Die Berichterstattung über Banken verhält sich prozyklisch: Die Medien dramatisieren in der Wirtschaftsberichterstattung in guten wie in schlechten Zeiten – und tragen so ihr Scherflein zur Verstärkung von Stimmungen und Konjunkturschwankungen bei.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Myriam Vosseberg an der Universität Mainz erarbeitet hat.
Ende November 2006 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung über die damaligen wirtschaftlichen Aussichten der Deutschen Bank und hob dabei besonders positive Zahlen und Prognosen hervor – etwa eine erwartete Eigenkapitalrendite von 27 Prozent. Der Vorstandsvorsitzende Ackermann habe „geliefert“, heißt es in dem Artikel – obwohl es im gleichen Beitrag auch um den mit hohen Kosten beendeten Mannesmann-Prozess ging. Als knapp vier Jahre später neue, eigentlich sehr positive Ergebnisse der Bank der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sind sie einem Artikel des Manager Magazins zufolge allenfalls „solide“.
In ihrer Magisterarbeit mit dem Titel „Paradigmenwechsel der Wirtschaftsberichterstattung?“ hat Vosseberg die Berichterstattung in der Wirtschaftspresse und den Wirtschaftsressorts mehrerer Zeitungen vor und während der Finanzkrise verglichen. Dabei fand sie heraus, dass insbesondere Wirtschaftsteile der Qualitätszeitungen im Jahr 2010 die Risiken, aber auch die Chancen von Investitionen und Geschäftsentscheidungen häufiger thematisierten als drei Jahre zuvor. Die Berichterstattung über die reinen Geschäftszahlen, insbesondere die Eigenkapitalrendite, ging zur selben Zeit stark zurück: Ging es 2007 noch in insgesamt 52 Prozent der Beiträge zumindest überwiegend um das Geschäftsergebnis, waren es drei Jahre später nur noch 37 Prozent.
Die Beurteilung der Banken verschlechterte sich außerdem medienübergreifend: Vor der Krise wurden die Banken in 25 Prozent der Artikel negativ beurteilt, danach in 55 Prozent. „Die Berichterstattung über die hohen Boni der Bankmanager hielt sich aber in Grenzen“, stellte die Forscherin fest. Sie vermutet, dass die Diskussionen um dieses Thema vor allem in anderen Ressorts, etwa dem Nachrichten- oder Politikteil, stattfanden, die nicht Teil ihrer Untersuchung waren.
Vosseberg beschränkte sich bei ihrer Untersuchung auf die Wirtschaftsteile der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie das Handelsblatt und die Börsenzeitung in den jeweils ersten fünf Monaten der Jahre 2007 und 2010. Alle Artikel, in denen es um Bilanzen, Pressekonferenzen und Quartalsberichte oder um die Zukunftsrisiken ging, und die eine von vier Banken (Commerzbank, Deutsche Bank, Helaba oder Landesbank Baden-Württemberg) zum Thema hatten, wurden in ihrer Inhaltsanalyse ausgewertet. Eine größere Stichprobe wäre für eine Magisterarbeit zu aufwendig gewesen. „Ich habe aber darauf geachtet, möglichst unterschiedliche Banken zu betrachten. Sowohl, was die Organisationsform, als auch, was die Probleme in der Wirtschaftskrise angeht“, erklärt die Forscherin ihre Auswahl.
Für Stefan Geiß, der ihre Abschlussarbeit am Mainzer Institut für Publizistik mitbetreut hat, ist die Finanzberichterstattung ein gutes Beispiel für „Besserwisser-Journalismus“: Viele Journalisten hätten die Angewohnheit, in guten Zeiten den Markt besonders zu bejubeln und in schlechten Zeiten umso schwärzer zu malen. „Während vor der Wirtschaftskrise, insbesondere dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, etwa die Risiken fast vollständig ausgeblendet wurden und ein zu vorsichtiges Agieren kritisiert wurde, gerieten nach der Krise vornehmlich die Risiken ins Visier“, erklärt Geiß.
Geiß hält, basierend auf den ermittelten Zahlen, die „prozyklische Berichterstattung“ der Wirtschaftsjournalisten für „zumindest fragwürdig“, weil eine solche Berichterstattung regelmäßig Blasen wie auch Krisen verschärfe. Der Wissenschaftler hofft deshalb, dass in Zukunft die Mechanismen der Wirtschaftsberichterstattung häufiger thematisiert werden. „Das wäre eigentlich auch eine Aufgabe der Medienberichterstattung“, fordert Geiß. Hoffnung macht er sich allerdings nur wenig: Auch aus vorherigen Wirtschaftskrisen hätten die Journalisten nichts gelernt.
Matthias Schmidt studiert Publizistik an der Universität Mainz.
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