Hat Informationsüberlastung Auswirkungen auf Journalisten?

5. Januar 2025 • Aktuelle Beiträge, Redaktion & Ökonomie • von

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Angesichts des allgegenwärtigen Informationsüberflusses befasst sich die Forschung aktuell verstärkt mit der Informationsüberlastung der Verbraucher:innen. Doch wie steht es um Menschen, die mit Medien arbeiten und täglich online sind? Eine Umfrage unter 171 Journalisten in der Westschweiz untersucht die Wahrnehmungen, Auswirkungen und Bewältigungsstrategien angesichts einer berufsbedingten Informationsüberlastung.

Die Informationsüberlastung – auch Informationsmüdigkeit oder Infobesessenheit genannt – ist ein Phänomen, das durch eine kognitive Überlastung aufgrund eines Übermaßes an Informationen gekennzeichnet ist (Eppler & Mengis, 2004). Sie wird durch die Entwicklung neuer Technologien verstärkt. Obwohl sie verschiedene Sektoren betrifft, beschäftigen sich nur wenige Studien mit den Auswirkungen der Informationsüberlastung auf Journalisten, deren Beruf gerade auf der intensiven Verarbeitung von Informationen beruht. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, im Rahmen unserer Masterarbeit im Fach Journalismus die Beziehung dieser Berufsgruppen zu Informationen zu untersuchen sowie die Strategien, die sie anwenden, um sich um ihre psychische Gesundheit und das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben zu kümmern.

Literatur ist unnvollständig oder gar nicht vorhanden

Die bestehende Literatur diskutiert weitgehend die Auswirkungen der Informationsüberlastung auf die Verbraucher. Sie ignoriert jedoch größtenteils die Journalisten. Diese sind als Produzenten und Konsumenten von Informationen einem erhöhten Druck ausgesetzt, da es immer mehr Verbreitungskanäle gibt und sie in Echtzeit reagieren müssen, um erfolgreich zu sein. Dieser Kontext der Informationsüberlastung hängt auch mit der Art und Weise zusammen, wie Journalisten ihren Beruf wahrnehmen, der oft als ein Beruf der „Opferbereitschaft“ und der „Leidenschaft“ angesehen wird (Bouron et al., 2017). „Diese Leidenschaft für den Beruf verschlingt das Privatleben“, fassen Devillard und Le Saulnier (2020, S. 94) zusammen. Das Berufsverständnis von Journalisten führt häufig zu einer kaum vorhandenen Grenze zwischen Berufs- und Privatleben, was die Gefahr der kognitiven Überlastung und damit auch der Informationsüberlastung verschärft.

Unsere Masterarbeit beruht auf einer Fragebogenerhebung, die von Mai bis August 2024 bei 171 Journalisten in der Westschweiz durchgeführt wurde. Die Stichprobe soll hinsichtlich des Alters (21 bis 64 Jahre) und des Geschlechts (56,1 % sind Männer und 43,9 % Frauen) nahezu repräsentativ sein. Die Journalisten in der Stichprobe kommen aus Print-, audiovisuellen und digitalen Medien. Einige von ihnen haben leitende Positionen inne. Die gesammelten Daten sind sowohl quantitativ als auch qualitativ und ermöglichen es den befragten Journalisten, ihr Verhältnis zur Informationsüberlastung zu beschreiben. Sie ermöglichen auch, die verschiedenen Faktoren, die zu Informationsmüdigkeit führen, die damit verbundenen Symptome sowie die angewandten Strategien zur Trennung der beruflichen von der privaten Sphäre zu identifizieren. Darüber hinaus wurden Kreuztabellenanalysen durchgeführt, um die Unterschiede in den Ergebnissen nach Geschlecht, Alter, Medientyp und hierarchischer Position zu untersuchen.

Die ersten Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass 44% der Journalisten in der Stichprobe angaben, von Informationsmüdigkeit betroffen zu sein, während 38% keine Informationsmüdigkeit verspürten. Die restlichen 18% weisen auf eine Variabilität je nach Umständen hin. Darüber hinaus gab die Hälfte der Journalisten (49,7%) an, dass sich Nachrichten auf ihre psychische Gesundheit auswirken. Obwohl nur wenig Literatur über die Informationsüberlastung von Journalisten berichtet, ist festzustellen, dass sie sehr wohl von diesem Phänomen betroffen sind.

Frauen sind in der Überzahl

Demografische Unterschiede machen sich unter den erzielten Ergebnissen bemerkbar. So gaben etwas mehr Frauen (47%) als Männer (43%) an, dass sie Informationsmüdigkeit verspüren. Allerdings scheint die psychische Gesundheit der Frauen (65%) stärker von den Nachrichten betroffen zu sein als die ihrer männlichen Kollegen (37%). Zu den Symptomen gehören Müdigkeit, Angstzustände, ein Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der Fülle an negativen Nachrichten und in einigen Fällen emotionale Erschöpfung.

