Mai 2024 – Journalist:innen in der ugandischen Region Masaka berichten über die Beerdigung des verstorbenen Pascal Ssekasamba, eines in Großbritannien ansässigen Geschäftsmannes. Aus dem Nichts werden sie angegriffen. Überfallen von Leibwächtern des Oppositionspolitikers Robert Kyagulanyi, auch Bobi Wine genannt, Präsident der Partei National Unity Platform (NUP). Die Radio-Journalistin Margaret Kayondo wird verprügelt, der Journalistin Zainab Namusaazi Ssengendo von Next Media wird das Objektiv von der Kamera gerissen.
Solche Vorfälle sind in Uganda kein Einzelfall. Journalist:innen werden regelmäßig verhaftet, der Großteil der Medien wird vom Staat kontrolliert, Medienhäuser werden durchsucht oder geschlossen. Doch wie gefährlich ist die Arbeit als Journalist:in dort wirklich? Und wie beeinflusst Social Media die Pressefreiheit in Uganda? Der ugandische Journalist Benon Herbert Oluka hat es uns verraten.
Uganda verfügt über eine breite und vielfältige Medienlandschaft. Über 300 Radiosender, 30 Fernsehsender, zwei Tageszeitungen und eine Wochenzeitung im privaten oder staatlichen Besitz berichten in Uganda regelmäßig. Offiziell gibt es zwar mehr private Medien als staatliche. Viele Medienhäuser, die im Besitz von privaten Politikern, Unternehmen oder religiösen Gruppen sind, stehen aber mit der Regierung in Verbindung.
Die Tageszeitung News Vision soll zum Beispiel laut Gesetz unabhängig und sogar regierungskritisch berichten. Die Realität sieht aber anders aus. Da sie 1986 nach der Machtübernahme von Präsident Yoweri Museveni begründet wurde und im Besitz des Staates ist, berichtet sie aber eher regierungsfreundlich.
Daily Monitor ist die andere große Tageszeitung Ugandas, welche 1992 von sechs Journalist:innen gegründet wurde und in privatem Besitz ist. Aber auch die privaten Medien unterliegen der Zensur des autokratischen Regimes – zum Beispiel in Bezug auf die Themen, über die berichtet wird. Journalist:innen, die vom Staat Rechenschaft fordern, werden aus ihren Jobs verdrängt. Sie werden indirekt gezwungen, sich selbst zu zensieren und so über Themen zu berichten, wie der Staat es sich wünscht.
Neben den inhaltlichen Einschränkungen ist in Uganda die Regierung für die Kontrolle der Medien verantwortlich. Das Uganda Media Council, also die Medienaufsichtsbehörde von Uganda, wird staatlich kontrolliert. Sie ist laut eigenen Angaben dafür verantwortlich „gute ethische Standards und die Disziplin der Journalist:innen zu fördern“ und „Streitigkeiten zwischen der Öffentlichkeit und den Medien und dem Staat und den Medien zu schlichten.“
Außerdem beeinflussen private Unternehmen durch ihre Werbung die Medien. Benon Herbert Oluka arbeitet bereits seit 12 Jahren als Multimedia-Journalist. Er erklärt, warum Werbung in Uganda eine andere Rolle spielt als in Deutschland:
“Wenn der größte Werbetreibende des Landes einen Korruptionsskandal hat, droht er den Medien damit, die Werbung zurückzuziehen, wenn sie darüber berichten. Und das hält die Medienhäuser in der Regel von der Berichterstattung ab.”
Ohne staatliche Werbung könnten auch die privaten Medien sich nicht halten, so Benon Oluka. “Auch die privaten Medienorganisationen, von denen es viele gibt, sind stark von staatlicher Werbung abhängig, und deshalb können sie den Journalismus nicht so ausüben, wie er sein sollte.” Diese Einschränkungen führen dazu, dass Uganda im dem Presseranking der Organisation Reporter ohne Grenzen aktuell den 128. Platz belegt.
Journalismus – ein Beruf mit Risiko
Journalist:innen gehören zu den am schlechtesten bezahlten Berufsgruppen im Land. Selten verdienen sie umgerechnet mehr als 180€ im Monat und haben feste Arbeitsverträge. Diese Unsicherheit macht sie anfällig für Beeinflussungen. Trotz dieser Herausforderungen hat der journalistische Beruf über die Zeit an Ansehen gewonnen.
Neben den Einschränkungen für Journalist:innen in ihrer Arbeit bringt der Beruf auch Risiken mit sich. Es kommt vor, dass Journalist:innen bei ihrer Arbeit angegriffen, schwer verletzt oder sogar getötet werden. Es herrscht eine feindselige Atmosphäre gegenüber Journalist:innen, die durch Angriffe und Drohungen sichtbar wird. Besonders bei politischen Ereignissen oder Protesten sind Reporter:innen oft gezielten Angriffen ausgesetzt. Während des Wahlkampfes im Jahr 2021, als der aktuelle Präsident Ugandas sich im Jahr 2021 zum sechsten Mal wieder wählen ließ, gab es insgesamt über 40 Angriffe auf Medien und Journalist:innen .
