Letzte Inseln der Medienfreiheit

9. August 2016 • Internationales, Pressefreiheit • von

Die Spielräume für Journalisten und Medien in Russland werden immer kleiner. Schon seit Jahren ist die Übermacht der staatlichen Medien so groß, dass unabhängige Stimmen in der russischen Medienlandschaft eher ein Nischendasein führen.

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Es gibt noch ein paar wenige unabhängige Stimmen in der russischen Medienlandschaft – zu viel Dampf ablassen dürfen sie aber nicht.

Ihre Nutzerzahlen sind im Verhältnis zur Größe der riesigen Russischen Föderation mit rund 140 Millionen Einwohnern oft verschwindend gering. Während sich nahezu 90 Prozent der Bevölkerung vor allem über das Staatsfernsehen informieren, das selbst in den entlegensten Dörfern empfangen wird, sind die Auflagen der unabhängigen Hauptstadtzeitungen wie der Nowaja Gaseta (Neue Zeitung) oder der Wirtschaftszeitung Wedemosti (Der Anzeiger)  im Vergleich ebenso gering wie die niedrigen Klickzahlen unabhängiger Webseiten. Dennoch gibt es bislang in Russland immer noch unabhängige Journalisten und Medien, die allen Schwierigkeiten zum Trotz vor allem die Freiheit des Internets nutzen, um investigative Geschichten und informative Artikel zu publizieren.

Auch Tabuthemen, wie die verbreitete Korruption der Kremlriege oder örtlicher Funktionäre, bleiben eben so wenig ausgespart wie eine kritische Berichterstattung über Tschetschenien oder Russlands Verwicklung in den Ukraine-Krieg. Dieser scheinbare Widerspruch zwischen den sehr eingeschränkten Möglichkeiten des russischen Journalismus und dem mutigen Versuch einzelner Kollegen und Medien dennoch vorhandene Spielräume auszureizen, charakterisiert die Lage in Russland.

Oftmals scheint es, als seien diese verbliebenen Nischen, ob nun beim Medienunternehmen RosBusinesKonsulting (RBK), dem Radiosender Echo Moskwy (Echo Moskaus) oder der Kulturplattform Colta.ru wie ein Ventil, das die russische Regierung zulässt, so lange es nicht zu viel Dampf ablässt.

Medienunternehmen RBK mit neuer regierungsfreundlicher Leitung

Wie schnell allerdings die Willkür vorherrscht und kritische Medien unter Druck gesetzt werden, zeigte zuletzt das Vorgehen der Behörden gegen das Medienunternehmen RBK. Nachdem es im Mai 2016 zunächst zu Razzien und Ermittlungen kam, mussten die Chefredakteurin der Mediengruppe, Elisaweta Ossetinskaja, und der Chef der Informationsagentur RBK, Roman Badanin, sowie der Chefredakteur der gleichnamigen Tageszeitung, Maxim Soljus, ihre Posten räumen.

Der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow bestritt, dass es politischen Druck gegeben habe. Auch der Generaldirektor Nikolai Molibog teilte lediglich mit, man habe sich über Fragen der Weiterentwicklung von RBK nicht einigen können.

Aber in Moskauer Journalistenkreisen ist klar, dass hier wieder mal ein Zeichen gesetzt wurde. RBK hatte zu dem internationalen Verbund derjenigen Zeitungen gehört, die unter Federführung der Süddeutschen Zeitung weltweit über die Panama Papers berichtet hatten. Danach habe es massiven Druck auf die Redaktion gegeben. Bei den russischen Enthüllungen von RBK ging es unter anderem um die Offshore-Geschäfte des Cellisten Sergej Roldugin, der als enger Freund von Präsident Wladimir Putin gilt. Aber schon vorher hatten regierungskritische Veröffentlichungen von RBK für Ärger im Kreml gesorgt.

Das Medienunternehmen gehört dem Oligarchen Michail Prochorow und widmete sich neben einer kenntnisreichen Wirtschafts- und Finanzberichterstattung auch schwierigen politischen Themen. Das journalistische Ansehen speiste sich aus bemerkenswerten, mutigen Recherchen, die international Aufmerksamkeit fanden, sei es über gefallene russische Soldaten in der Ostukraine, Korruption in den Staatsbetrieben oder über die Familienverhältnisse des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Allein der Fernsehsender erreichte nach eigenen Angaben monatlich rund 20 Millionen Zuschauer und war deshalb noch ein vergleichsweise einflussreicher unabhängiger Player auf dem weitgehend gleichgeschalteten Medienmarkt.