Die Analysen zeigen, dass die jüngsten (21-31 Jahre) und die ältesten (54-64 Jahre) Journalisten am anfälligsten für Informationsmüdigkeit zu sein scheinen, auch wenn sich kein eindeutiger Trend abzeichnet. In Bezug auf das Berufsregister scheint Informationsmüdigkeit besonders bei Journalisten, die in Printmedien arbeiten, präsent zu sein. Darüber hinaus sind Webjournalisten und Personen in verantwortungsvollen Positionen wie Chefredakteure oder Ressortleiter stärker von Informationsüberlastung betroffen als ihre Kollegen mit weniger Verantwortung. Diese Personen sind mit einem besonders hohen Informationsvolumen konfrontiert, wodurch sie die Informationsüberlastung stärker empfinden. Journalisten, die in Rubriken arbeiten, die sich mit allgemeinen, politischen oder internationalen Nachrichten befassen, sind aufgrund der Dichte und Schwere der behandelten Themen ebenfalls anfällig für Informationsüberflutung.

Die Mehrheit der Journalisten in der Stichprobe gibt an, Strategien zu entwickeln, um ihre ständige Exposition gegenüber Informationen zu begrenzen und eine Grenze zwischen Privat- und Berufsleben zu wahren. Viele geben an, Benachrichtigungen zu deaktivieren, wenn sie nicht arbeiten, ihr Mobiltelefon auszuschalten oder ein zweites zu besitzen, um die beiden Bereiche ihres Lebens klar voneinander abzugrenzen. Trotz der vielen Strategien geben 21 % der Stichprobe an, dass sie sich nicht vollständig abmelden, wenn sie nicht arbeiten. Dies liegt zum einen an der Schwierigkeit, eine klare Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben zu ziehen, und zum anderen an dem Gefühl, in Verbindung bleiben zu müssen, um über alles auf dem Laufenden zu sein, was passiert und bei der Arbeit gute Leistungen zu erbringen.

Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen eine Spannung zwischen der Notwendigkeit, ständig die Nachrichten zu verfolgen, die als wesentlich für den Beruf angesehen werden, und ihren schädlichen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Journalisten. Dass der Beruf oft als Berufung angesehen wird, fördert ein intensives Engagement, das zu Formen von Überinvestition führen kann. Der digitale Kontext verschärft zudem die Schwierigkeit, sich vom aktuellen Geschehen abzukoppeln.

Eine große Herausforderung

Auch wenn das Thema in der wissenschaftlichen Literatur kaum kommentiert und selten untersucht wird und auch in den Redaktionen selbst kaum diskutiert wird, stellt die Informationsmüdigkeit eine große Herausforderung für Journalisten dar. Obwohl sich gewisse Tendenzen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Journalisten in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Verbreitungskanal und Position abzeichnen, können sich alle Journalisten mit kognitiver Überlastung konfrontiert sehen. Diese hängt hauptsächlich von individuellen Faktoren ab. Nicht jeder ist auf die gleiche Weise und zur gleichen Zeit betroffen (Sauvajol-Rialland, 2014).

Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass dringend organisatorische und persönliche Strategien entwickelt werden müssen, um das Wohlbefinden von Journalisten zu schützen, insbesondere durch die Förderung von Praktiken des Abschaltens und des Prioritätenmanagements. Diese Bemühungen sind entscheidend, um die Qualität der Nachrichten zu erhalten und gleichzeitig die psychische Gesundheit der Journalisten zu schützen.

Bibliografie

Bouron, S., Devillard, V., Leteinturier, C., & Le Saulnier, G. (2017). L’insertion et les parcours professionnels des diplômés de formations en journalisme. [Forschungsbericht, Universität Panthéon-Assas, Paris II].

Devillard, V., & Saulnier, G. L. (2020). Sortir du journalisme (Ausstieg aus dem Journalismus). Les diplômés en journalisme entre emplois instables et carrières déviantes. Recherches en Communication, 43, 79-104.

Eppler, M. J., & Mengis, J. (2004). The Concept of Information Overload: A Review of Literature from Organization Science, Accounting, Marketing, MIS, and Related Disciplines (2004). The Information Society: An International Journal, 20(5).

Sauvajol-Rialland, C. (2014). Infobesessenheit, große Risiken und wahre Heilmittel. L’Expansion Management Review, 152, 110-118. https://doi.org/10.3917/emr.152.0110

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Dieser Artikel stammt aus der Master-Abschlussarbeit von Mathilde Schott, ehemalige Studentin an der Journalismus- und Medienakademie der Universität Neuchâtel.

 

Dieser Text wurde zuerst auf der französischen EJO-Seite veröffentlicht.

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