Der kleine Unterschied: Print vs. Online

11. Mai 2010 • Digitales, Ressorts • von

Erstveröffentlichung: Schweizer Journalist Nr. 4+5/2010

Für den Standard in Österreich war es nur ein Aprilscherz, aber viele andere Qualitätszeitungen machen jetzt ernst: Die Londoner Times, die sich im Besitz von Rupert Murdoch befindet, Le Monde und Figaro sowie die Axel Springer AG haben sich in Europa vorgenommen, Bezahlinhalte durchsetzen, und in den USA hat die New York Times denselben Schritt avisiert.

Ob die Kehrtwende der Kehrtwende gelingt, auf diese Gretchen- und Überlebensfrage des Qualitätsjournalismus gibt es im Moment keine verlässliche Antwort.

Vielen brennt indes noch eine andere Frage auf den Nägeln: Wieviel Information wird es auf den News-Websites weiterhin gratis geben, und wie ist es um deren Qualität bestellt, wenn der Paywall kommt?

Anhaltspunkte liefert eine Studie, die Scott Maier von der University of Oregon durchgeführt hat. Der Forscher hat das Nachrichtenangebot von fünf führenden News-Websites (Yahoo! News, MSNBC.com, CNN.com, Google News und AOL News) mit den Nachrichten verglichen, die sich auf den Titelseiten von 13 US-amerikanischen Tageszeitungen fanden.

Die Zeitungsartikel waren etwa doppelt so lang wie die der Online-Wettbewerber. Die Zeitungsredaktionen lieferten deutlich mehr Inlandsnachrichten, und sie berichteten häufiger über Wirtschaft, Umwelt, Gesundheit und Zuwanderung. Auf den Websites fanden sich dagegen etwas mehr internationale News, und sie waren deutlich meinungsfreudiger als die Printmedien. Insgesamt hat Maier mit seinem Team 13.000 Meldungen und Berichte aus dem Jahr 2007 untersucht.

Wie sich Blogs von der Tagespresse nähren

Auf den engen Bereich des Medienjournalismus bezogen, gelangt eine Studie, die Tobias Eberwein von der TU Dortmund auf der Jahrestagung der Schweizer Kommunikationswissenschaftler in Luzern präsentierte, zu bemerkenswert ähnlichen Ergebnissen. Der Forscher spürt der Frage nach, inwieweit die Berichterstattung über Medien und Journalismus ins Internet und in die Blogosphäre abdriftet. Selbst in diesem Feld, das die „Dinosaurier-Medien“ seit eh und je sträflich vernachlässigen, kann Eberwein indes zeigen, dass die großen Tageszeitungen vergleichsweise umfassend berichten, während die Blogs eben nur punktuell Information aufbereiten und diese obendrein meist den Rechercheleistungen der Tagespresse verdanken.

Eine Forschungsarbeit von Stephan Weinacht verwässert allerdings den Wein: In der bisher wohl umfassendsten empirischen Studie zum Medienjournalismus zeigt er, wie wenig „journalistisch“ die alten Medien über Journalismus und Medien berichten. Vor allem die Fernsehsender (auch und gerade die öffentlich-rechtlichen !!!) betreiben krasse Selbstbeweihräucherung, wenn sie Medien und Journalismus thematisieren, aber auch die Zeitungen sind erstaunlich selbstreferentiell. „Journalismus“ verkommt, so sein Fazit, tendenziell zur Öffentlichkeitsarbeit von Sendern und Verlagen.

Journalistische Standards verlottern

Um die Standards journalistischer Professionalität ist es allerdings auch sonst nicht zum besten bestellt. Die Wildwest-Zustände im Cyberspace sowie der drastische Rückbau redaktionellen Personals hinterlassen ihre Spuren: In einer Studie, die Victor Navasky und Evan Lerner für den Columbia Journalism Review erarbeitet haben, wird belegt, wie schlechte Qualität in Online-Angeboten allmählich auf die Printmedien abfärbt und zurückwirkt.

Das ist nicht nur ein fragwürdiger Nebeneffekt der Medienkonvergenz – die im übrigen, auch das zeigt diese Studie, weit mehr beredet als praktiziert wird –  sondern eine denkbar schlechte Voraussetzung, um die Hand aufzuhalten und sich journalistische Leistungen bezahlen zu lassen. Andererseits ist es bereits fünf nach zwölf. Gelingt es jetzt nicht, auch Online-Leserinnen und Leser zu überzeugen, dass unabhängiger Journalismus etwas wert ist, wird es diesen Journalismus bald nicht mehr geben.

Scott Maier, Newspapers Offer More NewsThan Do Major Online Sites, in: Newspaper Research Journal Vol. 31, Nr.1/2010 sowie http://aejmc.org/topics/2010/01/newspapers-offer-more-depth-insight-than-do-major-online-sites/

Tobias Eberwein, in: Von „Holzhausen“ nach „Blogville“ – und zurück. Medienbeobachtung in Tagespresse und Weblogs, in: Tobias Eberwein/Daniel Müller (Hrsg.): Journalismus und Öffentlichkeit. Eine Profession und ihr gesellschaftlicher Auftrag, Festschrift für Horst Pöttker, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S. 143-168

Stephan Weinacht: Medienmarketing im Redaktionellen, Baden-Baden: Nomos 2009

Victor Navasky/Evan Lerner, Tangled Web, in: Columbia Journalism Review, March/April 2010, 45-49 sowie: www.cjr.org/resoruces/

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2 Responses to Der kleine Unterschied: Print vs. Online

  1. Nein! sagt:

    Find ich gut dein Kommentar

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