Transparency Russland ist Teil der internationalen Nichtregierungsorganisation Transparency International, die in Russland seit mehreren Jahren unter Beobachtung steht. 2015 wurde sie von der Regierung als „ausländischer Agent“ und seit 2023 als „unerwünschte Organisation“ eingestuft. Als „ausländischer Agent“ benannt wurde auch Geschäftsführer Ilya Shumanov. 2022 musste sein Team das Land verlassen – doch auch im Exil geht die Arbeit weiter. In einem Interview mit dem European Journalism Observatory spricht er darüber, wie sich die Arbeit, die Themen und die Strategien von Transparency Russia seit Beginn des Krieges in der Ukraine verändert haben und wie die Organisation weiterhin investigative Recherchen an die Öffentlichkeit bringt. Shumanov hat vor kurzem auch das investigative Projekt Arctida gegründet, das sich mit der Transparenz in der arktischen Region beschäftigt.
JM: Könnten Sie bitte beschreiben, was Ihre Arbeit ausgemacht hat, bevor Sie das Land verlassen haben?
I.S.: Wir wurden 2015 als ausländischer Agent eingestuft, als eine der ersten gemeinnützigen Organisationen. Und ich glaube, dass wir vor 2022 bereits auf der schwarzen Liste der russischen Behörden standen. Schon vor Beginn des Krieges konnten wir unsere Interessen gegenüber der Regierung kaum noch vertreten. Wir wurden zu öffentlichen Sitzungen und Gremien der Regierung nicht einmal eingeladen. Es gab eine offizielle Beschränkung für russische Regierungsvertreter und Beamte, den Kontakt mit uns zu vermeiden, weil wir als „Feind“ galten. Stattdessen hatten wir bis Anfang 2022 mehrere digitale Plattformen, die es den Menschen ermöglichten, Big Data oder Algorithmen zu nutzen, um sich an der öffentlichen, nichtstaatlichen Kontrolle von Amtsträgern durch öffentliche Erklärungen zu beteiligen. Zum Beispiel durch die Offenlegung ihres Einkommens. Sie konnten auch die Hilfe unserer Anwälte in Anspruch zu nehmen, die sie vor Gericht bei Korruptionsbeschwerden gegen die lokalen Behörden unterstützen. Und wir haben viel auf dem Gebiet der Bildung und Aufklärung getan. Wir hatten mehrere Plattformen und Kooperationen, um in Zusammenarbeit mit Interessengruppen wie Studenten, Bürgeraktivisten, lokale Basisinitiativen, Vertretern und Fachleuten Korruption zu bekämpfen.
Ein einzigartiges Merkmal, das nicht jeder Ableger von Transparency International hat, ist die investigative Berichterstattung. Wir haben investigativen Journalismus über komplizierte Systeme der Geldwäsche, grenzüberschreitende Korruption, illegale Finanzströme und so weiter betrieben.
Wie hat sich das geändert, als der Druck auf Transparency Russia zunahm?
Nach 2021 wurde uns klar, dass mit dieser Regierung gar nicht mehr zusammenarbeiten konnten. Wir verlagerten unsere Tätigkeit auf die Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung und mit Unternehmen. Die Wirtschaft ist offener für Veränderungen, insbesondere diejenigen, die 2021 versucht haben, die Sanktionen der US-Behörden zu umgehen. Einige der Unternehmen würden sich gerne von der Regierung distanzieren. Sie versuchen, die globalen Antikorruptions-vorschriften einzuhalten und Aktivitäten durchzuführen, die ihnen die Chance geben, nicht auf den Schwarzen Listen der der EU oder der USA zu landen..
Wir müssen eine Menge Ressourcen, Zeit und Kapazitäten aufwenden, um nicht stillgelegt zu werden. Die Menschen sterben jetzt, heute, sie starben gestern, und sie werden vielleicht morgen sterben, so dass es schwieriger ist, die russische Gesellschaft und alle Beteiligten für das Thema Korruption zu interessieren.
Wie organisieren Sie Ihre Arbeit im Exil?
