Kleiner Markt, viele Probleme

6. Februar 2012 • Qualität & Ethik • von

Obwohl Serbien gerade einmal sieben Millionen Einwohner hat, gibt es dort immerhin 610 Printmedien und 456 elektronische Medienplattformen.

Der Mangel an transparenten Besitzverhältnissen, der Mangel an Freiheit und die Einmischung der Regierung in die verschiedenen Pressekanäle sind nur einige Probleme der serbischen Medienlandschaft.

Der Markt

Die Presse: Eines der größten Probleme, dem die inländische Presse gegenüber steht, ist die gewaltige Konkurrenz: Angaben der ‚Serbian Business Registers Agency‘ zufolge existieren 610 Pressekanäle, darunter  20 Tageszeitungen und 83 wöchentlich erscheinende Zeitschriften. Die meisten werden landesweit verbreitet. Laut der ‚Unabhängigen Journalistenvereinigung Serbiens‘ (NUNS) haben Werbekunden 2009 36 Millionen Euro in Printmedien investiert. Im Durchschnitt sind dies 72.000 Euro für jedes Printmedium, was bedeutet, dass sie alle von jeweils 6.000 Euro monatlich überleben mussten. Obwohl Presseerzeugnisse mehr als die Hälfte der Medienunternehmen des Landes ausmachen, erhalten sie nur 22 Prozent des in Medien investierten Geldes, da Unternehmer lieber ins Fernsehen investieren. Der Internationalen Fernsehexperten Gruppe zufolge war Serbien vor drei Jahren Weltmeister im Fernsehgucken, weil der durchschnittliche serbische Bürger 302 Minuten, d.h. mehr als fünf Stunden, täglich Fernsehen schaut (zum Vergleich: der durchschnittliche US-Bürger guckt 298 Minuten am Tag). Wenn man außerdem berücksichtigt, dass nur sieben Prozent der Internetnutzer die Online-Ausgaben der Printmedien lesen, wird deutlich, dass der Pressemarkt um sein Überleben kämpft.

Elektronische Pressekanäle: Laut Zahlen der Republic Broadcasting Agency hat Serbien 134 registrierte Fernsehsender (sechs mit landesweiter Berichterstattung und 30 regionale sowie 98 lokale Sender) und 322 Radiosender (fünf landesweite, eine provinzielle, 48 regionale und 268 lokale). Es gibt zwei öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten: die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Serbiens (Radio-televizija Srbije/Radio-Television Serbia – RTS) mit zwei Fernseh- und drei Radiosendern und die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt von Vojvodina (Radio–televizija Vojvodine/Radio-Television Vojvodina – RTV) mit zwei Fernseh- und drei Radiosendern. Momentan ist die Digitalisierung der TV-Programme eine der größten Herausforderungen. Der Übergang von analog auf digital, der ursprünglich für den 4. April 2012 angesetzt war, wird nun erst teilweise ab Ende 2012 umgesetzt werden können. Der ganze Prozess soll spätestens bis zum 17. Juni 2015 abgeschlossen sein.

Das Internet: Angaben der Republikanischen Statistik Agentur zufolge verfügen 41,2 Prozent der serbischen Haushalte über einen Internetanschluss; 42,2 Prozent der Bevölkerung haben das Internet in den letzten drei Monaten genutzt; über 1.900.000 Bürger nutzen es täglich oder fast täglich; und 53 Prozent haben es noch nie genutzt. 91,8 Prozent der Bevölkerung im Alter von 16 bis 24 Jahre nutzen soziale Netzwerke, was höher ist als in fast allen anderen Länder. Das weltweit beliebteste soziale Netzwerk Facebook hat über 3.120.000 serbische Profile (Quelle: Socialbakers).

Journalistenverbände: Es gibt zwei journalistische Verbände in Serbien: Den Journalistenverband Serbiens / Udruzenje novinara Srbije (UNS), der 1981 gegründet wurde und etwa 6.000 Mitglieder hat und die Unabhängige Journalistenvereinigung Serbiens  / Nezavisno udruzenje novinara Srbije (NUNS), die 1994 von Journalisten gegründet wurde, die mit der UNS unzufrieden waren, und rund 3.300 Mitglieder hat. Seit ihrer Aufspaltung gibt es ständig Konflikte zwischen den beiden Verbänden, was die Solidarität unter den Journalisten in Mitleidenschaft zieht. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass der Presserat erst seit September 2011 aktiv ist.

