Britische Journalisten nutzen soziale Medien häufiger für ihre Arbeit als ihre Kollegen in Deutschland, Finnland und Schweden. Und: die journalistische Kultur des jeweiligen Landes spielt bei der Nutzung und Wahrnehmung von sozialen Medien eine erheblich größere Rolle als professionelle Faktoren.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von Agnes Gulyas (Canterbury Christ Church University, England), die kürzlich im Journal Digital Journalism veröffentlicht wurde.
Journalisten in Deutschland und den beiden skandinavischen Untersuchungsländern haben zwar laut Studie ähnliche Nutzungsmuster, was soziale Medien betrifft. Deutsche Journalisten aber äußern wesentlich mehr Bedenken gegen die Einflüsse von Facebook, Twitter und ähnlichen Plattformen auf die Medienindustrie als ihre Kollegen im Ausland. So befürchten sie unter anderem, dass in den sozialen Medien die Grenze zwischen professionellen Journalisten und Amateuren immer mehr verschwimmt.
Gulyas‘ Ergebnisse zeigen, dass die jeweilige journalistische Kultur der Länder eine große Rolle dabei spielt, wie soziale Medien von den Journalisten angenommen werden. Professionelle Faktoren wie der Mediensektor, in dem die Journalisten tätig sind, die Anzahl ihrer Berufsjahre und die Größe des Medienunternehmens beeinflussen in allen vier Ländern nur gering, wie Journalisten soziale Medien nutzen und wahrnehmen. So lässt sich laut Gulyas die Tendenz erkennen, dass Rundfunkjournalisten eher Plattformen, auf denen Audiodateien und Videos geteilt werden, nutzen, während Online-Journalisten und freie Journalisten aller Mediengattungen oftmals einen eigenen Blog betreiben, letztere wohl aus Gründen des Selbstmarketings. Twitter wird eher von Journalisten großer Medienunternehmen genutzt, um beispielsweise Eilmeldungen zu verbreiten.
Insgesamt haben 1.560 Journalisten Gulyas‘ Fragen beantwortet, davon 189 aus Deutschland, 256 aus Schweden, 448 aus Finnland und 667 aus Großbritannien. Der Fragebogen war an insgesamt 30.000 Journalisten adressiert, die Antwortquote belief sich damit auf 4,2 Prozent.
Auch Ulrika Hedman und Monika Djerf-Pierre (beide Universität Göteborg, Schweden) haben über das Nutzungsverhalten von Journalisten in Bezug auf Social Media geforscht und ihre Ergebnisse in Digital Journalism publiziert – mit einem Fokus auf Schweden. Basierend auf einer landesweiten Befragung schwedischer Journalisten im Jahr 2011 (seit 1989 führt die Fakultät für Journalismus, Medien und Kommunikation der Universität Göteborg alle fünf Jahre eine Befragung schwedischer Journalisten durch) haben die beiden Wissenschaftlerinnen die Social Media-Gewohnheiten von 2.500 schwedischen Journalisten analysiert und anschließend drei Nutzertypen identifiziert: der außenstehende Skeptiker, der konforme Pragmatiker und der aktive Enthusiast.
Die Mehrheit der befragten schwedischen Journalisten gilt als konforme Pragmatiker, die soziale Medien zwar regelmäßig nutzen, in ihrer Auswahl aber selektiv vorgehen. Sie nutzen vor allem Twitter und Blogs, um Informationen zu recherchieren, veröffentlichen dort allerdings selbst nur selten Inhalte. Oft sind sie nur in sozialen Netzwerken unterwegs, weil sie sich indirekt von Kollegen dazu aufgefordert fühlen, sich so auf dem Laufenden zu halten. Während konforme Pragmatiker durchaus die Möglichkeiten schätzen, die soziale Medien mit sich bringen, können sie mit persönlicher journalistischer Markenbildung in sozialen Netzwerken nicht viel anfangen und wissen auch nicht, wie sie die zunehmende Verschmelzung von Privatsphäre und öffentlichem Raum einschätzen sollen.
Etwa 15 Prozent der befragten Journalisten wurden von den Wissenschaftlerinnen als außenstehende Skeptiker identifiziert. Journalisten dieses Nutzungstyps sind sozialen Medien gegenüber sehr kritisch eingestellt und vermeiden ihre Nutzung komplett. Typische außenstehende Skeptiker sind laut Studie ältere Journalisten, die in den Printmedien beschäftigt sind.
Aktive Enthusiasten, die soziale Medien begeistert annehmen, machen mit weniger als fünf Prozent die kleinste Gruppe der befragten Journalisten aus. Es ist wenig überraschend, dass diesem Nutzungstyp vor allem jüngere Journalisten angehören, die für digitale und crossmedial agierende Plattformen tätig sind. Aktive Enthusiasten nutzen soziale Medien für die Recherche, aber auch zum Networking mit Kollegen und Gesprächspartnern, für persönliche Markenbildung und Kooperationen. Zudem posten sie auch selbst viele Inhalte. Sie sind davon überzeugt, dass soziale Medien einen Wandel des Journalistenberufs auslösen werden.
Gulyas, Agnes (2013): The influence of professional variables on journalists’ uses and views of social media. In: Digital Journalism, 1. Jg., H. 2, S. 270-285.
Hedman, Ulrika & Djerf-Pierre, Monika (2013): The social journalist. In: Digital Journalism, 1. Jg., H. 3, S. 368-385.
Übersetzt aus dem Englischen von Tina Bettels
Original-Artikel auf Englisch: Who Tweets Most? Journalists and Social Media
Bildquelle: Felix Huth / Flickr Cc
Schlagwörter:Agnes Gulyas, Deutschland, Facebook, Finnland, Großbritannien, Monika Djerf-Pierre, Printmedien, Schweden, Social Media, soziale Netzwerke, Twitter, Ulrika Hedman