Die Veröffentlichung der Bilder des getöteten libyschen Diktaktors Gaddafi hat europaweit zu einer medienethischen Kontroverse geführt.
Eine Studie analysiert, wie Schweizer Medien im Rahmen der Gaddafi-Berichterstattung mit Bild- und Videomaterial umgegangen sind und inwiefern sie dabei medienethische Grenzen überschritten haben.
Der Screenshot des Handy-Videos eines AFP-Fotografen ging in Sekundenschnelle um die Welt. Zu sehen war darauf die Leiche des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi. Während einige Medien die Publikation des Bildes aus ethischen Gründen ablehnten, rechtfertigten andere die Veröffentlichung mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Dokumentation eines „historischen Ereignisses“.
Der Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich hat rund 40 Medientitel aus Print, Online und TV der deutschen, französischen und italienischen Schweiz daraufhin untersucht, mit welchen Darstellungstechniken das jeweilige Medium den Tod Gaddafis visualisiert und inwieweit es dabei gegen ethische Richtlinien verstoßen hat.
Das Forscherteam hat insgesamt 365 Beiträge analysiert und mit Negativpunkten bewertet. Als ethisch unproblematisch wurde ein Beitrag gesehen, wenn die Todesbilder Gaddafis gar nicht oder nur einmalig am ersten Tag – aus Gründen der Dokumentation eines „historischen Ereignisses“ – verwendet wurden, jedoch nicht auf der Titel- oder Startseite (kein Negativpunkt). Als ethisch problematisch galt die Berichterstattung, wenn diese auch an den Folgetagen Bilder der Leiche veröffentlichten (ein Negativpunkt). Als stark unethisch wurden Beiträge bewertet, die die Bilder als Aufmacher zeigten (zwei Negativpunkte).
Der Studie zufolge haben die Online-Medien am wenigsten Rücksicht auf ethische Prinzipien genommen. Sie weisen im Rating durchschnittlich 6,7 Negativpunkte pro Titel auf. Das Fernsehen folgt mit 3,1 Negativpunkten, die Presse mit 1,5 Negativpunkten.
Das der Boulevard-Zeitung Blick zugehörige Online-Nachrichtenangebot Blick.ch hat dabei mit 19 Negativpunkten am stärksten medienethische Grenzen überschritten. Die Medienwissenschaftler des fög stuften die wiederholte Darstellung der Bilder, die prominente Platzierung von Bildstrecken und die häufige Verwendung von Amateur-Videos, die das Sterben Gaddafis zeigten, infolgedessen als „stark unethisch“ ein.
Weitere Titel, die mit der Veröffentlichung der Fotos und ihrer Berichterstattung gegen ethische Prinzipien verstoßen haben, waren die Newssites tagesanzeiger.ch, bazonline.ch und bernerzeitung.ch (je 12 Negativpunkte) – damit geraten auch die Webangebote renommierter Zeitungen in die Kritik.
Eine ethisch unproblematische Berichterstattung im Fall Gaddafi dagegen haben Südostschweiz, suedostschweiz.ch, die Neue Luzerner Zeitung, Le Temps, 20 minutes, Basler Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung und die Nachrichtensendung von Tele Ticino verfolgt – sie haben gänzlich auf die Veröffentlichung von Gaddafis Leiche verzichtet und stattdessen alte Archivbilder Gaddafis oder andere Fotos zum Thema wie zum Beispiel jubelnde Rebellen auf einem Panzer verwendet.
Weitere Informationen zur Studie „Ghaddhafi-Bilder in Schweizer Medien – Wie viel ist zu viel“ auf der Website des fög
Schlagwörter:Bilder, Blick, Blick.ch, Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich, Gaddafi, Ghaddhafi-Bilder in Schweizer Medien – Wie viel ist zu viel, Libyen, Schweiz