Der Umzugsprozess ist eine große Sache. Wenn man versucht, als Einzelperson umzusiedeln, ist das eine Sache – wenn man versucht, das Team umzusiedeln, mit den Familienmitgliedern, mit den Hunden, den Kindern, ist das in der Tat ein Albtraum. Es gibt viele Probleme mit dem Wohnen; die tägliche Arbeit vor Ort besteht darin, Bankkonten zu eröffnen, Bußgelder in Russland zu vermeiden, Steuern zu zahlen, und so weiter und so fort. Diese Tätigkeiten nehmen unsere Zeit in Anspruch, die wir eigentlich für die Korruptionsbekämpfung aufwenden sollten. Außerdem stehen wir vor Herausforderungen im Zusammenhang mit einigen Teammitgliedern, die nicht in der Lage waren, umzuziehen. Wir müssen neue Teammitglieder finden und lernen, wie wir unsere Motivation trotz der Schwierigkeiten aufrecht erhalten können.
“Der Umsiedelungsprozess ist eine große Sache (…) Diese Tätigkeiten nehmen unsere Zeit in Anspruch, die wir für die Korruptionsbekämpfung verwenden sollten.“
Das nächste Problem war die Einstufung als unerwünschte Organisation in diesem Frühjahr. Dieser Status bedeutet, dass alles, was wir in den letzten Jahren in Russland aufgebaut haben, aufgegeben werden sollte. Wenn nicht, wird es rechtliche Konsequenzen geben, wie strafrechtliche Verfolgung, Klagen, Geldstrafen. Seit September 2023 ist der Status als unerwünschte Organisation allerdings aufgehoben, weil wir in Russland nicht mehr als legale Einheit gemeldet sind. Es kommen dennoch immer wieder neue Herausforderungen: eine, eine zweite, eine dritte, noch eine. Und es ist noch nicht das Ende, nehme ich an. Russland hat immer noch Atombomben, ich weiß es nicht, ich will nicht pessimistisch sein. Aber in der Tat könnte es viele dramatische Entwicklungen der aktuellen Situation geben.
Dies ist einer der Gründe, warum Ihr Team ins Exil gehen musste, um weiterarbeiten zu können. Aber das Exil hat Ihre Situation dramatisch verändert. Können Sie uns etwas über Ihre heutige Arbeit erzählen? Wie erhalten Sie zum Beispiel Zugang zu Quellen und Informationen?
COVID-19 war eine Gelegenheit, uns zu lehren, wie man aus der Distanz arbeitet. Ich glaube, dass wir in diesen zwei Jahren COVID-Pandemie einen Weg gefunden haben, wie wir miteinander kommunizieren können, wenn wir nicht im Büro sind, und wie wir uns gegenseitig unterstützen können. Wie wir mit empfindlichen Dingen wie dem persönlichen Raum, den persönlichen Situationen der Menschen in einem Team besser umgehen können. Wie man einen sicheren Raum schaffen kann, indem man Cyber-Technologien und so weiter einsetzt. Ich vermute, dass die Folgen dramatischer wären, wenn der Krieg ohne dieses Wissen, ohne diese Fähigkeit und das Verständnis für die Arbeit auf Distanz begonnen hätte.
Um noch einmal auf die Quellen zurückzukommen. Müssen Sie jetzt Ihre gesamte Datenerfassung online durchführen? Haben Sie noch Leute vor Ort?
Ja, einerseits ist es unmöglich, die Arbeit fortzusetzen, ohne vor Ort zu sein. Aber wir haben einen großen Teil unserer Arbeit digitalisiert. Plattformen, digitale Daten, die von unserem Team genutzt werden, und die Arbeit aus der Ferne, um sicherer und relevanter zu sein. Das Wichtigste in unserem Team ist die Nutzung öffentlicher Informationsquellen wie Open-Source-Intelligence-Tools, um Daten zu sammeln. Wir haben Big-Data-Analytiker in unserem Team, Programmierer und IT-Spezialisten, die zum Beispiel mit Hilfe von KI Daten sammeln können.