RBK war auch zu einem Zufluchtsort für viele Kollegen geworden, die vorher bei anderen Medien arbeiteten und dort keine Zukunft für unabhängigen Journalismus mehr sahen. In der russischen Medienszene gab es in den letzten Jahren immer neue Einschränkungen, die das unabhängige russische Internetportal Meduza anlässlich des Vorgehens gegen RBK in einer eindrucksvollen Auflistung zusammenfasste. Die Redaktion von Meduza war selbst 2014 ins Exil nach Lettland gegangen, nachdem das Vorgängerportal lenta.ru in Russland nicht mehr weiter arbeiten konnte.

Ein solches Schicksal droht RBK jetzt nicht, aber unter der neuen Leitung herrschte sehr schnell ein ganz anderer regierungsfreundlicher Ton, wie bereits die ersten Äußerungen der neuen Redaktionsleiter verdeutlichten. Das von Riga aus operierende Internetportal Meduza veröffentlichte einen Mitschnitt ihrer ersten Redaktionsversammlung. Darin heißt es, dass im Journalismus bestimmte „Verkehrsregeln“ zu beachten seien und in Zukunft eine gewisse Redaktionslinie eingehalten werden müsse. Die gefeuerte Chefredakteurin Ossetinskaja kündigte an, bald wieder ein neues Medienprojekt starten zu wollen.

In einer vergleichbaren Liga unabhängiger Medien wie RBK spielen jetzt nur noch der zu Gasprom-Media gehörende liberale Radiosender Echo Moskwy und der TV-Kanal Doschd (Regen). Der unabhängige Fernsehsender hat allerdings massiv an Popularität und Reichweite eingebüßt, seit er nur noch als Abonnentenfernsehen im Internet empfangen werden kann. Die Redaktion erlebte 2015 eine regelrechte Welle staatlicher Inspektionen. Schon 2014 verlor der Sender sämtliche Zugänge zu Kabel- und Satellitenempfang, nachdem der Kreml die Betreiber unter Druck gesetzt hatte und eine regelrechte Kampagne gegen Doschd entfesselte. Der Sender stand dadurch kurz vor dem Aus.

Neues Gesetz begrenzt den erlaubten Anteil ausländischer Verleger an russischen Medien

Aber nicht immer setzt der Kreml auf solche Methoden, sondern häufig sind es neue Gesetze, die negative Folgen entfalten. Ausländische Investoren zogen sich zurück, seitdem ein neues Gesetz am 1. Januar 2016 in Kraft trat, das ausländische Anteile an russischen Medien auf maximal 20 Prozent beschränkt. Die russische Führung will auf diesem Weg die Unterstützung kremlkritischer Medien aus dem Ausland einschränken und begründet dies mit nationalen Sicherheitsinteressen. Es ist eine gezielte Strategie, um alternative Finanzierungswege für unabhängige Medien zu kontrollieren und auszutrocknen.

Der Axel Springer Konzern gab sein publizistisches Engagement in Russland deshalb im Herbst 2015 nach mehr als zehn Jahren auf. Damit verstummte durch den Besitzerwechsel die kritische Stimme des Wirtschaftsmagazins Forbes, das sich jahrelang mit unabhängiger  Politikberichterstattung profiliert hatte. Es sollte nun unter der neuen Führung des Geschäftsmanns Alexander Fedotow politische Themen aussparen. Als der neue Besitzer sich immer stärker in die Redaktionsarbeit einmischte, verließ Chefredakteur Elmar Murtazaew Anfang 2016 das Magazin aus „persönlichen Gründen“. Auch der finnische Konzern Sanoma trennte sich schon vorher von der englischsprachigen Moscow Times.

Die anhaltende Wirtschaftskrise in Russland verschärft zusätzlich die Lage. Es ist für Medien praktisch unmöglich geworden, sich noch alternative Einkommensquellen zu erschließen, die vom Staat unabhängig sind.

Die Nowaja Gaseta erlebt inzwischen ein ungeschriebenes Werbeverbot und findet kaum noch einheimische Anzeigenkunden.  Die Zeitung genießt wegen ihrer investigativen Berichterstattung weltweit hohes Ansehen. Acht Redaktionsmitglieder wurden wegen ihrer mutigen Berichterstattung ermordet, darunter 2006 die Reporterin Anna Politkowskaja. Der Chefredakteur der Nowaja Gaseta, Dmitrij Muratow,  kündigte wiederholt an, das Blatt müsse auf seine Printausgabe verzichten, weil nur noch das Erscheinen als Online-Medium zu finanzieren sei. Online-Medien, die wie das Kulturportal Colta.ru jahrelang erfolgreich von Crowdfunding lebten, klagen über den Rückgang der Spendenbereitschaft, weil ihren Lesern in der Wirtschaftskrise das Geld fehlt.

