Die Macht im Hintergrund der Scheinwerfer

14. Februar 2009 • Ressorts • von

Erstveröffentlichung: Neue Zürcher Zeitung

Die Journalisten und ihr Verhältnis zur Verwaltung in Bern.

Die Verwaltung in Bern ist ein wichtiger politischer Machtfaktor im Land. Wie gehen Medienschaffende damit um? Eine Umfrage unter Journalisten im Bundeshaus ergab interessante Erkenntnisse.

Wenn vom «Politmedienkuchen» oder vom symbiotischen Verhältnis zwischen Politik und Medien die Rede ist, denkt man sofort an einen gewissen Filz zwischen Medienleuten und Parlamentsmitgliedern oder Bundesräten, aber eher nicht an eine Symbiose zwischen Medien und Verwaltung. Dabei hat die Verwaltung grosses Gewicht. Schon der legendäre Nebelspalter-Karikaturist Carl Böckli («Bö») antwortete auf die Frage, wer denn in Bern die Macht habe: «Zweitens ischt’s der Bundesrat, erstens die Verwaltung.» Und ein Bundeshausredaktor sagt: «Die Verwaltung ist die stärkste politische Kraft im Land. Sie hat das Gedächtnis, das Fachwissen, die Kontrolle über die Prozesse (und zum Teil über die Personen, die sie leiten müssten) sowie die nötige Geduld, um ihre Agenda durchzusetzen.» Es liegt daher auf der Hand, zu fragen, wie ihre Beziehung zu den Medien aussieht.

Wie eng sind also die Kontakte zwischen Medienleuten im Bundeshaus und den leitenden Angestellten der Bundesverwaltung? Sind einzelne Generalsekretäre von Departementen, Direktoren und stellvertretende Direktoren von Bundesämtern mit bestimmten Medien «verbandelt»? Eine Umfrage unter Journalistinnen und Journalisten im Bundeshaus ergab interessante Erkenntnisse.

Vorgeschaltete Pressechefs

Erstens sind die Chefs in der Verwaltung durch den Ausbau der Informationsdienste in den Departementen und Bundesämtern von den Medien ein wenig weggerückt. Viele Kontakte, Abklärungen und Auskünfte laufen über die Pressechefs. Ein Bundeshausredaktor meint dazu: «Im Zuge der Professionalisierung der Kommunikation hat in den letzten Jahren eine eigentliche Anonymisierung der Amtsdirektoren und Generalsekretäre stattgefunden. Diese Ebene der Bundesverwaltung erscheint viel weniger in den Medien als früher, und Generalsekretäre und Amtsdirektoren sind auch nicht mehr so gefragt als Interviewpartner. Die zunehmende <Sprecheritis> wirkt sich eher kontraproduktiv aus. Zu vieles hat sich auf die Ebene Bundesrat verschoben.»

Trotzdem bestehen Kontakte. Viele Bundeshausjournalisten treffen sich regelmässig mit 3 bis 5 der Chefbeamten. Andere telefonieren immer wieder mit bis zu 15 höheren Bundesangestellten. Dabei herrschen unter den Medienleuten im Bundeshaus zwei verschiedene Arbeitsweisen vor. Die einen führen diese Gespräche, um Hintergründe zu erfahren, um aktuelle Dossiers besser einschätzen zu können und um auch Vertrauen aufzubauen, damit dann im entscheidenden Moment sofort ein Kontakt möglich ist. Die andern verfolgen strikt die eigene Agenda und wenden sich dann an Bundesamtsdirektoren, wenn es für ihre Recherchen notwendig ist. Kaum Kontakte zu leitenden Leuten der Verwaltung haben vor allem Bundeshausjournalisten, die noch nicht so lange in Bern sind. Die Kontakte sind jedenfalls dergestalt, dass viele Medienleute im Bundeshaus keinen einzigen höheren Bundesangestellten duzen, manche 3 bis 6. Oft, so wird erklärt, rühre das noch aus früheren Zeiten her.