Und natürlich haben wir immer noch einige wichtige Leute vor Ort, die uns helfen. Menschen in verschiedenen Regionen Russlands mit unterschiedlichen Hintergründen. Im Jahr 2021 begannen wir, unsere Community aufzubauen, und es gab viele Offline-Veranstaltungen. Sogar während des Krieges, im Jahr 2022, habe ich eine Reihe von Reisen durch Russland unternommen, von Kaliningrad bis Wladiwostok. Ich habe die Menschen vor Ort besucht, um die Atmosphäre in den Regionen zu verstehen, den Kontext, mit dem sie konfrontiert sind, und auch versucht, Veranstaltungen durchzuführen, um Daten und Quellen zu sammeln. Einige unserer Projekte werden in Russland immer noch fortgeführt, allerdings unter einem anderen Namen. Es heißt nicht mehr Transparency International Russland, um Risiken zu vermeiden.
Ist es für Sie eher ein Vorteil oder ein Nachteil, Teil einer sehr großen und bekannten internationalen Organisation zu sein? Beobachtet das Regime sie dadurch noch strenger, oder schützt es Sie in irgendeiner Weise, dass Sie diese Verbindungen und einen großen Namen hinter sich haben?
Das kommt auf den Einzelfall an. Es ist schwieriger, mit Journalisten in Kontakt zu treten, weil wir jetzt ohne unseren „Markennamen“ vor Ort agieren. Andererseits ist es einfacher, mit Aktivisten und Basisinitiativen zusammenzuarbeiten, die nicht als ausländische Agenten oder unerwünschte Organisationen gelten. Aber die Sicherheit ist die große Herausforderung. Natürlich denken wir darüber nach. Wir kappen unsere Verbindungen zu einigen Leuten, die kein Risiko eingehen wollen. Das ist auch eine Art, das Risiko zu managen, denn nicht jeder möchte mit uns in Kontakt bleiben.
Kann Transparency International Sie in dieser Situation unterstützen?
Ja, wir haben die volle Unterstützung der Transparency International-Bewegung. Es war der erste Fall überhaupt, in dem eine Regierung beschlossen hat, Transparency des Landes zu verweisen. Ich denke, die Organisation ist sich darüber im Klaren, dass diese Herausforderungen in den nächsten Jahren noch viel größer werden. Es ist nicht nur Russland, das in den Händen von Diktatoren ist. Vielleicht die Hälfte aller Länder weltweit hat Anzeichen von Diktatur oder autoritären Regimen. Das bedeutet, dass wir flexibler sein und versuchen müssen, eine Lösung für diese Herausforderungen zu finden, indem wir außerhalb des jeweiligen Landes arbeiten, aus der Distanz. Aber wenn man Leistung bringt und noch relevant ist, ist es natürlich einfach, dieses Team zu retten. Man kann es weiterführen und dann von Grund auf neu aufbauen – sagen wir, zehn Jahre nach dem Tod von Putin, zum Beispiel.
Was ist Ihr Publikum jetzt, ist es eher außerhalb oder innerhalb Russlands?
Wir arbeiten immer noch für die Menschen in Russland. Natürlich ist es schwieriger, bestimmte Informationen zu liefern. Wir wissen zum Beispiel, dass viele kein VPN benutzen. Und wir versuchen, auf diese Herausforderung zu reagieren, indem wir soziale Medien, Partnerschaften, Einkaufs- und Marketingmöglichkeiten nutzen. Erst vor ein paar Monaten haben wir einige Anti-Korruptionskampagnen in Russland durchgeführt, ohne sie als Transparency International zu kennzeichnen. Und natürlich haben wir an unserer Strategie gearbeitet, schon seit 2021. Die digitalen Plattformen waren die Antwort, der Königsweg für unsere Frage, was die nächste Transformation von Transparency International sein wird. Dennoch haben wir einige Projekte mit lokalen Gemeinschaften und lokalen Aktivisten und sogar unabhängigen Politikern in Russland, die offline arbeiten und versuchen, ihre Arbeit fortzusetzen. Natürlich gibt es in Russland überhaupt keine Demokratie. Aber es gibt immer noch kleine Initiativgruppen, die sich für die Korruptionsbekämpfung einsetzen wollen.
Es gibt also eine starke Zivilgesellschaft, von der sich Teile weiterhin wehren.
Natürlich ist es für diejenigen, die nicht Teil der russischen Zivilgesellschaft sind, schwer zu erklären, aber es gibt immer noch viele Projekte, sogar Anti-Kriegs-Aktivisten, zivilgesellschaftliche Projekte – vielleicht nicht so aggressiv, wie wir sie gerne sehen würden, aber es gibt sie noch. Einige der Organisationen versuchen, sich aus dem Exil heraus neu zu formieren. Andere Organisationen mussten jedoch wegen des Krieges aufgeben.
