Eine Studie zeigt, welchen Einfluss kollaborativer investigativer Journalismus auf korrupte Regierungen von Entwicklungsländern wie Pakistan haben kann.
Als das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) – ein globales Netzwerk von mehr als 200 investigativen Journalisten aus rund 70 Ländern – im April 2016 die Panama Papers über weltweite Steuerflucht und Geldwäsche mit Briefkastenfirmen veröffentlichte, war nicht abzusehen, dass dies auch zum Untergang einer mächtigen politischen Dynastie in einem der korruptesten Länder der Welt führen würde: Pakistan.
Durch die Panama Papers war bekannt geworden, dass der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif und seine Familie Immobilienbesitz im Ausland verschleiert hatten. Die Dokumente zu den Offshore-Firmen zeigten zwar nicht den Namen von Sharif, dafür aber die Namen von zwei seiner Kinder.
An den Panama Papers war kein einziges pakistanisches Medienunternehmen beteiligt gewesen, dennoch berichteten pakistanische Medien intensiv über die Vorwürfe gegen Sharif und seine Familie wegen Geldwäsche und Korruption und auch in den sozialen Medien des Landes wurde das Thema viel diskutiert. Es kam zu Massendemonstrationen und Rücktrittsaufforderungen, bis im Juli 2017 Sharif tatsächlich seines Amtes enthoben, kurze Zeit später wegen mutmaßlicher Korruption angeklagt und Anfang Juli dieses Jahres zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Auch seine Tochter Maryam, deren Namen in den Panama Papers auftauchte und die als politische Erbin Sharifs galt, muss für sieben Jahre ins Gefängnis.
Die Verurteilungen haben große Auswirkungen auf die politische Landschaft Pakistans. Sie haben das Image der Familie Sharif beschädigt und stellen die Zukunft ihrer Partei, der Muslimliga Nawaz Sharifs (PML-N) in Frage. Zudem demonstrieren sie, welchen Einfluss kollaborativer investigativer Journalismus auf korrupte Regierungen von Entwicklungsländern haben kann.
Befragung von 40 pakistanischen Journalisten zu kollaborativem Journalism
Der Autor hat 40 Journalisten der wichtigsten pakistanischen Print- und Online-Medien zwischen Juli 2017 und Juli 2018 zu ihren Ansichten über globalen kollaborativen Journalismus befragt. Im Fokus standen die vom ICIJ aufgedeckten Panama Papers und die Frage, welche Auswirkungen der globale kollaborative Journalismus auf Entwicklungsländer wie Pakistan haben kann.
Wie die Ergebnisse der quantitativen Befragung zeigten, hielten mehr als 80% der Journalisten die Panama Papers-Recherchen der ICIJ-Journalisten für glaubwürdiger als bisherige investigative Beiträge der pakistanischen Medien zu Fällen von Wirtschaftskriminalität der pakistanischen Eliten. Ein Großteil der Befragten (95%) führt dies auf den gigantischen Umfang der Panama Papers zurück: Sie umfassten 11,5 Millionen geleakte Dokumente, die detaillierte Informationen zu rund 215.000 Offshore-Firmen enthielten.
In Pakistan wurden auch schon in der Vergangenheit zahlreiche Politiker, Verwaltungsbeamte und Geschäftsleute unter dem Vorwurf der Korruption festgenommen, vor allem dann, wenn das Militär regierte. Das Militär hat sich in Pakistan immer wieder an die Macht geputscht – zuletzt von 1999 bis 2008 – und oftmals Antikorruptionsgesetze missbraucht, um zivile politische Gegner loszuwerden.
Deshalb hat die Berichterstattung der pakistanischen Medien über hochkarätige Korruptionsfälle stets den Verdacht entstehen lassen, es ginge um eine politische Maßregelung der Gegner im Spannungsfeld der zivil-militärischen Beziehungen. Ihnen wurde auch vorgeworfen, parteilich und subjektiv zu berichten. Auch heute noch leiden die pakistanischen Medien unter einem Glaubwürdigkeitsmangel, wenn sie über Korruptionsfälle berichten, obwohl der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International Pakistan in den vergangenen zehn Jahren immer wieder zu den korruptesten Ländern der Welt gezählt hat.
Die meisten der befragten Journalisten (90%) gaben an, dass sie sich bei der Berichterstattung über die Panama Papers sicherer gefühlt hatten bei ihrer eigenen investigativen Berichterstattung, selbst wenn sie sie in einen lokalen Kontext einordneten. Sie sagten, sie hätten keine Angst gehabt, dass lokale Medien- und Verleumdungsgesetze gegen sie verwendet werden könnten, da die Panama Papers von einem Konsortium ausländischer Journalisten aufgedeckt worden seien.
Die in den Panama Papers genannten pakistanischen Eliten hatten wiederholt behauptet, die globalen Leaks seien nur eine Verschwörungstheorie. Sharifs Tochter Maryam Nawaz hatte im Mai 2017 getwittert, dass es bei den Panama Papers „nie um Korruption gegangen” sei. Bastian Obermayer, der Journalist, der bei der Süddeutschen Zeitung als erster die Panama Papers von einer anonymen Quelle erhalten hatte, antwortete ihr in einem Tweet: „Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber in den Pamama Papers geht es um Korruption.“
Sorry to tell you: #panamapapers ARE about #corruption. We found an astonishing number of corruption cases in the documents – and all real. https://t.co/iC6zpoG4DU
— Bastian Obermayer (@b_obermayer) May 2, 2017
Maryam Nawaz behauptete auch, dass die Journalisten, die die Panama Papers aufgedeckt hatten, mit ihren pakistanischen Kollegen in Verbindung stünden und dass es traurig sei, dass auch lokale Journalisten Teil der Verschwörung gegen Pakistan geworden seien.
Im Rahmen der Studie wurden die pakistanischen Journalisten auch gefragt, ob der Tweet von Bastian Obermayer und die Haltung der ICIJ-Mitglieder sie in ihrer Arbeit ermutigt hätte. Ein Großteil – 95% – bejahte dies.
Eine ähnlich hohe Anzahl von Journalisten sprach sich dafür aus, den kollaborativen Journalismus auf globaler Ebene weiter voranzutreiben, da er die Chance biete, auch in Entwicklungsländern wie Pakistan Fälle von Wirtschaftskriminalität und Korruption aufzudecken. Zugleich war ihnen aber auch bewusst, dass nicht kollaborativer investigativer Journalismus allein über das Schicksal der korrupten Politiker in Pakistan entscheiden werde, sondern dass die politischen Begebenheiten, allen voran die zivil-militärische Spaltung im Land, weiterhin ein große Rolle spielen würden.
Die quantitative Befragung der pakistanischen Journalisten ist Teil einer größeren Mixed-Methods-Studie zu den Auswirkungen der Panama Papers und kollaborativem Journalismus in Pakistan, an der der Autor zurzeit arbeitet.
Bildquelle: Number 10 / Flickr CC: PM of Pakistan visits Downing Street; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/
Schlagwörter:Bastian Obermayer, International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), Korruption, Maryam Nawaz, Nawaz Sharif, Pakistan, Panama Papers, Premierminister, Transparency International