Die wenigsten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa schaffen es, die Herausforderungen einer digitalen Medienwelt anzunehmen und riskieren damit, ihr Publikum zu verlieren, wie ein neuer Bericht des Reuters Institute zeigt.
Während einige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie die BBC in Großbritannien und Yle in Finnland bereits stark in die digitale Zukunft investiert haben und erfolgreich die Herausforderung meistern, die die neuen Medien mit sich bringen, haben andere enorme Probleme, sich umzustellen.
Das ist das Ergebnis des Berichts Public Service News and Digital Media, für den ein Forschungsteam des Reuters Institute for the Study of Journalism (RISJ) untersucht hat, wie die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Polen ihre Nachrichten online verbreiten.
Die Analyse basiert auf Interviews, die zwischen Dezember 2015 und Februar 2016 hauptsächlich mit Managern und leitenden Redakteuren der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geführt wurden, sowie auf den Ergebnissen des Digital News Report des Reuters Institute.
Wie der Bericht aufzeigt, erzielen die öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen aller sechs Länder mit ihren TV- und Radio-Programmen eine hohe Reichweite offline, mit Ausnahme der Öffentlich-Rechtlichen Finnlands und Großbritanniens haben sie aber große Schwierigkeiten damit, ihr Publikum online zu erreichen.
In Deutschland, Frankreich, Italien und Polen beziehen erheblich mehr Nutzer ihre Online-Nachrichten über soziale Medien, wie zum Beispiel Facebook, als über Plattformen der Öffentlich-Rechtlichen.
Die befragten Manager und leitenden Redakteure der jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weisen auf drei wichtige Herausforderungen hin, denen sie sich im digitalen Zeitalter stellen müssen:
- Organisationen, die ursprünglich für analoge Rundfunkmedien entwickelt wurden, so umzustrukturieren, dass sie ihren öffentlichen Auftrag auch in einer digitalen Medienumgebung leisten können
- mobile Plattformen besser zu nutzen, da immer mehr Nutzer Nachrichten über das Smartphone beziehen
- präsenter in sozialen Medien zu sein, da sie immer öfter als direkte Nachrichtenquelle dienen
Yle in Finnland und die BBC in Großbritannien haben laut Annika Sehl, Research Fellow am Reuters Institute und Hauptautorin der Studie, mehrere Ausgangsbedingungen gemeinsam, die zu ihrem jeweiligen Erfolg beigetragen haben. Diese können in interne und externe Bedingungen unterteilt werden:
„Betrachtet man die äußeren Bedingungen, dann arbeiten beide in technologisch fortgeschrittenen Medienmärkten, sie sind vergleichsweise gut finanziert, sie verfügen über integrierte Newsrooms aus Online, TV und Radio und werden zentral über verschiedene Plattformen hinweg organisiert“, so Sehl. Im Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen seien Yle und die BBC zudem frei von politischem Einfluss.
Intern haben beide laut Sehl eine Unternehmenskultur gemein, die „pro-digital“ ist und in der die neuen Medien als Chance gesehen werden. „Sowohl das Management als auch die leitenden Redakteure haben sich öffentlich verpflichtet, den Wandel ihres Unternehmens in einer sich kontinuierlich wandelnden Medienlandschaft voranzutreiben“, sagt Sehl.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe schon immer reaktiv, defensiv und pragmatisch auf neue Technologien reagiert, heißt es in dem Bericht. Solange öffentlich-rechtliche Medien nicht verstärkt auf digitale Medien, mobile Plattformen und die Verbreitung ihrer Nachrichten über soziale Netzwerke setzen würden, würden sie es riskieren, ihr Publikum zu verlieren – die Öffentlichkeit, in deren Dienst sie stehen, und die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finanziert.
Rasmus Kleis Nielsen, Forschungsdirektor am RISJ und Co-Autor des Berichts, betont, dass sich die Medienumgebung schneller verändere als die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: „Die meisten öffentlich-rechtlichen Medien geraten ins Hintertreffen und verlieren vor allem das jüngere Publikum. Um relevant zu bleiben und ein großes und diverses Publikum zu erreichen, müssen sie in der Lage sein, sich viel schneller anzupassen als in der Vergangenheit, da digitale Medien sich ständig weiterentwickeln werden.“
Zum Bericht Public Service News and Digital Media (auf Englisch) geht es hier
Original-Beitrag auf Englisch: Can Public Service News Organisations Stay Competitive In A Digital Age?
Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels-Schwabbauer
Schlagwörter:Annika Sehl, BBC, Digital News Report, Finnland, Großbritannien, mobile platforms, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Online, Rasmus Kleis Nielsen, Reuters Institute for the Study of Journalism, Social Media, Yle