In den ersten Wochen des Ukraine-Kriegs unterbrachen die deutschen Hauptfernsehsender beinahe täglich ihr Programm für Sondersendungen. In ihren Inhalten lassen sich typische Muster der Kriegsberichterstattung erkennen, wie eine Analyse der bisher wenig untersuchten Sondersendungen Brennpunkt und RTL Aktuell Spezial zeigt.
„Auch heute wollen wir wieder in einem Spezial auf die Entwicklungen in der Ukraine blicken. Die Sendung ‘Wer wird Millionär’ verschiebt sich um etwa eine halbe Stunde.“ Diesen Satz mussten Fernsehzuschauer im Frühjahr 2022 immer wieder hören. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine strahlten die privaten und öffentlich-rechtlichen TV-Sender in Deutschland eine Vielzahl an Sondersendungen zum Ukraine-Krieg aus und erreichten damit in der Primetime regelmäßig Millionen-Quoten. Somit spielen Sondersendungen für die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle.
Inwieweit sind typische Muster der Kriegsberichterstattung in deutschen Sondersendungen wiederzufinden? Mit dieser Frage hat sich eine Inhaltsanalyse des öffentlich-rechtlichen Sondersendungsformats Brennpunkt und der Sendung RTL-Aktuell Spezial des privaten TV-Anbieters RTL befasst. Im Detail wurde untersucht, wie viel Sendezeit dem konkreten Kriegsgeschehen und Hintergründen zum Krieg gegeben wird und wie häufig politische und militärische Entscheider gegenüber einfachen Bürgern in den Sendungen auftauchen. Des Weiteren wurden auch Feindbilder in den Sendungen betrachtet. Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurden jeweils die ersten zehn Ausgaben der Sendungen zur Primetime um 20:15 Uhr, sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht. Insgesamt sind in den untersuchten Sondersendungen typische Muster der Kriegsberichterstattung wiederzufinden. Die Ergebnisse der Arbeit sind aufgrund der bewussten Auswahl der Merkmalsträger und der relativ kleinen Stichprobe nicht repräsentativ.
Kein Platz für Hintergründe und Reflexionen
Kriegsberichterstattung fokussiert sich vor allem auf das konkrete Kriegsgeschehen, während die Hintergründe und die historischen Zusammenhänge eines Kriegs oftmals unterbelichtet bleiben. Laut Miltner & Waldherr (2013) ist die Berichterstattung außerdem während des konkreten Kampfgeschehens am höchsten. Zu diesen Ergebnissen gelangen vorangegangene Studien. Sie spiegeln sich auch in der Themenstruktur der untersuchten Sondersendungen Brennpunkt und RTL Aktuell Spezial wider. Legt man die Gesamt-Sendungsminuten zugrunde, wurde in beiden Sendungen vor allem über die Themenbereiche Kriegsgeschehen und Kriegsstrategie (33 Prozent), Reaktionen auf den Krieg (25 Prozent) und Kriegsopfer und Schäden (16 Prozent) berichtet. Nur ein Prozent der insgesamt untersuchten Sendungsminuten konnte dem Themenbereich Hintergründe und Reflexionen zugeordnet werden. Dabei gab es, mit Ausnahme der Reaktionen auf den Krieg (Brennpunkt 28 Prozent und RTL Aktuell Spezial 21 Prozent), keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Formaten. Größere Unterschiede konnten hingegen bei den zwei Themenbereichen Humanitäre Hilfe und Wirtschaft und Energiepolitik festgestellt werden. Beide Themenbereiche sind bei RTL Aktuell Spezial prozentual etwa doppelt so lang wie in der Sendung Brennpunkt behandelt worden. Die starke Fokussierung auf konkrete Kriegsereignisse könnte damit erklärt werden, dass komplexe Themen schwerer kurz und schnell aufbereitet werden können und sich gerade konkrete Kriegsereignisse durch eine offenbar geringe Komplexität auszeichnen. Zudem sind Sondersendungen typischerweise sehr ereignisgeleitet.