Die Wahl von 2021 fand nicht unter freien und fairen Bedingungen statt. Der Führungsstil der ugandischen Regierung unter Präsident Museveni ist vermehrt autokratisch. Korruption stellt ein großes Problem in dem Sub-Sahara-Staat dar. Insbesondere vor Wahlen wird die Opposition unterdrückt und die zivile Beteiligung eingeschränkt.
Laut Verfassung ist Uganda eine präsidentielle Republik. Die Regierung ist aber in der Realität auch von totalitären Zügen geprägt. Präsident Museveni regiert schon seit 1986. Er hob die beschränkte Amtszeit und die Altershöchstgrenze für Präsidenten auf. Während seiner Herrschaft haben sich die politische und wirtschaftliche Lage zwar verbessert, aber nach Angaben des Auswärtigem Amts ist die Menschenrechtslage „in vielen Bereichen prekär. Im Juli 2023 musste das 2005 eröffnete Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen in Uganda schließen, nachdem der Präsident dessen Mandat nicht mehr verlängerte.”
Die Rolle von Social Media
Laut Benon Herbert Oluka sind sich gebildete Menschen in Uganda bewusst sind, dass einige Medienhäuser keine regierungsunabhängigen und neutralen Journalismus praktizieren.
In den sozialen Medien machen einige Nutzer:innen auf diesen Missstand aufmerksam. Aber nicht die ganze ugandische Bevölkerung habe Zugang zu sozialen Netzwerken. In den ländlichen Regionen, wo mehr Radio konsumiert werde, sei es für viele Menschen schwieriger, Propaganda von unabhängigen Informationen zu unterscheiden. Hier wird weniger Kritik an dem Zustand der Medienlandschaft geübt und die Arbeit als Journalist:in sei daher gefährlicher.
Die Internationalen Telekommunikationsunion (ITU) schätzt, dass im Jahr 2023 etwa 5,4 Milliarden Menschen – oder 67 Prozent der Weltbevölkerung – das Internet nutzen. Etwa 2,6 Milliarden Menschen, was etwa 33 Prozent entspricht, sind immer noch offline. Uganda liegt deutlich unter diesem Durchschnitt: Laut Angaben der ITU nutzten im Jahr 2021 nur 10 Prozent der Bevölkerung in Uganda das Internet.
Im Juli 2018 führte Uganda die als Social-Media-Steuer bekannte OTT-Steuer (Over-the-Top-Tax) ein, die Nutzer von sozialen Netzwerken betraf. Wer täglich über soziale Netzwerke kommunizieren wollte, musste eine Steuer von umgerechnet 16 Euro pro Jahr zahlen. Diese Maßnahme führte zu einem Rückgang der Internet-Abonnements um etwa 2,5 Millionen Nutzer.
Im Jahr 2021 wurde die OTT-Steuer abgeschafft und durch eine neue 12-prozentige Steuer auf Internetdaten ersetzt. Diese kommt zusätzlich zur bestehenden Mehrwertsteuer von 18 %, was eine heutige Besteuerung von 30 % auf die Internetnutzung bedeutet. Für viele Menschen in Uganda ist der Zugang zum Internet somit unerschwinglich. Der durchschnittliche Preis für 1 Gigabyte mobiler prepaid Daten lag im August 2022 bei etwa 1,32 US-Dollar, was 5,63 % des Bruttonationaleinkommens pro Kopf entspricht.
2020 führte das Oxford Internet Institute eine Analyse über die Manipulation der öffentlichen Meinung in verschiedenen Ländern der Welt durch. Hier wird deutlich, dass in 81 Ländern Social Media von politischen Organisationen als Tool verwendet wird, um gezielt Propaganda und Falschinformationen zu verbreiten. Dagegen sind Facebook und Twitter mit Account-Sperrungen vorgegangen.
Auch in Uganda sind Falschinformationen und politische Propaganda in den Sozialen Medien keine Seltenheit. 11 Prozent der 3500 geschlossenen Twitter-Accounts, die für Propagandazwecke genutzt wurden, wurden von Mitgliedern der ugandischen Regierungspartei NRM betrieben.
Auch die letzten Wahlen waren durch die Beeinflussung der Sozialen Medien geprägt. Am 12. Januar 2021, zwei Tage vor den allgemeinen Wahlen, wurde der Zugang zu Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp, Telegram und anderen Social-Media-Plattformen eingeschränkt. Die EU beschrieb diese Einschränkungen im Anschluss als eine Beeinträchtigung der „Meinungsfreiheit, der Informationsfreiheit und der üblichen wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten.”
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