Drei Autoren bieten einen Leitfaden für Qualität in den Medien. Ihr Buch vereint wissenschaftliche, journalistische und pädagogische Kompetenz.
In den Medien gibt es noch immer Leute, die behaupten, Profis fielen vom Himmel, man brauche keine gute Ausbildung, nur Talent. Auch Medienforschung sei überflüssig, denn alles Nötige lerne man in der Redaktion. Und diese Redaktion wurde lange Zeit als etwas Gegebenes angesehen – nicht als ein Ort, der sich gestalten lässt. In solch einem Umfeld ist es natürlich schwierig, Qualitätsmanagement durchzusetzen, aber es wäre bitter nötig.
Der Pfad zu mehr Qualität im Journalismus ist lang, steinig und über weite Strecken inzwischen sogar abschüssig. Das Buch „Medienqualität durchsetzen“ ist ein Meilenstein auf diesem Pfad, und schon der Buchtitel ein Wegweiser, der in die richtige Richtung deutet. Die Autoren wollen durch kluges, innovatives Redaktionsmanagement mehr Qualität erreichen. Sie machen sich dabei allerdings wenig Illusionen: Es gilt, Qualität durchzusetzen – und zwar gegen Widerstände angesichts eher unerfreulicher ökonomischer Rahmenbedingungen, aber auch gegen die Faulpelze und die ewigen Veränderungsverhinderer in den Redaktionen selbst.
In der Gastronomie ermöglichen es gute, frische Zutaten, eine bekömmliche wohlschmeckende Kost herzustellen. Aber auch der Koch muss sein Handwerk beherrschen. Um im Bild zu bleiben: Die „Zutaten“ stimmen. Aktuelle Beispiele, Checklisten, Zusammenfassungen und Illustrationen, durchgängiger Schweiz-Bezug – das alles sollte das Buch für die Redaktionen zu einem unentbehrlichen Ratgeber machen.
Zudem sind drei „Köche“ im Einsatz, die sich genial ergänzen: Vinzenz Wyss zählt als Medienforscher zu den Pionieren journalistischer Qualitätsforschung, Peter Studer ist vormaliger Zeitungs- und Fernseh-Chefredaktor. Er ist juristisch versiert und hat sich auch als Presseratsvorsitzender mit Fragen der Medienqualität jahrelang auseinandergesetzt. Toni Zwyssig hat als Journalistenausbilder bei der SRG eines der anspruchsvollsten Ausbildungsprogramme für Journalisten im deutschsprachigen Raum geleitet. Wenn so viel geballte wissenschaftliche, journalistische und pädagogische Kompetenz zusammenfinden, kann eigentlich nur ein spannendes, lesenswertes Fachbuch entstehen. Die Autoren knüpfen an lange Traditionen der Qualitätsforschung im Journalismus an, aber auch an betriebswirtschaftliche Ansätze des Change Management.
Last not least ist im Untertitel von „Qualitätssicherung“ die Rede. Das mag defensiv klingen. Viel mehr Qualität, als wir im Journalismus in der Schweiz bereits haben, ist aber vermutlich gar nicht erreichbar. Wenn wir klagen, klagen wir auf hohem Niveau. Da den alten Mainstream-Medien und damit den Redaktionen – angesichts vielfältiger neuer Möglichkeiten in sozialen Netzwerken und bei Suchmaschinen Werbung zu schalten – die Ressourcen abhanden kommen, wird es in den nächsten Jahren vor allem auf Qualitätssicherung und weniger auf Qualitätssteigerung im Journalismus ankommen.
Gerade dafür hält der Leitfaden aber lohnende Rezepte bereit, denn Vieles, was Qualität befördern könnte, kostet noch nicht einmal viel Geld – zum Beispiel konkrete Zielvorgaben, aber auch regelmäßige Blatt- oder Sendungskritik, Korrekturspalten und die Nutzung neuer Möglichkeiten des Qualitätsmanagements online. Es braucht eher Führungsstärke sowie die Bereitschaft, dazu zu lernen und andere zum Dazulernen zu animieren. Das Buch beschreibt, wie dieses Dazulernen in einem mehrstufigen, interaktiven Prozess voller Rückkopplungsschleifen zu geschehen hätte. Manchen Redaktionschef mag zwar entmutigen, dass der Leitfaden erkennbar von Erfahrungen beim Service public geprägt ist, die sich eins zu eins nicht auf die redaktionelle Wirklichkeit in privaten Medien übertragen lassen dürften. Aber daraus lässt sich keine wohlfeile Ausrede drechseln, um sich weiter am redaktionellen Qualitätsmanagement vorbei zu mogeln.
Medienqualität wird sich allerdings nur dort durchsetzen lassen, wo Qualität von den Publika nachgefragt wird. Nur wenn sich die Rezipienten Qualität auch etwas kosten lassen, wird es Medienmanager und Journalisten geben, die anspruchsvolle Publikumswünsche bedienen können und sich deshalb auch über Qualitätsmanagement ernsthaft Gedanken machen. Hier beißt sich die Katze leider in den Schwanz, denn umgekehrt gilt auch: Nur wenn die Medienmanager und die Journalisten endlich anfangen, über Journalismus und über Medien intensiv und offensiv aufzuklären, wird es Publika geben, die hinreichend informiert sind, um Qualitätsansprüche geltend zu machen.
Vinzenz Wyss/Peter Studer/Toni Zwyssig: Medienqualität durchsetzen. Qualitätssicherung in Redaktionen. Ein Leitfaden, Zürich: Orell Füssli Verlag, 2012
Erstveröffentlichung: NZZ vom 20. März 2012
Schlagwörter:Blattkritik, Change Management, Fachbuch, Korrekturspalten, Medienqualität, Peter Studer, Qualitätsmanagement, Redaktionsmanagement, Toni Zwyssig, Vinzenz Wyss