Bessere Kommunikation auf kleinem Raum

21. November 2013 • Redaktionsmanagement • von

Da, wo bis vor ein paar Monaten noch die überregionale Tageszeitung Miami Herald produziert worden ist, soll bald ein Luxusressort mit Kasino entstehen.

Das Tourismus-Unternehmen Genting aus Malaysia hat dem Zeitungsunternehmen Gebäude und Grundstück am Meer abgekauft – für 236 Millionen US-Dollar. Die Redaktion des Miami Herald befindet sich seitdem im vorstädtischen Doral, etwa 20 Autominuten von der Innenstadt entfernt.

In den USA verkaufen immer mehr alteingesessene Zeitungsredaktionen ihre Headquarter in den Innenstädten, ziehen in kleinere Gebäude in den Vorstädten oder teilen sich ihr Gebäude mit anderen Dienstleistern, wie zum Beispiel mit Yahoo (San Francisco Chronicle), einer Callcenter-Firma (Los Angeles Times) oder einem Weinlieferanten (Seattle Times).

Die neue Leidenschaft für das Downsizing mag zum einen darin begründet sein, dass sich die Zeitungsbranche in einer finanziellen Krise befindet und sie auf der Suche nach neuen Einnahmequellen ist. Zum anderen bieten kleinere Räume auch neue Chancen, die Redaktionsstrukturen zu verbessern, betont Nikki Usher, Juniorprofessorin an der School of Media and Public Affairs der George Washington University. Im Rahmen ihres Fellowships am Tow Center for Digital Journalism hat sie die zahlreichen Umzüge der US-Redaktionen unter die Lupe genommen und kommt zu dem Ergebnis, dass Redaktionen, die in kleineren Räumen arbeiten, ihren Workflow verbessern können.

Bislang hat Usher 29 Zeitungsredaktionen aus den USA zusammengetragen, die ihre Gebäude in der Innenstadt verkauft und sich stark verkleinert haben oder dies noch vorhaben, darunter The Miami Herald, The Seattle Times, The Philadelphia Inquirer, The Star Telegram, The Boston Globe und USA Today.

Der Umzug sei für viele Redaktionen eine Chance, Arbeitsabläufe zu überdenken und ihre Online-First-Strategie auszubauen, also Nachrichten zuerst online zu veröffentlichen,  betont Usher. Die meisten Redaktionen würden dabei auf Breaking News setzen. Dafür werde nicht viel Platz benötigt, sondern eine geschickte Architektur, um Kommunikationswege zwischen Redakteuren und Reportern zu vereinfachen.

So hat der Star Telegram in Fort Worth in Texas eine erhöhte Plattform in der Mitte der Redaktion errichtet – Usher bezeichnet sie als Starship Enterprise –, um alle Journalisten, die in die Nachrichtenproduktion involviert sind, auf einem Fleck zu haben. „Hier sollen Energien fließen und es soll laut werden, die Plattform soll das Zentrum der Aufmerksamkeit werden“, erläutert Chefredakteur Jim Witt das Konzept. „Alle Redakteure sollen an zwei Bildschirmen arbeiten können, so dass sie während ihrer Arbeit die ganze Zeit soziale Medien und andere Websites beobachten können.“

Nikki Usher hat mit vielen Journalisten, deren Redaktion umzieht, gesprochen – die Reaktionen auf den Umzug seien generell positiv gewesen, schreibt sie in ihrer Kurzanalyse.  Ein Grund für die positiven Reaktionen könne sein, dass die Redaktionsteams immer mehr schrumpfen und die Redaktionsräume schlichtweg zu groß und unpraktisch geworden seien, so Usher. So sagte ein Journalist des Miami Herald Folgendes über die alten Redaktionsräume: „Es ist entmutigend, hier zu sein. Man schaut über die Trennwände und sieht nur leere Schreibtische. Es ist keiner mehr da.“

Auch bei der Seattle Times sei „zu viel Platz“ gewesen, aber für die Freude über den Umzug scheint in der Hauptsache noch etwas anderes ausschlaggebend zu sein: das Gebäude war in sehr schlechter Verfassung. Vor über zehn Jahren sei es zum letzten Mal renoviert worden, erzählten die Journalisten. Nicht nur Kaffeeflecken, sondern auch Kakerlaken seien zu sehen gewesen.

Die Kaffeeflecken und Kakerlaken werden die Journalisten nicht vermissen – die großzügigen Platzverhältnisse auch nicht, meint Usher: „Die großen Zeitungsgebäude sind in einer Zeit entstanden, in der Redaktionen mit ihrem Ehrgeiz und ihrem finanziellen Erfolg die großzügigen Platzverhältnisse rechtfertigen konnten. Die moderne Redaktion von heute wandelt sich nicht nur von innen, sondern auch von außen.“

Bildquelle: Patrick Rasenberg / Flickr CC

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