Dennoch finden sich vor allem im Internet immer wieder bemerkenswerte Veröffentlichungen. Als „Flaggschiff des investigativen Journalismus“ bezeichnete der frühere Doschd-Chefredakteur und Buchautor Michail Sygar den „Fond zur Korruptionsbekämpfung“des oppositionellen Juristen Alexej Nawalny, der längst vom wichtigen politischen Blogger zum Oppositionspolitiker mutiert ist. Seine Enthüllungsdokumentation „Tschaika“, in der er eindrucksvoll die mafiösen Geschäfte der weitverzweigten Familie des Generalstaatsanwalts Juri Tschaika schildert, erreichte nach Angaben von Sygar auf You Tube rund vier Millionen Zuschauer.

Kreml weitet Kommunikationsüberwachung immer weiter aus

Trotz einiger Einschränkungen war das russische Internet anders als in China bisher noch weitgehend frei und ermöglichte Nutzern, den Zugang zu Informationsquellen aus aller Welt.

Die Digitalisierung ist im Vergleich zu Deutschland in vielen Lebensbereichen viel weiter fortgeschnitten. Kostenloses Wlan in der Moskauer Metro ist ebenso selbstverständlich wie die alltägliche Nutzung vieler Dienstleistungen im Internet. In Russland gibt es mit der Suchmaschine Yandex oder dem sozialen Netzwerk VKontakty große, bedeutsame Internet-Firmen, die eine echte Alternative sind zu den international operierenden US-Giganten Google oder Facebook.

Allerdings gibt es schon seit den 1990er Jahren eine massive Kommunikationsüberwachung durch die Behörden. Wenige Monate vor den Wahlen zum russischen Parlament am 18. September 2016 ist die Sorge groß, dass die Regierung eine Kontrolle des Internet nach chinesischem Vorbild auf dessen Infrastruktur  ausweitet. Ende Juni 2016 verabschiedete das russische Parlament bereits eine Reihe von Gesetzen, die das Strafrecht verschärfen und die Massenüberwachung ausbauen. Offiziell gelten die Regelungen als Anti-Terror-Maßnahmen, lassen aber weitere Einschränkungen der Internetfreiheit zu. So werden beispielsweise russische Mobilfunkanbieter und Internetprovider dazu verpflichtet, Daten ihrer Nutzer zu speichern und dem russischen Geheimdienst Zugang zu gewähren. Vor der Abstimmung hatten die vier größten Mobilfunkanbieter ein Protestschreiben an den Föderationsrat verfasst und gefordert, das Gesetz nicht zu verabschieden.

Schon im September 2015 war ein vage formuliertes „Datenschutzgesetz“ in Kraft getreten. Es verlangt, Internetdaten russischer Bürger und auf Russisch verfasste Seite ausschließlich auf Servern in Russland zu speichern. Kritiker befürchteten gleich, dass der Kreml damit seinen Zugriff auf Netzinhalte ausweite und keineswegs die Internetdaten seiner Bürger schützen wolle. Schon bei dieser Regelung war umstritten, ob sie in der Praxis überhaupt umsetzbar ist. Facebook und Twitter haben ihre Server bislang nicht nach Russland verlegt und verstoßen damit eigentlich seither gegen russisches Recht.

Während diese Spielräume immer kleiner werden, scheint die Übermacht der staatlichen Medien zuzunehmen. In der AG Medien des Petersburger Dialogs –  einem deutsch-russischen Forum, das den Dialog der Zivilgesellschaften fördern soll – klagten russische Kollegen kürzlich offen über die geringen verbleibenden Spielräume für den Journalismus. Rund 87 Prozent der russischen Medienlandschaft werde inzwischen vom Staat geführt oder finanziert. Gerade für Journalisten und Medien in den Regionen abseits der Metropolen Moskau und St. Petersburg gebe es kaum noch Alternativen außerhalb des staatlichen Mediensystems. In der russischen Provinz sei Pressefreiheit oft nur dann noch zu erleben, wenn Bürgermeister und Gouverneur unterschiedliche Interessen verfolgen: „Wenn der Bürgermeister mit dem Gouverneur Streit bekommt, dürfen die Zeitungen des Gouverneurs alles über den Bürgermeister schreiben und die Zeitungen des Bürgermeisters alles über den Gouverneur – bis einer von beiden im Gefängnis sitzt“, charakterisierte ein Moskauer Journalist die Lage in vielen russischen Regionen.

