unterschiede zwischen den Inhalten von Telewizja Polska (TVP) und der Propaganda der Kommunisten erkenne“, sagt Wojciech Cieśla, der für Newsweek.pl schreibt und einer der bekanntesten Investigativjournalisten Polens ist, gegenüber EJO. „Das Arbeitsklima für uns Journalisten hat sich in den vergangenen vier Jahren dramatisch verändert.“

Boykott und Klagen gegen kritische Artikel

Auch der Print- und Online-Journalismus spürt zunehmend den Druck der PiS-Regierung.

Der stellvertretende Chefredakteur der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza sagte dem Komitee zum Schutz von Journalisten in einem Interview: „Sie [PiS] haben uns mit Klagen überhäuft, haben staatliche Anzeigen verweigert, Regierungspolitiker boykottieren uns und jetzt versuchen sie uns mit einer Nachrichtensperre zu zensieren.“

So entzieht die Regierung kritischen Medien wichtige Einnahmequellen, Interviewpartner und Informationen. Obendrein schüchtert sie Journalisten mit Klagen über zehntausende Euro ein.

Wojciech Cieśla stand allein in diesem Jahr alle zwei Monate vor Gericht. „Mittlerweile muss ich bei jeder Recherche meine Verteidigung vor Gericht im Hinterkopf haben. Das kostet Zeit und Nerven. Viele meiner Kollegen halten dem Druck nicht stand und wechseln den Beruf. Es gibt immer weniger investigativen Journalismus in Polen.“

Wenig Hoffnung auf Besserung

Wenn die Prognosen stimmen, dürfte sich die Situation nach der Wahl kaum bessern. Sollte PiS gewinnen, möchte die Partei eine weitere Medienreform verabschieden. Darin enthalten ist unter anderem die Einführung eines Verifikationskomitees. Journalisten müssten sich in Zukunft also erst einer Prüfung dieses Komitees unterziehen, um ihren Beruf uneingeschränkt ausüben zu können. „Der Beruf Journalist wurde schon einmal reguliert in Polen. Das war während des Kommunismus,“ sagte Oppositionspolitiker Cezary Tomczyk auf einer Pressekonferenz im September, als er auf die geplante Reform angesprochen wurde.

„Es ist extrem wichtig, dass gerade jetzt Medien aus dem Ausland auf Polen schauen“, meint Wojciech Cieśla. „Ich fühle mich in meinem Job nur einigermaßen sicher, weil Newsweek ein unabhängiges Medium aus dem Ausland ist.“ Viel Hoffnung für die Zukunft hat er allerdings nicht: „Ich glaube, es kommen harte Zeiten für Journalisten in Polen.“

Bildquelle: pixabay.com

 

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