Freie Journalisten: Flexibel und unterbezahlt

22. März 2018 • Qualität & Ethik • von

„Die Zukunft ist frei“, verkündete der Berufsverband für freie Journalistinnen und Journalisten „Freischreiber“ im Jahr 2017. Medienunternehmen lagern in Zeiten des zunehmenden ökonomischen Drucks den Journalismus gerne aus – freie Journalisten kosten weniger und sind flexibler zu kündigen. Zugleich stellt sich die Frage, ob mit der „Unverbindlichkeit“, dem Arbeitsalltag außerhalb der Redaktion und den nicht-journalistischen Nebentätigkeiten der Freiberufler eine Deprofessionalisierung des Journalismus einhergehen könnte.

In Deutschland sind 122.500 Journalisten haupt-oder nebenberuflich als freie Journalisten tätig. Nina Steindl, Corinna Lauerer und Thomas Hanitzsch von der Ludwig-Maximilians-Universität München haben 2017 für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) anhand von Daten aus der zweiten Welle der World of Journalism Study untersucht, wer freiberuflich arbeitet, wie das freie Arbeitsverhältnis organisiert ist und welches Rollenverständnis vorherrscht. In Telefon- und Onlineinterviews wurden 775 hauptberufliche Journalisten, darunter 137 freie Journalisten in ganz Deutschland befragt.

Wer?

Der hauptberufliche freie Journalist ist offenbar auf dem Rückzug: während es 1993 noch 18.000 waren, hat sich die Zahl bis 2017 um fast die Hälfte auf 9.600 reduziert. Der Verdienst reicht oftmals nicht aus, um die Existenz zu sichern, sodass Tätigkeiten in der PR oder Unternehmenskommunikation hinzukommen.

Der typische deutsche Freiberufler im Journalismus ist aktuell zwischen 23 und 71 Jahre alt, männlich (58,8%) und verfügt über etwa 18 Jahre Berufserfahrung.

Unter freien Journalisten sind 82% Akademiker (zum Vergleich: Bei den Festangestellten sind es 74,1%), von denen 38,8% Journalismus oder einen medien- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Studiengang absolviert haben.

Knapp ein Drittel der freiberuflichen Journalisten gilt mit unter 1800 Euro Verdienst pro Monat als Geringverdiener. Bei den Festangestellten ist es nur ein Sechstel.

Wie?

Zu den freien Journalisten zählen auch solche, die monatlich pauschal bezahlt werden. Dies trifft aber nur auf eine Minderheit von rund 10% zu, während freie Mitarbeiter und feste Freie (die ein regelmäßiges Einkommen von ihrem Auftraggeber bekommen) sich mit 45,3% bzw. 46% die Waage halten. Nur die allerwenigsten der freien Journalisten haben Führungsfunktionen (3,7 %).

Freie Journalisten sind vor allem beim Radio (35,8%), bei Zeitschriften (31,4%), beim Fernsehen (23,4%) und bei Online-Medien (Online-Ableger: 27,7%; selbstständige Online-Medien: 12,4%) beschäftigt. Oft arbeiten sie für mehrere Medien gleichzeitig. Die meisten (54%) arbeiten für mehr als zwei Redaktionen.

32,6% haben außerdem einen Nebenverdienst außerhalb des Journalismus – ihr Anteil ist in den vergangenen 20 Jahren um 6% gestiegen. Dies könnte darauf hinweisen, dass die wirtschaftliche Situation der Freiberufler prekärer geworden ist.

Als Vorteil wird hingegen oft die größere Selbstständigkeit und Autonomie genannt. Daher überrascht, dass laut der Studie freie Journalisten sich in der Auswahl ihrer Themen und der Darstellungsweise weniger frei fühlen (68,1 bzw. 72%) als ihre Kollegen mit Festvertrag (75,3 bzw. knapp 84%). Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Freie stärker darauf angewiesen sind, sich nach den Wünschen und Vorgaben (potenzieller) Auftraggeber zu richten.

In welcher Rolle?

Beim beruflichen Selbstverständnis zeigt sich, dass es durchaus Unterschiede zwischen freien und festangestellten Journalisten gibt. So gaben von den Festangestellten mehr als die Hälfte an, mit ihrem Journalismus Unterhaltung und Entspannung bieten zu wollen; nur rund ein Drittel der Freien nannte dies als wichtige Aufgabe. Dieses Ergebnis sei „durchaus beachtlich“, schreiben die Autoren, da die Unterhaltungs- und Ratgeberrolle in der Wahrnehmung deutscher Journalisten insgesamt seit 1993 durchweg wichtiger geworden sei.

Die neutrale Vermittlerrolle ist aber weiterhin für beide Gruppen von zentraler Bedeutung. Bei den freien Journalisten finden die Aussagen „Dinge so berichten, wie sie sind“, „das aktuelle Geschehen einordnen und analysieren“ und „ein unparteiischer Beobachter sein“, die größte Zustimmung mit jeweils über 80%. Bei den festangestellten Journalisten sind es lediglich ein paar Prozentpunkte mehr.

Die Ergebnisse zeigen, heißt es in der Studie, dass die freien Journalisten in Deutschland zunehmend hoch gebildet sind und große Stücke auf die Rolle des klassischen Informationsjournalismus halten. Eine Deprofessionalisierung belegt die Studie daher nicht. Sie umfasst allerdings nicht die große Zahl der Nebenberuflichen, die die Mehrheit der freien Journalisten ausmachen. Ob die Beeinflussung durch andere Tätigkeiten, zum Beispiel in der PR, ihre journalistische Selbstwahrnehmung verändern, bleibt noch zu untersuchen. Ebenso stellt sich die Frage, aus welchen Gründen Journalisten überhaupt freiberuflich arbeiten.

Die Studie wurde in „Journalistik. Journal für Journalismusforschung“ veröffentlicht.

Bildquelle: International Transport Forum / Flickr CC: Journalists questioning the panel; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

 

 

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