Der Pad der Hoffnung

6. Februar 2010 • Medienökonomie • von

Erstveröffentlichung: Weltwoche 05/10

Vor ein paar Monaten haben wir uns einen Kindle von Amazon zugelegt. Seitdem lesen wir Bücher nur noch elektronisch. Das ist nicht nur bequemer, sondern auch billiger. Der Download des neuen T. C. Boyle oder des neuen Dan Brown kostet zehn bis fünfzehn Franken weniger als das gedruckte und versandte Buch.

Es ist zu erwarten, dass Bücher in Zukunft noch mehr auf E-Readern konsumiert werden, zumindest jene Bücher, die man nicht zur Wohnungsdekoration braucht. Seit Steve Jobs letzte Woche den iPad von Apple vorstellte, ist das zur Gewissheit geworden. Interessanter ist die Frage, ob auch Zeitungen und Zeitschriften auf E-Reader wandern. Viele Verleger glauben das. Sie betrachten Steve Jobs darum als Messias. Sein iPad soll ihnen helfen, endlich Umsätze mit digitalen Blättern zu generieren.

Wir sind da etwas skeptischer. Die Presse hat im Vergleich zu Büchern eine deutlich schlechtere Zukunftsperspektive. Wir können das nochmals am iPad-Vorgänger Kindle demonstrieren. Man kann darauf Dutzende Zeitungen von Le Monde bis Frankfurter Allgemeine downloaden. Das kostet zwei Franken. Wir haben aber noch nie ein Blatt heruntergeladen. Le Monde und die FAZ gibt es im Netz sowieso gratis warum also zahlen? Niemand tut das. Auf der Liste der meistgenutzten Kindle-Angebote liegt Le Monde darum auf Rang 73 000. Die FAZ liegt auf Rang 74 000.

Weltweite Gratiskultur

Bücher kosten digital zumindest etwas, Zeitungen nicht. Die Verlage müssten also erst ihre weltweite Gratiskultur beenden. Doch das werden sie nicht tun, weil ihre Kunden das nicht akzeptieren. Die Folge wäre ein Zusammenbruch ihres Traffics im Internet und parallel dazu ein Zusammenbruch der Werbung auf ihren Zeitungs-Sites.

Wir kommen damit zu Apple, dem grössten Player auf dem Markt. Das Unternehmen hat eben den höchsten Quartalsgewinn aller Zeiten vermeldet, 3,4 Milliarden Dollar. Die Gewinnexplosion kommt aber nicht daher, so müssen wir unseren Verlegern sagen, weil Steve Jobs eine Mutter Teresa des Kapitalismus ist. Im Gegenteil. Apple gehört zu den brutalsten Unternehmen der Welt, wenn es darum geht, die eigenen Lieferanten fertigzumachen. Apple hat das exemplarisch mit seinen iTunes gezeigt, mit denen es den internationalen Musikmarkt dominiert. Apple setzt eigene Regeln zum Kopierschutz durch. Apple diktiert die Preise. Die Musik-Downloads kosten oft weniger als die Hälfte der CDs im Laden. Plattenfirmen wie Universal und EMI können sich nicht weigern, hier mitzumachen. Sonst fliegen sie bei iTunes raus. Dann können sie gleich den Grabstein bestellen.

Bei Zeitungen und Zeitschriften wird es vermutlich genauso sein. Apple stellt mit dem iPad nicht einfach eine neutrale E-Plattform zur Verfügung. Apple wird Auswahl, Verbreitung, Inkasso und Preispolitik der Medieninhalte selber übernehmen. Die Kundendaten werden, wie schon bei iTunes, Apple und nicht den Verlagen gehören. Wenn die Verlage sich den Konditionen nicht beugen, dann fliegen sie raus und können den Grabstein bestellen.

Ein gedrucktes Jahresabonnement der Neuen Zürcher Zeitung kostet heute 512 Franken. Das elektronische Abo kostet 368 Franken. Teure 368 Franken wird Apple kaum akzeptieren, weil Apple Umsatz will. Die Preise müssen also runter, und auf den gesenkten Preisen nimmt Apple dann dreissig Prozent Kommission. Die Margen erodieren damit für immer so viel zum Hoffnungsträger iPad.

