Die Coolness der Korruption

20. März 2015 • Medienökonomie • von

Wer glaubt noch an die wahre Kraft des Journalismus? Prada, Hermès und Chanel.

 

Die Rechnung ist schnell gemacht. Das Magazin hat einen Umfang von 64 Seiten. Zwanzig Seiten davon sind Werbung.

Der Preis pro Werbeseite beträgt 29.500 Franken. Wenn wir den branchenüblichen Rabatt in Abzug bringen, dann bringen die zwanzig Seiten Werbung einen Ertrag von einer halben Million Franken. Der Ertrag kommt von Chanel, Rolex, Hermès, Prada und Mercedes-Benz.

Eine halbe Million Franken sind für die NZZ-Gruppe viel Geld. Das Haus arbeitet defizitär.

Z heißt das neugestaltete Magazin der NZZ-Gruppe. Es ist ein großformatiges Luxusmagazin, das nach dem Relaunch wie bisher der Samstags- und Sonntagsausgabe beiliegt. Entstanden ist es in der Agentur des Lifestyle-Predigers Tyler Brûlé in London. Es kommt genauso daher wie alle diese gestylten Edel-Postillen. Es geht um Mode, Accessoires, Reisen, Parfüm und Design. Alles ist cool. Die Bilder sind riesig, mitunter schwarzweiß, denn das gilt als intellektuell.

“Das heutige, smarte Publikum giert förmlich nach Artikeln über den Zeitgeist”, sagt Designer Brûlé über das Konzept des Hefts.

Das ist natürlich Blödsinn. Es geht nicht um die vermeintlichen Zeitgeist-Begierden der Leserschaft. Es geht um die letzte Verteidigungslinie im Kommerz. Das Luxussegment ist der einzige Bereich im Verlagsgeschäft, wo das frühere Erfolgsmodell der gedruckten Werbung noch greift.

Luxusmagazine sind heute die letzten, permanent verlässlichen Werbeträger der Zeitungshäuser. Luxus ist ein sicherer Wert, das haben alle gemerkt. Z heißt die Premium-Beilage bei der NZZ. Bei Handelszeitung und Bilanz heißt sie Icon. Die Sonntagszeitung nennt das Ding Encore!, bei Finanz und Wirtschaft nennt man es Luxe, bei der Weltwoche heißt es WW-Magazin. Den schlausten Namen hat die Luxusbeilage des Tages-Anzeigers. Sie heißt Luxus.

Dass die Edel-Magazine so gut funktionieren, ist für die Branche eine Gnade. Denn sonst ging ihr im Werbemarkt alles den Bach hinunter. Die Kleinannoncen im Stellen- und Immobilienmarkt, lange das finanzielle Rückgrat der Verlage, sind ins Internet abgewandert. Die ehemals ganzseitigen Auto-, Elektronik- und Möbelanzeigen sind auf Viertelseiten geschrumpft. Selbst die sogenannten Schweinebauch-Inserate von Migros und Coop, die tagesaktuelle Promotion für verbilligte Schnitzel und Shampoos, sind nicht mehr so lukrativ.

Der Erfolg des Luxussegments hat eine einfache Erklärung. Es ist der Triumph des Korruptionsjournalismus.

Im Blattauftakt von Z etwa, auf den vorderen Seiten, strahlen uns erst die Inserate von Prada, Hermès und Chanel entgegen. Im redaktionellen Teil, weiter hinten, erfahren wir dann alles über die neusten Tops und Hosen von Prada, die neusten Seiden-Carrés und Sonnenbrillen von Hermès und die neusten Segnungen rund um “No 5” und “Rouge noir” von Chanel.

Nun ist das Blatt aus dem Hause NZZ keine Ausnahme. Bei all den anderen Glanzprodukten aus den anderen Medienhäusern gilt dieselbe Regel. Die Anzeigenkunden inserieren und kaufen sich mit ihrem Werbegeld Platz im redaktionellen Teil. Die Journalisten schreiben dann verlässlich, was ihre Inseratekunden verkünden wollen.

Wir können das nun als Zerfall von Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit im Journalismus beklagen. Das wäre die kulturpessimistische Sicht.

Wir können es aber auch als positives Signal deuten. Bei Prada, Hermès und Chanel glaubt man noch an die Kraft und die Wirkung des geschriebenen Worts. Bei Prada, Hermès und Chanel glauben sie, dass die Leser noch glauben, was die Journalisten schreiben.

Schön, dass das noch jemand glaubt.

 

Erstveröffentlichung: Die Weltwoche vom 12. März 2015, S. 21

 

Bildquelle: Mark_K_/flickr.com

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