Kriegsberichterstattung fokussiert sich vor allem auf das konkrete Kriegsgeschehen, während die Hintergründe und die historischen Zusammenhänge eines Kriegs oftmals unterbelichtet bleiben. Laut Miltner & Waldherr (2013) ist die Berichterstattung außerdem während des konkreten Kampfgeschehens am höchsten. Zu diesen Ergebnissen gelangen vorangegangene Studien. Sie spiegeln sich auch in der Themenstruktur der untersuchten Sondersendungen Brennpunkt und RTL Aktuell Spezial wider. Legt man die Gesamt-Sendungsminuten zugrunde, wurde in beiden Sendungen vor allem über die Themenbereiche Kriegsgeschehen und Kriegsstrategie (33 Prozent), Reaktionen auf den Krieg (25 Prozent) und Kriegsopfer und Schäden (16 Prozent) berichtet. Nur ein Prozent der insgesamt untersuchten Sendungsminuten konnte dem Themenbereich Hintergründe und Reflexionen zugeordnet werden. Dabei gab es, mit Ausnahme der Reaktionen auf den Krieg (Brennpunkt 28 Prozent und RTL Aktuell Spezial 21 Prozent), keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Formaten. Größere Unterschiede konnten hingegen bei den zwei Themenbereichen Humanitäre Hilfe und Wirtschaft und Energiepolitik festgestellt werden. Beide Themenbereiche sind bei RTL Aktuell Spezial prozentual etwa doppelt so lang wie in der Sendung Brennpunkt behandelt worden. Die starke Fokussierung auf konkrete Kriegsereignisse könnte damit erklärt werden, dass komplexe Themen schwerer kurz und schnell aufbereitet werden können und sich gerade konkrete Kriegsereignisse durch eine offenbar geringe Komplexität auszeichnen. Zudem sind Sondersendungen typischerweise sehr ereignisgeleitet.
Viele Eliten aber auch neue Akteure
Die bisherige Forschung konnte in der Kriegsberichterstattung eine Fokussierung auf politische, militärische und wirtschaftliche Entscheidungsträger feststellen. Allerdings gibt es auch Studien, die einen Wandel dieser Elitenorientierung bemerken und zunehmend neue Akteure, wie Mitglieder der Zivilgesellschaft, in der Kriegsberichterstattung beobachten. Die Akteursanalyse der Sondersendungen ergab, dass von den untersuchten Akteursauftritten in Minuten, die größten prozentualen Anteile auf Journalisten des Senders (30 Prozent), Zivilisten/Durchschnittsbürger (19 Prozent), Politische/Militärische Entscheider (19 Prozent) und Experten (19 Prozent) entfielen. Dabei wurden nur die visuellen Auftrittsformen, beispielsweise in O-Tönen und Schalten, gezählt. Auf politische und militärische Entscheider sowie Zivilisten und „Durchschnittsbürger“ entfiel somit prozentual eine gleichlange Sendezeit. Die differenzierte Betrachtung beider Sendungen zeigt außerdem, dass in der Sendung Brennpunkt prozentual knapp doppelt so viele Akteursauftritte in Minuten auf die Gruppe Zivilisten/Durchschnittsbürger entfielen (23 Prozent) als bei RTL Aktuell Spezial (12 Prozent). Umgekehrt ist es bei der Gruppe Journalisten des Senders: Hier entfielen 41 Prozent der untersuchten Sendungsminuten von RTL Aktuell Spezial auf diese Gruppe, während es beim Brennpunkt 22 Prozent und damit nur halb so viele waren. Hieraus lässt sich schließen, dass in den untersuchten Ausgaben von RTL Aktuell Spezial viel Sendezeit auch mit Korrespondenten- oder Studiogesprächen gefüllt wurde. Ein Vergleich der Anzahl der Akteursauftritte mit ihren Längen bei beiden Sendungen zeigt darüber hinaus, dass auf die Gruppe Politische/Militärische Entscheider die längeren Auftrittsformen entfielen, während es bei der Gruppe Zivilisten/Durchschnittsbürger kürzere Auftritte, beispielsweise in Form von Umfragen, waren.