Zweitens wurde deutlich, dass sich die Chefbeamten selten direkt an die Medien wenden. Manchmal lassen sie im Gespräch beiläufig eine Bemerkung fallen, dass dieses oder jenes Thema interessant sein könnte. Diejenigen, die wirbeln und die aktiv die Kontakte zu den Medien suchen, sind die Informationsverantwortlichen der Departemente, der Bundesämter, der Verbände und der Parteien, die persönlichen Mitarbeiter der Bundesräte sowie die Generalsekretäre der Parteien. Sie lancieren oft Themen.

Sonntagsblätter als Anlaufstationen

Dabei ist interessant, wie Medienleute im Bundeshaus die Beziehungsstränge einschätzen. Es herrscht Einigkeit, dass die Sonntagsblätter bevorzugte Anlaufstellen sind, wenn es darum geht, Ideen zu testen. Dabei laufen die Kontakte meist über persönliche Beziehungen zu Journalisten. Beobachtet wird eine Achse zwischen dem Departement Leuenberger und der Sonntags-Zeitung. Den Departementen der Bundesräte Couchepin und Merz wird eine Affinität zur NZZ und zur NZZ am Sonntag nachgesagt. Das Finanzdepartement sowie das Volkswirtschaftsdepartement von Bundesrätin Leuthard hätten, so heisst es, viel Wohlwollen bei der Zeitung Sonntag. Die Bundesanwaltschaft sei, als sie Probleme hatte, leicht beim Sonntags-Blick untergekommen. Das Verteidigungsdepartement von Bundesrat Schmid habe einen guten Draht zur NZZ und zum Blick gehabt. Das Bundesamt für Migration wiederum scheine eine enge Verbindung zur Fernsehsendung 10 vor 10 zu besitzen. Wenn es gegen das Departement von Bundesrätin Calmy-Rey gehe, sei die NZZ ein dankbares Gefäss.

Ein Bundeshausjournalist merkt an: «Wohlgefälligkeit bleibt eine Basis für exklusive Beziehungen. Und Blätter wie der Sonntag versuchen dies zu nutzen.» Eine andere Stimme fügt bei: «Wenn es darum geht, das Image eines in die Defensive geratenen Bundesrats zu verbessern, wird nach meinen Beobachtungen immer öfter die Samstagsrundschau von Radio DRS 1 gewählt. Da kann ein Magistrat lang reden, ohne unterbrochen zu werden. Oft sind die Befrager suboptimal vorbereitet und gehen mit den Bundesräten pfleglich um.»

Dass Departemente und Bundesämter hingegen auf das eigene Medium mit einem Anliegen zukommen, wird von den meisten Bundeshausjournalisten als ganz selten taxiert. Manchmal wollten Verwaltungsstellen eine Sache aus ihrer Sicht richtig einordnen, vor allem wenn Gefahr drohe, dass ein anderes Departement über ein Bundesratsgeschäft selektiv informiere. Manchmal gebe es auch Chefbeamte, die in die Medien drängen, um sich selber darzustellen.

Interessenkonflikte

Nicht direkt die Beziehungen zwischen Medien und Verwaltung, sondern jene zwischen Politikern, Öffentlichkeitsarbeitern und Lobbyisten hat der Kommunikationswissenschafter Michel Wenzler in seiner vor kurzem an der Universität Bern abgeschlossenen Dissertation untersucht. Er beleuchtete die Felder der Kultur- und der Energiepolitik. Er fand heraus, dass Journalisten eher von den Branchen direkt angegangen werden, weniger von der Verwaltung. Kulturjournalisten kommen zudem oft selbst in Kontakt zur Verwaltung, weil sie in Gremien eingebunden sind wie Jurys oder kulturelle Kommissionen. Dies sichert den Informationsfluss, führt aber auch zu Interessenkonflikten.

Ein Journalist, der sich mit Energiepolitik befasst, bilanzierte bedauernd: «Es braucht schon fast Glück. Im Bundesamt für Energie oder auch im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation oder für andere politische Themen: Da hat es überall kluge Leute, die etwas verstehen.» Das meiste aber werde über die Kommunikationsabteilung dirigiert. «Mit den Leuten, mit denen man eigentlich sprechen will, kann man in 80 Prozent der Fälle gar nicht sprechen.»

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