Kurs in Kapitalismus

7. Juni 2016 • Redaktion & Ökonomie • von

Produktivität und Profitabilität – selten waren die Bilanzen der Schweizer Medienhäuser so aufschlussreich.

calculator-178127_1920Bei den Big Five dauert es immer etwas länger. Erst Mitte Mai haben jeweils alle fünf ihren Jahresabschluss publiziert.

Die Big Five sind die letzten fünf großen Schweizer Verlage. Es sind Tamedia (1,06 Milliarden Schweizer Franken), Ringier (1,03 Milliarden Franken), die NZZ (456 Millionen Franken), AZ Medien (246 Millionen Franken) und Somedia (183 Millionen Franken). Alle anderen Verlage sind nur kleine Provinzunternehmen.

Das Warten auf die Jahresabschlüsse von 2015 hat sich gelohnt. Selten zuvor waren die Medienbilanzen dermaßen aufschlussreich.

Beginnen wir mit dem Kriterium der Produktivität. Wir messen sie am Umsatz pro Mitarbeiter (in Franken).

Tamedia: 316.000

AZ Medien: 278.000

NZZ-Gruppe: 276.000

Ringier: 157.000

Somedia: 153.000

Das Niveau ist gut. Nur die Bündner Somedia und Ringier fallen ab. Bei Ringier ist das erklärbar, weil die Hälfte der Mitarbeiter in Osteuropa tätig ist, wo die Umsätze tiefer liegen. Bei Somedia zeigt sich das Muster mancher Regionalverlage. Zu viele Mitarbeiter sind im schrumpfenden Zeitungsgeschäft tätig, weil das Management einen harten Sparkurs scheut.

Um die Profitabilität eines Unternehmens zu messen, ist der Ertrag pro Mitarbeiter das beste Kriterium. Dazu nehmen wir das Ebitda, also den effektiven Profit vor Steuern und Abschreibungen.

Ebitda pro Mitarbeiter (in Franken):

Tamedia: 72.000

AZ Medien: 32.000

NZZ-Gruppe: 28.000

Ringier: 15.000

Somedia: 10.000

Hier ist die Sachlage klar. Nur das Tamedia-Team erwirtschaftet einen Mehrwert, der diesen Namen verdient. Bei den anderen vier dreht sich jedem scharfen Ökonomen der Magen um. Die NZZ-Gruppe und die AZ Medien leiden darunter, dass sie kaum Umsätze im margenstarken Onlinegeschäft machen.

Nun kommen wir zum Killerkriterium. Wir betrachten, wie viel Reingewinn (Ebit) geschaffen wurde, was also den Aktionären als echte Bilanz eines Firmenjahres bleibt. Sondereffekte wie Aufwertungsgewinne lassen wir weg.

Ebit pro Mitarbeiter (in Franken):

Tamedia: 39.000

NZZ-Gruppe: 13.000

Somedia: 5.200

Ringier: 1.700

AZ Medien: 1.600

Das einzige Medienunternehmen, das kapitalistischen Kriterien genügt, ist Tamedia. Hier macht das Bodenpersonal für die Besitzer wirklich Cash. Das Schlussfeld bewegt sich in Richtung unternehmerischen Hobbywesens. Warum beschäftigt man so viele Mitarbeiter, wenn die keine Kohle bringen? Das hat schon etwas leicht Resignatives.

Ringier und AZ Medien haben immerhin eine Entschuldigung. Beide haben zuletzt viel in ihre Onlinestrategie investiert. Die hohen Abschreibungen auf diesen Engagements drücken den Reingewinn nach unten. Sie haben darum noch Gnadenfrist. Wenn in ein, zwei Jahren ihre Rendite nicht höher ist, fällt die Kritik schärfer aus.

Es gibt nur ein Schweizer Medienhaus, das echten Kapitalismus demonstriert. Kapitalismus ist das Gegenteil von Kapitulation.

Erstveröffentlichung: Weltwoche vom 26. Mai 2016

Bildquelle: pixabay.com

 

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