Schöne hybride Arbeitswelt

29. November 2021 • Aktuelle Beiträge, Qualität & Ethik • von

Die „Post-Covid“-Arbeitswelt wird es auch in der Medienbranche nicht mehr geben. Es wird eifrig mit neuen Formen experimentiert. 

Das Reuters Institut der Universität Oxford hat genauer hingesehen und im September Führungspersonen aus Redaktion, Werbung und Produktion zu Fernarbeit, Vielfalt und Talenten im Jahr 2021 befragt; 132 Personen haben geantwortet, hinzu kamen ausführliche Interviews. Zwei Drittel der Befragten sind aus Organisationen mit Print-Hintergrund, ein Viertel aus digitalen Medien, ein Fünftel aus privaten oder öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Umfrage ist zwar auf 42 Länder angelegt, doch fast die Hälfte der Teilnehmenden stammt aus Großbritannien, Deutschland und den USA.

Wenig überraschend: nur neun Prozent will die alte Arbeitswelt aus Vor-Corona-Zeiten wieder haben, „hybrides Arbeiten“ – einige arbeiten vor Ort, einige von zuhause aus – bleibt für die große Mehrheit in Nachrichtenredaktionen die Norm und soll ein paar Dauerprobleme lösen: Wenn man nicht zwingend in die oft teuren Medienstädte ziehen müsse, ließen sich wohl leichter Technologie- und Datenfachleute gewinnen, und generell werde dann wohl das Bewerberfeld ethnisch und sozial diverser. Gegrübelt wird vor allem darüber, wie sich Mitarbeiterbindung, Kreativität, Teamkultur und Teamkommunikation neu organisieren lassen; hybride Formate gelten hierfür als unbefriedigend.

Vielerorts sind Fakten geschaffen: Ein Viertel hat die Bürofläche bereits verkleinert, die große Mehrheit der Befragten will die Büroräume umgestalten oder hat es bereits getan. RTL News wird in der Studie als Beispiel beschrieben: gemeinsam genutzte Schreibtische lösen dort Einzelbüros ab, die Büroausstattung ist standardisiert und möglichst beweglich, die Teams in der „Homebase“ organisieren sich selbst, es gibt gemeinsame Bereiche (Hubs) als Orte für Begegnung, Flexibilität und Kreativität. Der britische Regionalverlag Reach hat bereits 75 Prozent seiner Büros geschlossen.

Damit sich die Mitarbeitenden wohl fühlen und nicht so, als seien sie zuhause isoliert, werden Online-Buch- und Filmclubs sowie Kochveranstaltungen organisiert; sie erhalten ein Gratis-Abo für eine Achtsamkeits-App, können in ein Online-Wellnesszentrum und sich bei Bedarf psychologisch beraten lassen. Kritiker halten das Konzept für ein Sparprogramm, andere sehen es als eine Chance für Journalisten, in den Gebieten, in denen sie leben, produktiver zu arbeiten, weil sie sich die langen Anfahrten ins Büro sparen.

In der Balance zwischen Spar- und Qualitätskriterien liegt der Knackpunkt, ob die Potenziale zugunsten einer schönen neuen Arbeitswelt zur Geltung kommen.

 

Federica Cherubini, Nic Newman, Rasmus Kleis Nielsen (2021): Changing Newsrooms 2021: hybrid working and improving diversity remain twin challenges for publishers, herausgegeben vom Reuters Institut der Universität Oxford

 

Bildquelle: pixabay.com

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