Weit vor wagt sich Marie-Luise Kiefer, die zu den namhaften Medienökonomen im deutschen Sprachraum zählt: Sie sucht nach einem „dritten Weg“ zur Finanzierung des Journalismus, weil die „privatwirtschaftliche Lösung als mediale Querfinanzierung aus dem Werbemarkt“ offenbar einem Ende zugehe.
Dazu schlägt sie vor, den Journalismus – ähnlich wie bei den Medizinern und den Juristen – in einen Zustand professioneller, kollegialer Selbstorganisation zu überführen.
Angesichts seiner „demokratietheoretischen Relevanz“ solle der Staat dann allerdings für die „Neuorganisation des Journalismus einschließlich seiner Finanzierung“ zuständig sein. „Journalist“ würde dann eine „geschützte, an theoretische und praktische Ausbildungsgänge mit entsprechenden Examina gebundene Berufsbezeichnung“ – wie in Italien, ohne dass es dort freilich der Qualität des Journalismus sichtbar aufgeholfen hätte. Die öffentliche Finanzierung solle, so Kiefer, „dem Journalismus die autonome Produktion seiner gesellschaftlichen Dienstleistung“ ermöglichen.
Dagegen sind sich die Forscher am Reuters Institute for the Study of Journalism der University of Oxford keineswegs so sicher, ob die Krise des Journalismus in den USA auch voll in Europa durchschlagen wird. Es sei voreilig, den Tod von Zeitungen, des Fernsehens oder gar von kommerziell arbeitenden Nachrichtenmedien vorherzusagen, meinen David A.L. Levy und Rasmus Kleis Nielsen, die in ihrem neuesten Buch zu den Auswirkungen der veränderten journalistischen Geschäftsmodelle ganz unterschiedliche Entwicklungspfade in verschiedenen Ländern Europas, den USA und den beiden BRIC-Staaten Brasilien und Indien ausleuchten. „Wenn die großen Nachrichten-Medien in Amerika sich mit einer ernsteren Krise auseinandersetzen müssen als anderswo, dann ist damit keineswegs gesagt, dass sie die Wegbereiter für den Rest der Welt sind. Die USA könnten eher eine Ausnahme sein – statt des Vorboten, als der sie vielfach in den Diskussionen um die internationale Medienentwicklung dargestellt werden.“
Das ist spannend, denn fraglos ist ein Teil der Krise des amerikanischen Journalismus hausgemacht. Sie ist – wie Michael Schudson (Columbia University) in seinem Beitrag über die USA zumindest andeutet – auch eine Folge des US-Kasinokapitalismus. Viele Investoren hätten sich in Erwartung weiter sprudelnder hoher Renditen zum falschen Zeitpunkt überschuldet, um in der Zeitungsbranche auf Einkaufstour gehen zu können.
In einem weiteren Beitrag, der sich mit der Zeitungskrise in Deutschland befasst, stellen die Zürcher Medienforscher Frank Esser und Michael Brüggemann obendrein Kiefers Basis-Annahme von der Unentbehrlichkeit professionellen Journalismus fürs demokratische Gemeinwesen in Frage. Sie glauben, dass die Demokratie „Verleger und Journalisten nur in dem Maß benötigt, wie ihre Präsenz dafür sorgt, dass eine informierte, uneingeschränkte und lebhafte Sphäre der Öffentlichkeit entsteht“. An vielen Plätzen der Welt entwickle sich solch eine Öffentlichkeit inzwischen ohne Journalisten – allerdings ebenfalls ein gewagtes Statement, das empirisch zu unterfüttern wäre.
Doch zurück zum Leiden der Qualitätsmedien, sprich: der überregionalen Tageszeitungen. Mit den „Leuchttürmen der öffentlichen Kommunikation“ befasst sich eine weitere Neuerscheinung, herausgegeben von den vier Schweizer Medienforschern Roger Blum, Heinz Bonfadelli, Kurt Imhof und Otfried Jarren. Darin plädiert der Stuttgarter Medienwirtschafts-Experte Lars Rinsdorf für mehr Markenpflege, die freilich mit dann auch einzulösenden Qualitätsansprüchen korrespondierten. Für Qualitätsmedien dürfte es sich, so schlägt Rinsdorf vor, wirtschaftlich auszahlen, „Redaktionen zu unterhalten, deren Ressourcen und Strukturen besonders geeignet sind, gesellschaftliche Debatten zu begleiten und voran zu treiben“.
Soll das nicht Wunschdenken bleiben, gilt es allerdings, diese Ressourcen beim Publikum einzutreiben. Dazu bedarf es nicht zuletzt der gesellschaftliche Debatte um die Zukunft des Journalismus, welche viele Qualitätsmedien bisher so sträflich vernachlässigen. Fände sie endlich auf angemessenem Niveau statt, wären weitere staatliche Subventionen, wie sie Kiefer einfordert, womöglich überflüssig. Denn neben dem bereits üppig wuchernden öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedarf es wahrlich keiner neuen journalistischen Kaste, die hinter einem weiteren, aus Steuergeldern finanzierten Schutzwall die Existenzen ihrer Mitglieder sichert. Bisher hätten die meisten Qualitätsmedien immerhin, so Rinsdorf, unter dem Dach eines großen Medienkonzerns Zuflucht gefunden: „Damit ähneln sie bereits jetzt ein wenig Sterneköchen: Mit deren Kochkunst können sich auch fast nur noch große Hotels schmücken.“
Kiefer, Marie Luise (2011): Die schwierige Finanzierung des Journalismus, in: Medien & Kommunikationswissenschaft, 59. Jg./Heft 1, 5-22
Levy, David A.L. /Nielsen, Rasmus Kleis (eds.) (2010): The Changing Business of Journalism and its Implication for Democracy, Reuters Institute for the Study of Journalism, University of Oxford
Rinsdorf, Lars (2011): Vom Zugewinn der Marken: Potentiale überregionaler Qualitätszeitungen auf dem Nutzermarkt und ihre Voraussetzungen, in: Roger Blum et al. (Hrsg.) (2011): Krise der Leuchttürme öffentlicher Kommunikation. Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien. 260 S. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 221-238
Erstveröffentlichung: Schweizer Journalist Nr. 4+5/2011
Schlagwörter:David A.L. Levy, Frank Esser, Journalist, Krise des Journalismus, Marie-Luise Kiefer, Michael Brüggemann, Michael Schudson, Rasmus Kleis Nielsen, Reuters Institute for the Study of Journalism, Zeitungskrise