Das ist eine der größeren Herausforderungen: Nach all den bereits publizierten Nachrufen für den Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, mit etwas Abstand noch einen weiteren zu fabrizieren.
Der langjährige Feuilleton-Chef war ein „Genie“ (Stefan Aust und Bernard Henry Levy), ein „Deutungskünstler“ (Mathias Döpfner), ein „Machtmensch“ (Eva Menasse), ein „Querdenker“ (Frank Schätzing), ein „Unruhestifter“ (Giovanni di Lorenzo), der „sprach- und wirkungsmächtigste Kulturjournalist, den Deutschland je hatte“ (Edo Reents). Was soll man ihm da noch attribuieren?
Vielleicht gilt es ja sogar, stattdessen den grassierenden Starkult im Journalismus auf die Schippe zu nehmen: Die sonst eher bedächtige FAZ hat seinem überraschenden Tod auf der Seite 1 den Aufmacher (und nicht nur das Titel-Foto) gewidmet, als sei der Papst oder ein Staatenlenker verstorben. Sie hat ihn darüber hinaus nicht nur mit einer Seite 3 und einer Bildstrecke geehrt, sondern das gesamte Samstags-Feuilleton für insgesamt 24 weitere Nachrufe freigeräumt und drei seiner eigenen bemerkenswertesten Arbeiten republiziert.
Allein die Bücher zu schreiben, die er in wenigen Jahren publiziert hat, wäre für andere weniger begnadete und arbeitswütige Autoren ein Vollzeit-Job gewesen. „EGO“ betitelt, war übrigens sein letztes nicht nur deshalb bemerkenswert, weil da einer, der fraglos selbst ein großes Ego hatte, auszog, um seine Mitmenschen vor dem grassierenden Egoismus der anderen zu warnen. Wohl doch eher fälschlicherweise schob Schirrmacher diesen Egoismus allerdings den Erfindern des „Homo oeconomicus“ und der Rational Choice-Theorie in die Schuhe – und wiederholte damit auf seine Weise den kapitalen Denkfehler von Karl Marx, die menschliche Natur lasse sich mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Theorie von Grund auf verändern.
Auch der Untertitel „Das Spiel des Lebens“ hat es in sich. Womöglich enthält er ja so etwas wie eine Vorahnung, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Denn Schirrmacher war fraglos einer, der so intensiv gelebt und gearbeitet hat, dass er damit seinen eigenen Körper überforderte. So hat er mit seinem eigenen Leben gespielt, und mit nur 54 Jahren dieses Spiel – für uns alle viel zu früh – verloren.
Eine Kurzfassung dieses Beitrags ist in der österreichischen Wochenzeitung „Die Furche“, Nr. 25/2014, erschienen.
Bildquelle: http://commons.wikimedia.org (Aufnahme aus dem Jahr 2007)
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