Kremlpropaganda im Staatskanal Rossija 1

All das trägt dazu bei, dass das staatliche Fernsehen wichtigste Informationsquelle für die russischen Bürger bleibt. Dort wird zu wichtigen politischen Themen vor allem offene Staatspropaganda betrieben, die weit über das hinausreicht, was ältere Zuschauer noch aus der sowjetischen Ära kennen. Anders als damals die graue Sowjet-Ästhetik ist das russische Fernsehen heute hochmodern, technisch bestens ausgerüstet und setzt auf eine boulevardesk zugespitzte, skandalisierende Berichterstattung. Da gibt es Talkshows, in denen überwiegend geschrien statt diskutiert wird und Dokumentationen, beispielsweise aus dem Syrien-Krieg, die allein die Sicht von Assad-Unterstützern abbilden. Höhepunkte schlimmster Verzerrung der Wirklichkeit waren die Berichterstattung über die  Ukraine, aber auch über die Türkei, nachdem dort ein russisches Flugzeug abgeschossen wurde und das Verhältnis zeitweise völlig abkühlte.

Als zentrale Figur der Kremlpropaganda gilt der Journalist Dmitrij Kiseljow, der im Staatskanal Rossija 1 jeden Sonntagabend zur besten Sendezeit die populäre Sendung „Westi Nedeli“  (Nachrichten der Woche) moderiert.  Er ist seit Ende 2013 auch der Generaldirektor der Internationalen Russischen Nachrichtenagentur Rossija Segodnja ( Russland Heute), unter deren Dach die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti, der Radiosender Golos Rossiji (Stimme Russlands), der Auslandssender Rossija Segodnja und andere staatliche Medien gebündelt wurden. Kiseljow gilt selbst in russischen Journalistenkreisen als Prototyp eines „Informationskriegers“, der sich auch schon in einer seiner Sendung zu der Drohung verstieg, dass Russland das einzige Land sei, das die USA in radioaktiven Staub verwandeln könne.

Die Kontrolle der Massenmedien gehört zu den wichtigsten Instrumenten der Machtsicherung für Präsident Putin. Das war schon so, als er im Jahr 2000 in Russland an die Macht gelangte und bereits  in den ersten Jahren seiner Amtszeit den unterschiedlichen Oligarchen die Macht über die Medien entzog. Es dauerte damals nicht lange, bis Putin die wichtigsten Fernsehsender kontrollierte und seither seine Stellung als Präsident  und seine andauernde Popularität auch mit Hilfe dieser breiten Medienmacht sichert.

Dabei betreibt Putin einen medialen Personenkult, der ihn inzwischen zur alleinigen Ikone Russlands werden lässt. Dafür setzt sich der Staatschef gerne medienwirksam in Szene. Geradezu legendär sind inzwischen die Bilder von ihm, bei denen er Tiger jagt oder mit Kranichen über Sibirien fliegt. Es gibt zahlreiche Aufnahmen, auf denen er sich als starker Mann Russlands präsentiert. Diese mediale Selbstinszenierung zielt in erster Linie auf die russische Öffentlichkeit ab, kommt aber auch ausländischen Medien und deren Hang zur Personalisierung ihrer außenpolitischen Berichterstattung  entgegen. Es gibt eine regelrechte „Putinisierung“ der Berichterstattung vor allem im russischen TV, bei der ständig das Bild eines scheinbar omnipräsenten politischen Führers zu sehen ist.

Sehr beliebt sind dabei die immer gleichen Fernsehszenen, bei denen das Staatsoberhaupt im Kreml an einem riesigen Tisch sitzt und Funktionäre zum Bericht empfängt.  Er befiehlt ihnen, bestimmte Missstände abzustellen. Es wird auf diese Weise das Image eines „guten Zaren“ entworfen, der pausenlos für das Land tätig ist.

Einmal im Jahr stellt sich der Kremlherrscher in einer großen Fernsehshow live den Fragen russischer Bürger. Die Sendung dauert immer mehrere Stunden und aus dem ganzen riesigen Land melden sich per Telefon Fragesteller zu Wort. Wichtigstes Ziel scheint auch hier zu sein, einem Millionenpublikum den Eindruck zu vermitteln, als wisse der Präsident auf alle Fragen seiner Bürger eine Antwort.

Die nächsten Wochen bis zur Parlamentswahl werden ein erster Test dafür werden, ob die Übermacht des Fernsehens der Kremlriege immer noch ausreicht, um ihre Macht abzusichern oder ob auch die völlige Kontrolle des Internets der nächste Schritt sein wird, um unabhängige Journalisten, Oppositionelle und kritische Bürger noch besser in Schach zu halten.

Bildquelle: Arun kumar / Flickr CC: Crazy selfie; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

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One Response to Letzte Inseln der Medienfreiheit

  1. Leont sagt:

    Was für Mist schreibt ihr hier? Mit Kampfbegriffen: Kremelherr, Personenkult und anderes. Typisch Neuliberales Blödsinn. In Russland haben die Medien viel mehr Freiheit als im s.g. Westen.

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