Gerade sind für Journalisten soziale Medien im Beruf zum Alltag geworden, da kommt auch schon der nächste Kommunikationstrend um die Ecke: Journalismus, der seine Nutzer via Messenger erreicht. Bekam man früher also nur Mitteilungen von Freunden, Familie und Kollegen auf das Smartphone, schicken heute die Medien ihre Nachrichten in gleicher Chat-Manier. Eine Kommunikation, die mit Maschinen und Algorithmen funktioniert. Doch funktioniert diese auch „nur“ mit Menschen?
Der Journalist hatte es bei einer Umfrage unter Journalisten, die für das Jahr 2016 in die berufliche Zukunft blicken sollten, vorausgesagt: Chatbots seien unter den wichtigsten Digitaltrends für das laufende Jahr. Und nun sind sie überall im Einsatz. Textbasierte Dialogsysteme aus Redaktionen informieren via Messenger über WhatsApp, Facebook und Co. die Leser. Auf einer Entwicklerkonferenz im Frühjahr präsentierte der Facebook-Chef Mark Zuckerberg einen Chatbot für den Nachrichtensender CNN. Aber auch hierzulande sind die Messenger-Nachrichten von einem Computerprogramm auf dem Vormarsch: Das Südkurier Medienhaus oder die Verlagsgruppe Rhein Main beispielsweise haben in diesem Jahr einen Adventskalender, der auf einem Chatbot-System basiert, angeboten. Im April 2015 ist letztere dagegen erst mit einem WhatsApp-Service gestartet, der von den Redakteuren selber betrieben und „beschrieben“ wird. Die Messenger-App Insta kam dann in diesem Jahr dazu, der Facebook-Messenger wurde erst vor kurzem implementiert. Bisher wird alles noch durch Journalisten selbst mit Inhalten und Antworten an die Leser bestückt. Genauso wie bei der Emder Zeitung: „Der Einsatz eines Chatbots ist für uns hier keine Option – wir schätzen die Rückmeldungen unserer Leser sehr und nehmen uns dafür auch gern die nötige Zeit“, erklärte Till Oliver Becker aus der Online-Redaktion. Bei 3444 Abonnenten scheint das auch noch machbar. Die Verlagsgruppe Rhein-Main hat schon doppelt so viele Nutzer der Messenger und will die Bots weiter ausprobieren. VRM-Newsmanagerin Alexandra Maus erklärte gegenüber EJO: „Wir werden testweise – voraussichtlich ab Januar – einen Suche-Bot anbieten, über den unsere Nutzer weitere Artikel in unseren Ausgaben zu einem bestimmten Thema suchen können.“ Auch bei der Verlagsgruppe Rhein Main habe die persönliche und direkte Kommunikation mit den Lesern aber Vorrang. Der Einsatz von Chatbots solle in Form eines “Suche-Bots” als zusätzliches Angebot getestet werden.
Bestimmte Themen hatte auch die Bildzeitung im Visier, als sie ihren Messenger-Dienst startete: Seit Januar nutzt sie als eine der ersten deutschen Redaktionen den Facebook-Messenger, um Transfer-Meldungen aus der Fußball-Bundesliga zu verschicken. Die Zunahme der aktiven Nutzer des Messengers spricht für diesen Schritt. Mit derzeit einer Milliarde aktiven Nutzern weltweit drängt sich der Facebook-Messenger als Plattform fast auf. Sport1 bietet hingegen mit iM Football einen eigenen Messenger, der die Special Interest Gruppe (Fußballfans) informiert. Dort sind sogar Gruppenchats möglich.
Denn neben einer einseitigen Kommunikation, die seit jeher den Journalismus prägte, bietet die Messenger-Kommunikation den Rezipienten immer häufiger die Möglichkeit zur direkten Antwort und/oder Kommunikation mit anderen: Conversational Journalism. Nutzer können nun chatten, mit Personen wie in den Regionalredaktionen der Verlagsgruppe Rhein Main und der Emder Zeitung – oder eben immer häufiger mit einem Programm. Die Washington Post und Quartz kommunizieren mit einem Bot. So ploppen Neuigkeiten zusammen mit Fotos, Diagrammen, animierten GIFs oder ähnlichem auf dem Mobiltelefon in Sprachblasen auf. Wer drauf klickt, gelangt zum kompletten Text auf der Homepage der Medien. Wer antwortet, bekommt weitere Nachrichten. Auch Resi, die Messenger-App, hinter der keine Medien-Website oder Printpublikation mehr steckt, möchte Nutzern ausschließlich Nachrichten in Dialogform und mit Emojis schmackhaft machen. Der Algorithmus hinter der App lernt schnell, welche Nachrichten den Nutzer besonders interessieren, liefert ihm davon mehr und birgt damit – so Skeptiker – auch die Gefahr einer Filterblase.
Dass bei all den Messenger-Nachrichten die Chats selber noch keine autarke journalistische Darstellungsform sind, verwundert da fast. Talkshow wollte das vor sechs Monaten ändern. Mit dem Ziel, Menschen dabei zusehen zu lassen, wie andere ihre Gespräche in einem öffentlichen-Chatraum führen, war die App gestartet. Journalisten sollten dies als Interview-Form nutzen, sodass Gespräche nicht mehr redigiert noch autorisiert werden können. Lesern wurde gleich während des Chatinterviews die Möglichkeit gegeben zu kommentieren. Eine Idee, die auf den Zug der Messenger-Nachrichten aufspringen und für mehr Transparenz sorgen wollte, es aber leider nicht geschafft hat: Am 1. Dezember schloss Talkshow seine App und die Webseite. Das Interesse an der Kommunikation mit und zwischen Menschen bei diesem Messenger war nicht groß genug.
Beitragsbild: Kārlis Dambrāns/Flickr CC; Facebook Messenger app; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
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