Wonach bemisst sich die Glaubwürdigkeit von Nachrichten in sozialen Medien? Eine Studie kommt zu einem deutlichen Ergebnis.
Immer mehr Menschen nutzen die sozialen Medien auch als politische Informationsquelle. Die Nachrichtennutzung via Twitter, Facebook und Co. nimmt stetig zu. Gleichzeitig stehen die sozialen Medien im Verdacht, das Verbreiten von Falschmeldungen zu erleichtern und damit zur gesellschaftlichen Desinformation und Polarisierung beizutragen. Dies geschehe vor allem deshalb, so die These, weil denjenigen, die Nachrichten in ihren persönlichen Netzwerken teilen, großes Vertrauen entgegengebracht wird.
Auch in den konventionellen Massenmedien gab und gibt es immer wieder Falschmeldungen. Hier sollen jedoch journalistische Berufsnormen, redaktionelle Auswahlmechanismen und handwerkliche Professionalität dafür sorgen, dass Fake News schneller identifiziert, als solche benannt und im besten Fall nicht weiterverbreitet werden. Nicht zuletzt deshalb ist das Vertrauen der Mediennutzer in die journalistischen Medien noch immer deutlich höher als in die sozialen Netzwerke.
In einem repräsentativen Feldexperiment an der Universität Chicago ging nun eine Forschergruppe des Nationalen Meinungsforschungszentrums (NORC – National Opinion Research Center) der Frage nach, ob in den sozialen Medien die Quelle einer Nachricht oder derjenige, der sie verbreitet und empfiehlt, den größeren Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der Nachricht hat. Dafür wurden 1489 repräsentativ ausgewählte, US-amerikanische Erwachsene mit manipulierten Facebook-Meldungen konfrontiert. Zum einen wurden die Nachrichten unterschiedlichen Medienquellen zugeschrieben, die die Befragten vorher als mehr oder weniger vertrauenswürdig bewertet hatten. Zum anderen wurden die Meldungen von einer Reihe bekannter Personen geteilt, denen die Befragten ebenfalls vorher unterschiedlich starkes Vertrauen zugeschrieben hatten. Die Ergebnisse sind überraschend deutlich. Die Vertrauenswürdigkeit der Quelle einer Nachricht tritt in den sozialen Medien fast vollständig hinter das Vertrauen in die Person zurück, welche die Nachricht geteilt hat oder empfiehlt.
Es spricht deshalb vieles dafür, neben der Quelle auch den Weg einer Nachricht in den sozialen Medien stärker in den Blick zu nehmen und transparent zu machen. Das gilt insbesondere nach den letzten Äußerungen von Mark Zuckerberg.
Zuckerbergs Freibrief für Politiker
Der Facebook-Chef hatte am Donnerstag die Entscheidung des Online-Netzwerks verteidigt, Politikern Werbeanzeigen mit irreführenden Inhalten zu erlauben. „Ich denke nicht, dass die meisten Menschen in einer Welt leben wollen, in der man nur Dinge veröffentlichen kann, von denen Tech-Unternehmen glauben, dass sie zu 100 Prozent stimmen“, sagte er bei einem Auftritt in der Georgetown-Universität. „Wir denken, dass die Leute die Möglichkeit bekommen müssen, zu sehen, was Politiker sagen.“
Facebook war in den vergangenen Tagen unter Kritik in den USA geraten, nachdem das Lager von US-Präsident Donald Trump eine Werbeanzeige veröffentlichte, in dem der demokratische Präsidentschaftsanwärter Joe Biden ohne jegliche Grundlage der Korruption bezichtigt wird. Sender wie CNN lehnten es ab, den Clip zu zeigen, Facebook ließ den Spot hingegen auf seiner Plattform verbreiten. Senatorin Elizabeth Warren, eine weitere Präsidentschaftsanwärterin der Demokraten, platzierte daraufhin bei Facebook als Protest eine Anzeige mit irreführenden Aussagen über Zuckerberg. Auch dieses Video blieb bei Facebook online.
David Sterrett, Dan Malato, Jennifer Benz, Liz Kantor, Trevor Tompson, Tom Rosenstiel, Jeff Sonderman & Kevin Loker (2019) Who Shared It?: Deciding What News to Trust on Social Media, Digital Journalism, 7:6, 783-801.
Erstveröffentlichung: tagesspiegel.de vom 20. Oktober 2019
Bildquelle: pixabay.de
Schlagwörter:Donald Trump, Facebook, Fake News, Mark Zuckerberg, National Opinion Research Center, Soziale Medien, USA