Medientransparenz gleich Fehlanzeige

23. August 2013 • Pressefreiheit • von

Die totale Unabhängigkeit der Medien in der Ukraine bleibt ein fernes Ziel, da sie noch immer Instrumente ihrer Besitzer sind, die gewöhnlich politische und wirtschaftliche Interessen haben.

Zu diesem Schluss kommen die Autoren des Berichts „Die ukrainische Medienlandschaft im Jahr 2012“, den die Akademie der ukrainischen Presse gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem ukrainischen Medienprogramm der U.S. Agency for International Development (USAID) herausgegeben hat.

Redaktionelle Unabhängigkeit werde durch finanzielle Schwierigkeiten, in denen die meisten Medien seit der Finanzkrise 2008 stecken, erschwert, heißt es. Die Berichterstattung über die Parlamentswahlen 2012 habe zudem gezeigt, dass ukrainische Medien nicht transparent arbeiteten. Mehrere körperliche Angriffe auf Journalisten sowie erhöhter Druck von Seiten der Finanzbehörden auf Medienunternehmen wiesen darauf hin, dass es um die Pressefreiheit in dem Land nicht gut stehe.

Zunächst zur Rolle der Medien im ukrainischen Rechtssystem: 2012 wurden viele Klagen gegen Journalisten und Medienunternehmen eingereicht, vor allem während des Wahlkampfs zu den Parlamentswahlen. Die meisten von ihnen stammten von Politikern der Opposition, die aufgrund des Drucks der Regierung auf die Medien ihr Wahlkampf-Material nicht darin veröffentlichen durften. Während des Wahlkampfs mussten viele Journalisten eine Beeinträchtigung ihrer journalistischen Arbeit hinnehmen: sie hatten nur begrenzten Zugang zu Treffen der Wahlkommissionen und Kandidaten.

Ein Gesetzesentwurf, der Verleumdung wieder strafbar machen sollte, wurde nur angesichts eines landesweiten Protests und eines internationalen Aufschreis wieder zurückgenommen. Dieser Straftatbestand war 2001 abgeschafft worden, da er zuvor die Pressefreiheit in der Ukraine enorm eingeschränkt hatte. Auch das neue Gesetz hätte sehr strenge Sanktionen gegen jeden vorgesehen, der „falsche Informationen vorsätzlich verbreitet, die Ehre und Würde einer Person verletzt oder deren Ruf schädigt.“

Es gab in der Ukraine aber auch positive Änderungen im Rechtssystem. So besteht seit der überarbeiteten Strafprozessordnung und dem revidierten Informationszugangsrecht ein besserer Quellenschutz.

Die Lage hat sich für Journalisten der verschiedenen Medienformen unterschiedlich entwickelt, wie der Bericht jeweils in gesonderten Passagen darlegt.

Fernsehen. Die Autoren des Berichts zeigen drei große Trends im ukrainischen Fernsehmarkt auf: die Entstehung von Nischenkanälen (etwa für Kinder), mehr Inhalte mit sozialem und gesellschaftlichen Bezug sowie Produktion und Verkauf von selbstproduzierten TV-Programmen.

Die ukrainischen Fernsehsender nehmen noch immer das meiste Geld über Werbung ein, erschließen sich aber langsam auch andere Einnahmequellen: SMS-Abstimmungen, versteckte Werbung in Fernsehsendungen und Sponsoring. Letzteres wird meist von den Unternehmen betrieben, die für ihre Produkte keine Werbung schalten dürfen, wie etwa im Fall von alkoholischen Getränken.

Die Inhalte der größten ukrainischen Fernsehsender sind unausgewogen und parteiisch. So zeigt eine Studie der Akademie der ukrainischen Presse, dass während des Wahlkampfs über Politiker der Regierung mehr als doppelt so viel berichtet wurde wie über Politiker der Opposition. Dieser Trend ist auf enge Verflechtungen zwischen den Besitzern der Fernsehsender und Politikern zurückzuführen, heißt es in dem Bericht.

Printmedien. Unterhaltungs-, Frauen- und Fernsehzeitschriften sind am beliebtesten unter ukrainischen Lesern. Tageszeitungen gibt es immer weniger, sie machen nur noch ein Prozent der Gesamtanzahl der ukrainischen Printmedien aus.

Der Online-Bereich hat auch in der Ukraine einen gewaltigen Einfluss auf die Printmedien. Einigen Printmedien ist es zwar gelungen, mit ihren Online-Plattformen mehr Leser anzulocken, aber andere standen dem wachsenden Wettbewerb hilflos gegenüber und mussten ihre Redaktionen schließen. In den Jahren 2011 und 2012 wurden in der Ukraine etwa 100 überregionale Publikationen eingestellt.

Auch ungünstige Marktkonditionen sowie der Druck von Medienbesitzern und Politikern üben einen negativen Einfluss auf die Situation der Presse aus. Bezahlte Berichterstattung ist bei ukrainischen Medien gang und gäbe, die Einnahmen für bezahlte Storys machen laut des Verbands der ukrainischen Verleger und laut des ukrainischen Werbebunds ein Viertel der gesamten Werbeerlöse in den Printmedien aus.

Internet und soziale Medien. Das Internet findet in der Ukraine immer mehr Anhänger. Am 1. Januar 2013 gab es 13 Prozent mehr ukrainische Websites als ein Jahr zuvor. 19,7 Millionen der Ukrainer haben Zugang zum Internet. In ländlichen Regionen hat sich 2012 die Zahl der Internetnutzer im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Das Internet ist in der Ukraine zu einer Kommunikationsplattform geworden, die im Gegensatz zu traditionellen Medien Redefreiheit gewährleisten kann, heißt es in dem Bericht. Es entstehen immer mehr Websites, auf denen Journalisten ihre Recherchen veröffentlichen und Fälle von Korruption enttarnen.

Immer mehr Redaktionen in der Ukraine experimentieren mit visuellem Datenjournalismus. Eines der ukrainischen Pionier-Projekte, Texty.org.ua, wurde in einem weltweiten Wettbewerb des britischen Guardian für seine datenjournalistische Berichterstattung ausgezeichnet. Trotz der rasanten Entwicklung des Internets in der Ukraine ist der Online-Medienmarkt noch nicht voll gesättigt, was Medien-Startups beste Voraussetzungen bietet.

Die Rolle von Nichtregierungsorganisationen im Medienbereich. Aufgrund der rasanten Online-Entwicklung bieten Medientrainings von NGOs in der Ukraine seit vergangenem Jahr verstärkt Kurse zu den Themen  Multimedia und Social Media an. Zudem wurden einige Medienprogramme eingeführt, die unabhängige und marktorientierte Medien fördern sollen, heißt es in dem Bericht. Die Vermittlung von professionellen journalistischen Standards steht bei den Medienprogrammen der NGOs weiterhin ganz oben auf der Agenda – wie der Bericht zeigt, gibt es in diesem Bereich noch viel zu tun.

Hier kann eine Zusammenfassung des Berichts auf Englisch heruntergeladen werden. Den kompletten Bericht auf Ukrainisch gibt es hier.

Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels

Original-Version auf Ukrainisch: “Український медіаландшафт-2012”: в Україні ще не сформовані умови для прозорої діяльності медіа

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