Professionelle Unabhängigkeit ist ein Eckpfeiler des Journalistenberufs; Einschränkungen gelten als schädlich für die Demokratie. Einschränkungen können unter anderem von den Medienunternehmen als Arbeitgeber der Journalisten ausgehen, etwa wenn sie bestimmte politische oder finanzielle Interessen verfolgen.
Eine kürzlich im Fachblatt ‚Journalism‘ veröffentlichte Studie nimmt das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Journalisten und Medienunternehmen in Dänemark unter die Lupe. Das Ergebnis: Dänische Journalisten fühlen sich relativ frei in ihren Entscheidungen und unabhängig von ihrem Arbeitgeber.
Morten Skovsgaard von der Universität Süddänemark hat in seiner Studie die Beziehungen zwischen den professionellen Zielen der Journalisten und den organisatorischen Zielen der jeweiligen Medienunternehmen analysiert. Für seine Untersuchung wurden in enger Kooperation mit dem dänischen Journalistenverband 1083 dänische Journalisten, die für verschiedene Mediengattungen arbeiteten (Tageszeitungen, Zeitschriften, Radio, TV und Online), befragt.
Dänemark ist ein interessantes Land für solch eine Fallstudie. Auf der einen Seite herrscht in dem Land traditionell ein hoher politischer Parallelismus zwischen Parteien und Medienorganen, der sich in einer bedeutenden Parteipresse bemerkbar macht. Auf der anderen Seite wird das dänische Mediensystem mehr und mehr von der Kommerzialisierung beeinflusst, da sich immer mehr Medienunternehmen am finanziellen Profit orientieren.
Skovsgaard skizzierte in seiner Studie drei verschiedene Arten von organisatorischem Druck, die auf die professionelle Unabhängigkeit der Journalisten wirken können: politische Ziele, finanzielle Ziele sowie Routinen und Strukturen des Medienunternehmens.
Den Grad der Abhängigkeit maß der Forscher mithilfe von drei abhängigen Variablen: Konflikt/Übereinstimmung mit Vorgesetzten, Anpassung an Vorgesetzte und Handeln nach eigenem Ermessen. Als Vorgesetzte galten dabei Redakteure, die aufgrund ihrer höheren Position in der Hierarchie der Redaktion Macht über die befragten Journalisten ausüben könnten.
Unabhängige Variablen, mit denen die Abweichungen zwischen den Zielen der Journalisten und den Zielen des Medienunternehmens gemessen wurden, waren politische Diskrepanz, die Wahrnehmung der Aufgabe des jeweiligen Mediums (öffentlicher Auftrag versus Profitorientierung), zeitliche Beschränkungen und Deadlines sowie Konkurrenz mit anderen Journalisten.
Im Großen und Ganzen waren die befragten dänischen Journalisten der Ansicht, dass sie eine relativ große Unabhängigkeit und Freiheit genossen. Politische Diskrepanzen zwischen den Journalisten und Medienunternehmen, für die sie arbeiteten, schmälerten zwar die Übereinstimmungen mit ihren Vorgesetzten und verstärkten Konflikte, hatten aber keinen Effekt auf ihr Gefühl von professioneller Unabhängigkeit. Bei der Profitorientierung der Medienunternehmen zeigte sich das Gegenteil. Die Journalisten gaben an, dass ihre Freiheit, unabhängige Entscheidungen zu treffen, von den finanziellen Interessen des jeweiligen Medienunternehmens eingeschränkt werde. Auch zeitliche Beschränkungen und Deadlines, die ihnen auferlegt wurden, griffen ihrer Ansicht nach ihre professionelle Autonomie an.
Die Konkurrenz mit anderen Journalisten hatte weder nennenswerte Auswirkungen auf den Grad der Übereinstimmung mit Vorgesetzten noch beeinflusste es ihre Entscheidungsfreiheit. Sie erhöhte aber – wie vorherzusehen war – den Grad der Anpassung, da die Journalisten die Erwartungen ihrer Vorgesetzten erfüllen mussten, um ihre Storys zu verkaufen.
Die Studienergebnisse machen deutlich, dass auch die Art des Medienunternehmens einen Effekt auf die journalistische Unabhängigkeit haben kann. Tageszeitungs-Journalisten stimmten eher mit ihren Arbeitgebern überein und mussten sich ihnen weniger anpassen als die Journalisten, die für TV, Boulevardzeitungen, Zeitschriften und Online arbeiteten. Sie fühlten sich generell unabhängiger als ihre Kollegen der anderen Mediengattungen.
Interessanterweise waren in der Beziehung zwischen Journalisten und Vorgesetzten geschlechterspezifische Unterschiede zu beobachten. Männer befanden sich generell öfter in konfliktgeladenen Situationen mit ihren Vorgesetzten als Frauen, die sich eher anpassten. Zudem passten sich Journalisten, die über eine langjährige berufliche Erfahrung verfügten, tendenziell weniger an. Dennoch zeigt die Analyse: Der organisatorische Kontext spielt eine bedeutendere Rolle als der persönliche Background eines Journalisten. Der Arbeitsplatz und dessen Spezifika beeinflussen den Grad der professionellen Unabhängigkeit eines Journalisten stärker als zum Beispiel Gender, Erfahrung oder Ausbildung.
Die Untersuchung macht zudem deutlich, dass Journalisten die Profitorientierung von Medienunternehmen eher als eine Gefahr für ihre journalistische Unabhängigkeit sehen als politische Diskrepanzen zwischen ihnen und ihren Arbeitgebern. Demnach sollten in demokratischen Gesellschaften die kommerziellen Ziele von Unternehmen kritischer beobachtet werden als ihre politischen Ziele.
Da sich die Studie nur auf ein Land beschränkt, sich die Wahrnehmung der journalistischen Unabhängigkeit aber innerhalb verschiedener Länder und kultureller Kontexte unterscheidet, wären weitere vergleichende Untersuchungen sinnvoll.
Skovsgaard, Morten (2014): Watchdogs on a leash? The impact of organizational constraints on journalists’ perceived professional autonomy and their relationship with superiors. In: Journalism, Jg. 15, H.3. , S. 344-363.
Originalversion auf Englisch: Journalistic Autonomy in Denmark. A Study
Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels
Schlagwörter:Autonomie, Dänemark, dänische Journalisten, Morten Skovsgaard, Professionelle Unabhängigkeit