Es gibt keine Möglichkeit, in Russland mit dem Status als ausländischer Agent oder unerwünschte Organisation weiterzuarbeiten, weil man dann strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt ist.
Vor ein paar Tagen wurde Grigori Melkonjanz, einer der Leiter von Golos, verhaftet. Jetzt sitzt er wegen seiner Tätigkeit als Wahlbeobachter in der Haftanstalt. Es handelt sich dabei um unsere Partner, unsere Freunde im Bereich der Wahlbeobachtung, die bisher ihre Arbeit persönlich vor Ort und nicht digital fortgesetzt haben.
Wie haben sich angesichts solcher Risiken und neuer Beschränkungen neben der Digitalisierung auch Ihre Inhalte verändert?
Geschäftliche Integrität ist für Russland im Moment nicht das relevante Thema. So etwas wie geschäftliche Integrität gibt es überhaupt nicht mehr, denn jede zweite Organisation hat in irgendeiner Weise mit Sanktionen zu tun. Es ist ein Minenfeld für alle, die jetzt mit russischen Unternehmen sprechen wollen. Wir konzentrieren unsere Arbeit auf die Sanktionen. Dabei treten wir nicht für die Sanktionen ein, sondern versuchen, denjenigen, die aktuelle Informationen wünschen, zu erklären, wie die Sanktionen funktionieren und wie sich die illegalen Geldströme seit Beginn des Krieges verändert haben. Wir beobachten die Entwicklung neuer Themen wie Kryptowährung und wie russische Behörden, Kriminelle und Kleptokraten Krypto-Zahlungssysteme in Europa und dem Vereinigten Königreich nutzen, um Sanktionen zu umgehen. So können sie ihr schmutziges Geld außerhalb Russlands transferieren und ihre kriminellen Aktivitäten fortsetzen.
Außerdem versuchen wir, einige noch unbeantwortete Fragen über den Tod der Top-Manager der Öl- und Gasunternehmen zu beantworten. Wir haben in der Novaya Gazeta Europa eine neue Untersuchung über den Zusammenhang zwischen dem Tod von Topmanagern der Gazprom und der Geldwäsche veröffentlicht, und warum diese Dinge miteinander verbunden sind. Außerdem versuchen wir herauszufinden, wie die russischen Behörden einige Privatunternehmen verstaatlicht haben. Wir haben eine Liste von 25 großen Unternehmen in Russland, die von den russischen Behörden inoffiziell verstaatlicht wurden. Nicht auf die Art, wie es mit den Unternehmen Danone und Carlsberg passiert ist, sondern durch die Staatsanwaltschaft und durch Gerichtsverfahren. Noch in diesem Jahr werden wir außerdem einen Bericht über den Zusammenhang zwischen Krieg und Korruption veröffentlichen, darüber, wie der Krieg die Korruption beeinflusst hat und wie die Korruption den Krieg beeinflusst hat.
Wie hat sich die internationale Aufmerksamkeit für die Arbeit der russischen Sektion von Transparency International entwickelt?
Es gibt eine große Nachfrage nach unserer Expertise von Transparency International Gruppen aus der ganzen Welt. Zum Beispiel aus dem Vereinigten Königreich, der Tschechischen Republik, einigen afrikanischen Ländern, Australien und Südasien. Es gibt viele Chapter, mit denen wir in Kontakt stehen und zusammenzuarbeiten versuchen, z. B. beim Aufspüren von Vermögenswerten oder durch die Bereitstellung von Fachwissen. Ich habe eine Anfrage von den Kollegen aus dem Vereinigten Königreich über einen russischen Oligarchen, der im Vereinigten Königreich Vermögen besitzt. Sie bitten uns um zusätzliche Informationen darüber, wer diese Leute sind, wer zum Beispiel die Söhne des Oligarchen sind.
Dieses Beispiel zeigt, in welchem Maße Ihre Arbeit derzeit ein globales Thema ist. Auch einzelne Personen, wie Sie selbst, wurden als ausländische Agenten bezeichnet. Inwieweit kann Ihre Arbeit im Exil sicher sein, egal wo?