Putin als unberechenbarer Aggressor
Im Rahmen einer nachgelagerten qualitativen Inhaltsanalyse wurden die Sondersendungen auch auf die Häufigkeit der Verwendung von Freund-Feind-Schemata in der Kriegsberichterstattung untersucht, die als typische erzählerische Darstellungsmittel herangezogen wurden. In beiden Sende-Formaten ließ sich die Gegenüberstellung eines aggressiven Putins bzw. Russlands und dem Leid der ukrainischen Bevölkerung erkennen. Besonders in den Sondersendungen von RTL fiel eine deutliche Reduzierung Russlands auf Putin auf, der als enthemmter, unkontrollierbarer und brutaler Kriegsverbrecher dargestellt wurde. In den Moderationen, Beiträgen und Korrespondentengesprächen der Sendung Brennpunkt wurde hingegen häufiger von der russischen Seite, der russischen Armee oder den russischen Raketen gesprochen und weniger die Person Putins hervorgehoben. Personalisierte Feindbilder fanden sich dennoch vielfach in den Aussagen einzelner Akteure wieder. Durch einfache Freund-Feind-Gegenüberstellungen und eine Reduzierung auf Putin besteht jedoch die Gefahr, dass Kontexte verloren gehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass auch die untersuchten Sondersendungen zum Ukraine-Krieg typischen Mustern in der Kriegsberichterstattung folgen. Weiterhin spielten die Sendungen besonders zu Beginn des Kriegs eine bedeutende Rolle, wo es vielfach zu Programmunterbrechungen und Sondersendungen kam. Ihre hohen Reichweiten verdeutlichen zudem die Relevanz und Verantwortung dieser Formate bei der Darstellung von Kriegen.
Die Ergebnisse sind Teil der folgenden Bachelorarbeit:
Erdelhoff, S.M. (2022). Krieg statt Quizshow: Eine Inhaltsanalyse der TV-Sondersendungen der ARD und RTL zum Ukraine-Krieg. Unveröffentlichte Bachelorarbeit am Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund.
Quellen:
Bilke, N. (2008). Qualität in der Krisen- und Kriegsberichterstattung: Ein Modell für einen konfliktsensitiven Journalismus (1. Auflage). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Fischer, A., Wolf, D., & Dörner, A. (2020). Die Sondersendungen des deutschen Fernsehens: Spektrum, Programmierung, Gestaltung. In A. Dörner, & L. Vogt (Hrsg.), Mediale Störungen: Krisenkommunikation in Sondersendungen des deutschen Fernsehens (S. 121-159). Springer VS.
Kempf, Z., & Liebes, T. (2013). Transforming Media Coverage of Violent Conflicts: The New Face of War. Palgrave macmillan.
Krüger, M. (2003). Der Irak-Krieg im deutschen Fernsehen: Analyse der Berichterstattung in ARD/Das Erste, ZDF, RTL und SAT.1. Media Perspektiven, 2003(9), 398-413. https://www.ard-media.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2003/09-2003_Krueger.pdf
Löffelholz, M. (2008). Hintergründe ausgeblendet: Wie Medien über Kriege und Krisen (nicht) berichten. In M. Löffelholz, C.F. Trippe, & A.C. Hoffmann (Hrsg.), Kriegs- und Krisenberichterstattung: Ein Handbuch (S. 236-239). UVK.
Miltner, P., & Waldherr, A. (2013). Themenzyklus der Kriegsberichterstattung: Ein Phasenmodell. Publizistik, 58(3), 267-287. https://doi.org/10.1007/s11616-013-0180-2
Wilke, J. (1995). Krieg als Medienereignis: Konstanten und Wandel eines endlosen Themas. In K. Imhof & P. Schulz (Hrsg.), Medien und Krieg: Krieg in den Medien (S. 21-35). Seismo Verlag.
Wolff, M.A. (2018). Kriegsberichterstattung und Konfliktsensitivität: Qualitätsjournalismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Springer VS.
Beitragsbild: Pixabay
Schlagwörter:Auslandsberichterstattung, Kriegsberichterstattung, TV, Ukrainekrieg