In arabischen Ländern hat die akademische Journalistenausbildung in Sachen Datenjournalismus noch einiges aufzuholen. Nouha Belaid, Redakteurin des Arab Journalism Observatory (AJO), hat kürzlich ein Handbuch zum Thema mit praktischen Anweisungen für angehende Journalistinnen und Journalisten herausgegeben.
In einer Reihe von Ländern des Maghreb und des Nahen Ostens führte 2011 der Arabische Frühling zu einer neuen Ära der Transparenz, in der den Bürgerinnen und Bürger ein besserer Zugang zu Daten von Regierungsbörden ermöglicht wird.
Tunesien zum Beispiel wurde 2014 Mitglied der Organisation Open Government Partnership und verabschiedete 2016 ein Informationsfreiheitsgesetz.
Der politische und soziale Wandel in der arabischen Welt ging einher mit einer enormen Ausweitung des digitalen Informationsangebotes und der Schaffung entsprechender Technik, die es ermöglicht, auf diese Datenmengen zuzugreifen.
Neue Herausforderungen
So entstanden neue Herausforderungen für Journalistinnen und Journalisten, die nun neue Wege in Sachen Datenverarbeitung und publikumsgerechter Präsentation gehen müssen.
Arabische Investigativjournalisten begannen früh, mit den Möglichkeiten des Datenjournalismus’ zu experimentieren, um der Öffentlichkeit so auf neuem Wege Sachverhalte erklären zu können. Bald kamen auch erste Start-Ups auf, die sich auf diese Form des Journalismus spezialisierten: Die ägyptische InfoTimes wurde 2012 gegründet, gefolgt von der tunesischen Inkyfada im Jahr 2014 und Libanons Bayanat Box im Jahr 2017. Das Netzwerk Arabischer Datenjournalisten wurde 2018 auf einer Konferenz in Kairo offiziell gegründet.
In der Regel führten junge Journalistinnen und Journalisten diese Projekte an. Viele von ihnen hatten nicht nur eine journalistische Ausbildung, sondern auch einen Background in Wirtschaft und Datenanalyse.
NGOs an der Spitze
2017 fand der „Data Journalism Hackathon“ statt – für viele angehende Journalistinnen und Journalisten in Tunesien die erste Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im Bereich Datenjournalismus auszubauen. Die Veranstaltung wurde von NGOs wie der tunesischen E-Governance Society veranstaltet und von der Friedrich-Naumann-Stiftung finanziell unterstützt.
Während zivilgesellschaftliche Institutionen eine Führungsrolle in der Planung und Organisation solcher Veranstaltungen innehaben, hat die akademische Journalistenausbildung noch einiges aufzuholen. Vielen universitären Institutionen mangelt es an finanziellen Ressourcen und dem Personal, das gebraucht wird, um Datenjournalismus zu lehren.
Interviews, die ich mit Leiterinnen und Leiter datenjournalistischer Projekte und mit Journalismus-Professor*innen in Ländern des Maghreb Nahen Ostens (Ägypten, Tunesien, Libanon, Saudi Arabien, Marokko, Algerien und den Vereinigten Arabischen Emiraten) geführt habe, zeigen, worin die Kernherausforderungen des Datenjournalismus bestehen:
- unterentwickelte Infrastrukturen an Universitäten,
- ein Mangel an angemessener Software und
- qualifiziertem Lehrpersonal.
Mein kürzlich erschienenes Datenjournalismus-Handbuch (veröffentlicht mit der Unterstützung der tunesischen E-Governance Society und der Friedrich-Naumann-Stiftung) richtet sich an Journalismus-Studierende an Universitäten sowie Journalistinnen und Journalisten, die sich im Bereich Datenjournalismus fortbilden möchten.
Das Buch soll umfassende Informationen und praktische Anweisungen für Datenjournalisten geben:
- Wie werden Daten gesammelt?
- Wie können Daten verifiziert werden?
- Wie können Daten selektiert werden?
- Wie lassen sich Daten visualisieren?
- Was macht einen guten datenjournalistischen Beitrag aus?
Das Buch richtet sich speziell an arabische Journalistinnen und Journalisten und behandelt insbesondere den tunesischen Kontext. Beispielsweise skizziert es die Erfahrungen von einem der Gründer des tunesischen Datenjournalismus-Projekts Tunelyz, von einem Experten für Big Data und vom Leiter des tunesischen E-Government-Diensts.
Das Handbuch gibt Schritt-für-Schritt-Anweisungen für verschiedenste datenjournalistische Aufgaben und stellt eine Reihe von Übungen bereit, anhand derer die Leserinnen und Leser ihr neu erworbenes Wissen testen können.
Neben einer Liste nützlicher Online-Quellen gibt das Buch auch Tipps, wie man Infografiken erstellt und die optimale Darstellungsmethode auswählt.
Nouha Belaids Datenjournalismus-Handbuch (nur auf Arabisch erhältlich) kann über die Website der tunesischen E-Governance Society eingesehen werden.
Dieser Beitrag wurde auch auf der englischen EJO-Seite veröffentlicht.
Übersetzt aus dem Englischen von Roman Winkelhahn.
Bildquelle: piqsels / Creative Commons
Schlagwörter:Arabischer Frühling, Bayanat Box, Datenjournalismus, Friedrich-Naumann-Stiftung, InfoTimes, Inkyfada, MENA, Tunelyz, Tunesien