Der Besitz

Ein deutlicher Mangel an Transparenz und Staatseigentum sind die Merkmale der Besitzstrukturen der serbischen Medien. Dem Staat gehört die Nachrichtenagentur Tanjug und er hat Besitzanteile an der Tageszeitung Vecernje novosti, der ältesten Zeitung des Balkans, sowie an Politika und an Dnevnik aus Novi Sad. Die Nachrichtenagenturen Beta, FoNet und Infobiro sind in Privatbesitz. Zurzeit gibt es fünf Sender mit überregionalen Frequenzen: TV Avala, TV B92, TV Prva, TV Pink und TV Happy sowie zwei Kanäle, die zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören (RTS1 und RTS2). Die TV-Programme Pink und Happy sind die einzigen überregionalen Sender, die juristischen Personen gehören. Einem Bericht des Anti-Korruptions-Rats zufolge gab es zwischen 2008 und 2010 unter den 30 bedeutendsten Pressekanälen (zwölf Tageszeitungen, sieben Wochenzeitschriften, sechs TV-Sendern und fünf Radiosendern) 18 Unternehmen, deren tatsächliche Besitzer unbekannt waren.

Diese Offshore-Gesellschaften sollen oft die wirklichen Besitzverhältnisse verbergen. TV Prva, RTV B92, Radio Index und Printmedien wie Vecernje novosti und Press gehören Unternehmen, die in Zypern gemeldet sind, während TV Avala und Standard unbekannten Besitzern in Österreich gehören, berichtet der Anti-Korruptions-Rat.

Blic, die Zeitung mit der höchsten Auflage, und Nedeljne informativne novine (NIN), die älteste Wochenzeitschrift, gehören dem Ringier Axel Springer Verlag. Abgesehen von Blic und NIN gibt Ringier noch zwei Tageszeitungen, ein Wochenmagazin und eine große Anzahl an fachlichen Publikationen heraus.

Ausbildung

Die zukünftigen Journalisten werden in Serbien in mehreren öffentlichen und privaten Einrichtungen ausgebildet. Der älteste Lehrstuhl, an dem angehende Journalisten unterrichtet werden, ist die Fakultät für Politikwissenschaften in Belgrad, die 1968 gegründet wurde. Journalismus wird außerdem an den Philosophischen Fakultäten in Novi Sad und Nis gelehrt. Auch die Fakultät für Medien und Kommunikation (Singidunum Universität), die Fakultät für Kultur und Medien (Megatrend Universität), die Fakultät für Sozialwissenschaften Novi Pazar und die Kunstakademie in Belgrad bieten Studiengänge im Bereich der Medien an. Sportjournalismuskurse werden an der Sportfakultät in Belgrad gelehrt.

Ergebnissen einer Untersuchung des Medienzentrums der Fakultät für Politikwissenschaften in Belgrad zufolge haben die meisten Journalisten ein hohes Bildungsniveau erreicht. 2011 hatten demnach 73 Prozent der Journalisten einen Hochschulabschluss, der Rest hatte  Abitur. 2002 verfügten 56 Prozent der Journalisten über einen Universitätsabschluss.

Zusammenfassung

Während der Rest der Welt über die Zukunft des Journalistenberufs und dessen Veränderungen aufgrund neuer Technologien diskutiert, sind serbische Journalisten zunehmend wegen der unbefriedigenden finanziellen Situation und der unzureichenden Würdigung ihrer Arbeit besorgt. Im unterentwickelten serbischen Markt erzielt die Sensationsmacherei seit längerem die besten Ergebnisse und weil sie unter einem zusehends schärferen Konkurrenzdruck stehen, haben viele Medien umfassende Recherchen fast komplett abgeschafft. Daher ist es nicht verwunderlich, dass minderwertiger Journalismus und Boulevardjournalismus dominieren.

Besonders lokale Medien befinden sich in schwierigen Positionen, weil ihr Überleben oft von kommunalen, mächtigen Personen abhängt, welche Druck auf sie ausüben. In einer solchen Situation fällt Journalisten die Berichterstattung schwer und es ist für die Leser schwierig, oder sogar unmöglich, Informationen richtig einzuschätzen. Zudem bieten immer mehr Journalistenschulen den Studenten, die sich noch keine angemessenen ethischen und professionellen Standards  angeeignet haben, nur eine schnelle und oberflächliche Ausbildung, was die Bemühungen, diesen Beruf auf eine höhere Ebene zu bringen, weiter behindert. Der Kampf ums Überleben ist  die Hauptherausforderung für serbische Medien, aber nicht die einzige, die sie sich in den nächsten Jahren stellen müssen.

Übersetzt aus dem Englischen von Miryam Nadkarni

 

 

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