Medien als Propagandawaffe

17. Februar 2016 • Internationales, Pressefreiheit • von

In dem kürzlich erschienenen Bericht „Dschihad gegen Journalisten“ berichtet Reporter ohne Grenzen über die systematische Verfolgung kritischer Journalisten durch islamistische Gruppen und als Propagandawaffen missbrauchte Medien. Zudem wirft die NGO einen Blick auf die Berichterstattung aus dem Gebiet des so genannten Islamischen Staates (IS) und zeigt deren Grenzen auf.

DschihadEigene Fernseh- und Radiosender, das in mehrere Sprachen übersetzte Magazin Dabiq und die Verbreitung eines gewünschten Images über das Internet sowie Bedrohungen, Entführungen und brutale Hinrichtungen: Um seine Ideologien zu verbreiten, nutzt der selbsternannte Islamische Staat (IS) ein umfassendes System aus Propaganda und Zensur einerseits, Einschüchterung und Ermordung kritischer Journalisten andererseits.

Im Gegensatz zu traditionellen Diktatoren und autoritären Regimen, die kritische Journalisten als lästige Zeugen betrachten, die mundtot gemacht werden müssten, würden Dschihadisten Journalisten offen als militärisches Ziel bezeichnen, welches es zu eliminieren gilt, heißt es in dem Bericht. Androhungen und Abschusslisten, verkündet in eigenen Publikationen wie dem englischsprachigen Magazin Inspire, gelten demnach nicht nur politischen Führern, sondern auch einzelnen Medienpersönlichkeiten und gesamten Redaktionen.

„Ein kritischer Artikel ist eine Kriegshandlung“, wird Romain Caillet, Dschihadismus-Experte und früherer Dozent am French Institut for the Near East, in dem Bericht „Jihad Against Journalists“ zitiert, den die NGO Reporter ohne Grenzen im Januar, kurz vor dem ersten Jahrestag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo, veröffentlichte. Opfer dieser Weltsicht seien (lokale) Journalisten, die von IS-Kämpfern überwacht, eingeschüchtert, verfolgt und umgebracht werden. So seien nach der Eroberung von Mosul im Juni 2014 48 Medienschaffende entführt und mindestens 13 von ihnen ermordet worden.

Große Aufmerksamkeit in den westlichen Medien fanden die zu Propagandazwecken inszenierten Geiselnahmen und Hinrichtungen ausländischer Journalisten, wie der beiden Amerikaner James Fley und Steven Sotloff sowie des Japaners Kenji Goto – ein großes Geschäftsfeld, dessen Erlöse eine wichtige Finanzquelle für die Extremisten sei. Je nach Nationalität könnte sich das Lösegeld für einen ausländischen Journalisten auf bis zu 10 Millionen US-Dollar belaufen.

Streben nach totaler Kontrolle

Der Bericht betont, dass die Enthauptungsvideos zwar ein Markenzeichen des IS geworden, aber nicht von ihm erfunden worden seien. Grausames Vorbild sei Al Qaida, die mit der Enthauptung des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl 2002 in Pakistan einen Präzedenzfall für diese Gräueltaten geschaffen hatten. Nach und nach seien Osama Bin Ladens lange und vergleichsweise harmlosen Ansprachen durch kürzere, aber deutlich gewaltvollere Youtube-Videos ersetzt worden.

Reporter ohne Grenzen macht zudem auf das Streben des IS nach totaler Informationskontrolle aufmerksam: Mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems der Medienlenkung wollen die IS-Emire Informationen verwalten und Wort für Wort kontrollieren, was die Medien berichten. Dafür wurden im Oktober 2014 beispielsweise die „11 Gebote für die Journalisten von Deir Ezzor“ veröffentlicht, die unter anderem ein Verbot der Berichterstattung in bestimmten Zonen und die absolute Kontrolle journalistischer Arbeit als auch deren sozialen Netzwerke beinhalten.

Darüberhinaus betreibe der IS ein umfangreiches eigenes Mediensystem: Fünf Fernsehstationen und das Al Bayan Radio in Mosul (Irak), zwei weitere TV-Stationen in Raqqa (Syrien) sowie das in mehreren Sprachen veröffentlichte Magazin Dabiq. Über allem stehe aber das Internet. Über hunderte Websites und zehntausende Social Media Accounts könnten die PR-Kampagnen des IS leicht und schnell verbreiten werden – und damit ein islamisches Utopia inszenieren, Angst verbreiten und neue Kämpfer anwerben.

Grenzen der Berichterstattung

Reporter ohne Grenzen geht auch der Frage nach, inwiefern eine objektive Berichterstattung aus dem Gebiet überhaupt möglich ist. Es wird von Medyan Dairieh berichtet, der für das Online-Magazin Vice News als erster westlicher Journalist drei Wochen lang Mitglieder des Islamischen Staats begleitete, und vom deutschen Autor Jürgen Todenhöfer, dem die Freundschaft mit zwei deutschen Dschihadisten die Einreise in das IS-Gebiet erlaubte und seine Sicherheit während der Recherchen garantierte.

Dieser „embedded journalism“ sei zwar eine Möglichkeit, überhaupt über das IS-beherrschte Gebiet berichten zu können. Die Schattenseiten dieser Art des Journalismus verschweigt der Bericht verschweigt dennoch nicht: Stets von Jihad-Kämpfern begleitet, bestehe die Gefahr, die Balance einer ausgewogenen Berichterstattung zu verlieren und als IS-Sprachrohr missbraucht zu werden.

 

Bildquelle: Wikimedia Commons

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