Sehen Sie, ich bin in den 1980er Jahren in Russland aufgewachsen, es war kein sehr sicherer Ort und keine sichere Zeit, damals. Einige Herausforderungen, die man durchlebt, helfen einem auch dabei, die richtige Verfassung zu entwickeln, um für alle Herausforderungen gewappnet zu sein. In der Tat, die Einstufung als unerwünschte Organisation und die Einstufung als ausländischer Agent ist ein Einschnitt, weil einige Russen aufgrund dieses Status beschlossen haben, mich von ihren Medien, ihrem Geschäft, ihrer Gesellschaft und ihrer Gemeinschaft auszuschließen, wegen unbekannter Risiken. Denn es ist nicht bekannt, was morgen sein wird, wie die Regierung auf gemeinsame Unternehmungen mit uns, Finanztransfers oder unsere Teilnahme an Veranstaltungen reagieren wird. Wir haben einige Fälle erlebt, in denen die Regierung Gesetze rückwirkend angewendet hat. Ich wurde zum Beispiel aufgrund einer Transaktion aus dem Ausland, die im Jahr 2019 stattfand, als ausländischer Agent benannt – also bevor dies eine Rechtswidrigkeit darstellte. Denn 2019 gab es noch keine Beschränkungen für Überweisungen aus dem Ausland an russische Bürgeraktivisten oder gemeinnützige Vertreter. Aber sie beschlossen, dieses Gesetz rückwirkend anzuwenden.
“Das Hauptproblem und die Hauptfrage für mich ist, wie die anderen Regierungen auf Russen mit diesem Status reagieren.”
Ich sehe eine ganze Reihe verschiedener Ansätze: Die baltischen Staaten zeigen, dass sie keine Russen willkommen heißen, weder Regierungskritiker noch gemeinnützige Organisationen oder Einzelpersonen. Aus meiner persönlichen Sicht ist es eine der größten Herausforderungen, wenn man versucht, die Demokratie zu fördern und für die Menschenrechte in Russland und gegen Korruption zu kämpfen, aber kein Visum für ein Treffen in Brüssel erhält. Für viele Russen, die sich außerhalb Russlands aufhalten, ist das ein Albtraum. Für diejenigen, die sich noch in Russland aufhalten, ist es wiederum ein Albtraum, auf legalem Wege Geld zu erhalten.
Teils sieht es nach Heuchelei aus: Auf der einen Seite versucht man in Europa, die Zivilgesellschaft zu unterstützen, fordert die Einhaltung der Menschenrechte, unterstützt Initiativen und so weiter. Und auf der anderen Seite können Sie Leute wegen ihres russischen Passes aus dem Flugzeug werfen, selbst solche, die in Russland als ausländische Agenten eingestuft sind. Man kann Russland aus dem Swift, aus Netflix, von polnischen Würstchen und so weiter ausschließen. Aber der Ehemann der estnischen Premierministerin nutzt sein Logistikunternehmen für den Transport von Ladungen aus Russland. Und die Familienmitglieder russischer Oligarchen und Beamter genießen immer noch die italienischen Weinberge und Zypern. Sie können es auf ihren Instagram-Konten sehen.
Manchmal erfahre ich die größte Unterstützung von Einzelpersonen oder Regierungsvertretern aus der Europäischen Union und bestimmten Ländern, die Verständnis für unsere Aktivitäten haben. Andere verdammen ohne Differenz alles, was aus Russland kommt. Selbst während des Zweiten Weltkriegs gab es in Deutschland eine antifaschistische Bewegung. Menschen starben wegen ihrer persönlichen Einstellung zum Faschismus. Und es gibt immer noch viele Russen, die die demokratischen Werte verteidigen, sich gegen den Krieg in Russland und für die Menschenrechte einsetzen – also dieselben Werte, auf denen die Europäische Union basiert. Wenn die europäischen Regierungen und Bürger sie nicht unterstützen, wird es so etwas wie eine russische Zivilgesellschaft nicht mehr geben, und wir werden die Beziehungen von Grund auf neu aufbauen müssen. Ohne eine zivilgesellschaftliche Organisation wird das viel schwieriger und teurer werden.
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