Ombudsleute haben als Vermittler zwischen Lesern und Medien eine wichtige Funktion. Trotzdem sparen sich viele US-Medien inzwischen die Leseranwälte ein.
Der Spiegel soll einen bekommen und liegt damit in Europa im Trend. Bei der Bild gibt es ihn bereits. Die New York Times und die Washington Post haben ihn dagegen wegrationalisiert: den Medien-Ombudsmann, wahlweise auch den Leseranwalt oder Public Editor.
Gedacht ist er als Vermittlungsinstanz zwischen einem Medienunternehmen und Berichterstattungs-Opfern. Er geht Beschwerden nach, klärt Missstände auf und arbeitet dabei unabhängig von der Redaktion. Und er äußert sich öffentlich, zumeist in einer regelmäßig publizierten Kolumne, zu seiner Arbeit – weshalb es, das ist zumindest bei der New York Times überliefert, auch mal heftig Zoff geben konnte zwischen ihm und der Chefredaktion.
Andererseits gibt es, wenn der Ombudsmann persönliches Ansehen in der Journalistenzunft genießt, kaum eine Instanz, die jeweils an konkreten Fallbeispielen verlässlicher und authentischer über Entwicklungen und Fehlentwicklungen im Journalismus aufklären könnte. Große Redaktionen, denen es ernst ist mit ihrem Qualitätsanspruch und mit dem Anliegen, für den Journalismus Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, brauchen eigentlich solch ein „Aushängeschild“ zur Introspektion. Denn Chefredakteure, die glauben, sie hätten genug Zeit für angemessenes Beschwerdemanagement, werden schnell Opfer von Kontrollillusion.
Rund drei Dutzend Ombudsleute eingespart
In den USA wurden in den letzten Jahren rund drei Dutzend Ombudsleute eingespart. Vielleicht ja gerade deswegen hat die weltweite Organization of News Ombudsmen (ONO) kürzlich in New York getagt. Die Fachzeitschrift Columbia Journalism Review nutzte diese Gelegenheit, ein wenig aufmerksamkeitsheischend für die New York Times, die Washington Post sowie für die Nachrichtensender CNN und MSNBC neue Ombudsleute zu berufen. Sie sollen künftig die Berichterstattung dieser Medien kritisch begleiten. Genau besehen, ist das eine Mogelpackung, weil nur das jeweilige Medium selbst einen Ombudsmann installieren kann, der auch von der eigenen Redaktion als Vermittlungsinstanz akzeptiert wird und das Recht hat, hausintern zu recherchieren. Aber ein Signal, dass dem Journalismus mehr professionelle, unabhängige Medienkritik guttäte, ist es allemal.
Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 30. Juni 2019
Bildquelle: pixabay.de
Schlagwörter:Leseranwalt, New York Times, Ombudsleute, Organization of News Ombudsmen (ONO), Public Editor, USA, Washington Post