Wenn uns die Verlage nicht glauben, sollen sie sich bei den bisherigen Opfern erkundigen. Die Telefonnummer von Universal Music ist 001 212 841 8000.

Bildquelle: Ed Yourdon / Flickr CC

 

Schlagwörter:, , ,

1 Responses to Der Pad der Hoffnung

  1. Keine schlechte Analyse. Ich hätte allerdings zwei, drei Punkte, die ich gerne zu Bedenken geben würde:

    (1) Universal Music und andere Player der Musikbranche sind IMHO keine “Opfer”, zumindest keine Opfer von Firmen wie Apple und anderen sondern wenn überhaupt “Opfer” der technologischen Weiterentwicklung und der Fehler ihres Managements Anfang der 2000er Jahre. Tatsächlich haben die Musikproduzenten und -Verleger schlicht und einfach die Chance verpasst, legale Download-Plattformen zu errichten, die auch nur annähernd so komfortabel in der Handhabung waren wie iTunes/iPod. Davon hat sie keiner mit Gewalt (physisch oder wirtschaftlich) abgehalten.

    Sie waren der Ansicht, sich gegen den Online-Verkauf zu für den Verbraucher akzeptablen Konditionen wehren und ihre alten Preisstrukturen mit harten DRM-Verfahren verteidigen zu können. Das war ein Irrtum: ein absehbarer.

    2.) Weder Apple noch Amazon eifern Mutter Theresa nach, weil es beide Firmen dann aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr gäbe. 🙂 Apple (genau wie Amazon) hat NULL interesse daran, Lieferanten “fertigzumachen”. Apple und Amazon produzieren nahezu keinerlei eigenen Content und sind deshalb auf Lieferanten angewiesen. Beide Unternehmen verfolgen aber aus kapitalistischem Eigeninteresse eine klare (und einfache) Preispolitik. Tatsächlich ist diese Preispolitik mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ein wichtiger Erfolgsfaktor beider Plattformen.

    3.) Das Zeitungen auf dem Kindle kein roaring success sind, verwundert nicht. Dazu tragen zwei Faktoren bei: Der Kindle ist kein wirklich gutes Gerät zur Darstellung moderner Zeitungen (die schon lange nicht mehr nur aus schwarzer Schrift auf weißen Papier bestehen – anders als Romane). Die Attraktivität von digitalen Zeitungen und Zeitschriften wird mit Geräten wie iPad und künftigen Kindles steigen. Und solange Zeitungen sich in erster Linie als News-Schleudern verstehen haben sie keine Überlebenschance. News wird es tatsächlich auf absehbare Zeit zuviel “for free” geben, als das hier große Chancen für Bezahlmodelle bestehen. Das war aber nicht immer die Hauptfunktion von Zeitungen und muss es nicht auf immer bleiben. 🙂

    4.) Bei allem Groll auf die Gate-Keeper Apple (und Amazon, das in diesem Bereich exakt das selbe Geschäftsmodell verfolgt 😉 sollte man bitte nicht vergessen, dass ohne diese “Aggregatoren” das Online-Geschäft für die Verleger nahezu unmöglich wäre. Wer will schon seine Musik, seine Bücher (oder Zeitungen) bei Hunderten von Verlagen kaufen? Es gibt Aktivitäten der Zeitungsverleger, eigene Plattformen dieser Art zu errichten (ich weiß von Projekten in den USA und D). Diesen sei ein großer Erfolg gewünscht, denn der Oligopolistischen Strukturen entgegenwirken würde.

    Ich hoffe nur sehr, dass die Verleger die iTunes-Lehre verstanden haben: so eine Plattform wird nur dann ein Erfolg, wenn Nutzen und Bequemlichkeit für den Verbraucher/Leser im Vordergrund stehen. Wenn diese Faktoren stimmen, sind Verbraucher durchaus bereit zu zahlen – nur nicht jeden Preis.

Schreibe einen Kommentar

Send this to a friend