Mit dem Verkauf des Fernsehsenders TV Nova an den tschechischen Milliardär Petr Kellner kommt die Übernahme der tschechischen Medien durch nationale Eigentümer zu einem Abschluss. Der zunehmende Einfluss von Oligarchen auf die Medien wirft aber einige Bedenken auf.
TV Nova, der beliebteste Fernsehsender in Tschechien, steht kurz davor, in den Besitz eines der reichsten Männer des Landes, des Milliardärs Petr Kellner, überzugehen. TV Novas Mutterkonzern Central European Media Enterprises (CME) soll mit Kellners Finanzkonzern PPF verschmelzen. Der Verkauf hat zur Folge, dass PPF auch die Rechte an Sendern in Bulgarien, Rumänien, Slowenien und der Slowakei erlangt. Der Aneignung von CME durch Kellners Investment-Gruppe wurde im Oktober 2019 zugestimmt. Der Kauf soll ihn 2,1 Milliarden US-Dollar gekostet haben. Um den Deal abschließen zu können, brauchte es sowohl die Zustimmung der Regulierungsbehörden aller betroffenen Länder sowie der Europäischen Kommission. Im April 2020 kündigte CME an, dass ein Großteil der Bürokratie erledigt sei; was noch offen bleibe, sei die Freigabe des Verkaufs durch die EU-Kommission. Mit dem Transfer von TV Nova zu PPF – mit dessen Abschluss im dritten Quartal des Jahres gerechnet wird – kommt die Übernahme der tschechischen Medien durch nationale Eigentümer zu einem Abschluss.
Medienmarkt lange in fremden Händen
Diese Entwicklung ist ein Meilenstein. Seit 1989 befindet sich die tschechische Medienindustrie nicht mehr vollständig in tschechischem Eigentum. Kurz nach der Samtenen Revolution im selben Jahr machten sich ausländische Investoren einen Großteil des nationalen Medienmarkts zu eigen. Erst während der Finanzkrise im Jahr 2008 drehte sich diese Entwicklung um. Der Rückzug fremder Investoren gab tschechischen Unternehmern die Möglichkeit, in den Markt einzusteigen.
Einer der ersten, die diese Chance nutzten, war Zdeněk Bakala. Er kaufte 2008 das Verlagshaus Economia auf. Während der nächsten Jahre stiegen weitere Firmen in den tschechischen Medienmarkt ein: von Andrej Babiš, der 2013 die Mediengruppe Mafra kaufte, über Daniel Křetínský und Patrik Tkáč, die 2014 das Czech News Center gründeten, bis hin zur Übernahme der Mediengruppe Vltava-Labe durch die Investmentfirma Penta im Jahr 2015.
Der Markteinstieg fremder Investoren in das postkommunistische Mediensystem wurde zu jener Zeit als Garantie verstanden, dass die Demokratie und der freie Markt auf den Ruinen des nie wiederkehrenden Kommunismus blühen würden.
„Der allmähliche Rückzug ausländischer Investoren aus der Region wurde erstmals im Jahr 2009 deutlich sichtbar, als sich Medienunternehmer wieder mehr auf den Markt im eigenen Land, vor allem auf den Bereich Neue Medien und Internet, konzentrieren mussten, da die Umsätze des Zeitungsmarktes deutlich zurückgingen. Tschechisch-slowakische Konzerne boten ihren Besitz zu günstigen Preisen an”, erklärt Martina Vojtěchovská in ihrem Beitrag im Band In the Service of Power: Media Capture and the Threat to Democracy (2017).
Vojtěchovská, Leiterin des Fachbereichs für Medienwissenschaften an der Metropolitanen Universität Prag (MUP) und Chefredakteurin von Mediaguru.cz, fügt hinzu, dass sich durch den Eigentümerwechsel innerhalb des Mediensektors das gesamte tschechische Mediensystem gemäß des mediterranen Modells (polarisiert-pluralistisches Mediensystem) umformen kann. Die verschiedenen Typen von Mediensystemen wurden erstmals von Hallin und Mancini in ihrer Studie Comparing Media Systems (2004) formuliert.
Zwar ist der Finanzkonzern PPF de jure ein niederländisches Unternehmen (die Zentrale befindet sich in den Niederlanden), durch seine Verbindungen zu Petr Kellner, dem Gründer und Hauptanteilseigner des Konzerns, kann es jedoch als tschechische Investmentgruppe betrachtet werden.
Den Trend umkehren
„Die Übernahme von Medienunternehmen durch inländische Milliardäre richtet sich gegen den ehemaligen Trend der Globalisierung von Medienbesitztum. Der Markteinstieg fremder Investoren in das postkommunistische Mediensystem wurde zu jener Zeit als Garantie verstanden, dass die Demokratie und der freie Markt auf den Ruinen des nie wiederkehrenden Kommunismus blühen würden”, sagte Jan Miessler dem EJO. Miessler forscht im Fachbereich Medienwissenschaften an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Karls-Universität in Prag. Laut ihm versuchten Oligarchen in einigen osteuropäischen Ländern während der 1990er Jahre ihren lokalen Einfluss durch die Beteiligung am Medienmarkt zu stärken. „Oligarchen, die durch Medien Macht ausüben, sind seit den 1990er Jahren die Norm im östlichen Europa”, sagt Miessler.
Bedenken kommen auf
Die Übernahme von TV Nova beschäftigt auch die Vereinigten Staaten, wo beispielsweise der republikanische Senator Marco Rubio im Februar das Committee on Foreign Investments in the United States (CFIUS) dazu aufrief, den Verkauf zu untersuchen. Rubio sagte, dass der Transfer sowohl das Interesse der Sicherheit zwischen den USA und Europa als auch gegenüber der Volksrepublik China verletze. Er bezog sich dabei auf Interessen von PPF in der Volksrepublik und merkte an, dass die Bank Home Credit, ein PPF-Tochterunternehmen, dort agiere.
In einem Interview mit der tschechischen Wochenzeitung Respekt sagte Rubio, dass PPF es nicht verdient habe, Medien zu besitzen, da das Unternehmen das Vertrauen der Öffentlichkeit durch Versuche, die öffentlich Debatte zu beeinflussen, verloren habe. Beispiele dafür seien die verdeckte Einberufung eines Think-Tanks mit dem Ziel, das öffentliche Bild Chinas zu verbessern, und der Versuch, das Wirken des China-kritischen Sinopsis-Projekts an der Karls-Universität Prag zu schwächen.
Das Hauptproblem in einem System, in dem Medien und Wirtschaft bzw. Politik nah beieinander liegen, ist die Möglichkeit der Medieneigentümer, ihre eigenen Interessen verstärkt durchzusetzen. Bedenken zur Übernahme von TV Nova und anderer Medien durch PPF sind insofern legitim, als dass die Gefahr besteht, dass das Unternehmen versuchen könnte, die Interessen seiner Banken und Telekommunikationsfirmen durchzusetzen.
Die eigene Agenda unterstützen
„Es wäre naiv zu glauben, dass reiche Medieneigentümer keine Agenda haben, oder dass sich ihre Mitarbeiter mit Händen und Füßen gegen eine solche wehren würden”, sagte Miessler dem EJO. Dennoch glaubt er nicht, dass die Übernahmen großer Medienhäuser durch tschechische Unternehmer fundamentale Änderungen mit sich bringen. „Welchen Wandel können die reichsten und mächtigsten Männer des Landes über die Medien bringen? Es liegt in ihrem Interesse, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Ihre privilegierte Position behalten sie nur, wenn sich der Status Quo nicht ändert.”
Laut Medienrechtlern brauche es einen Modus vivendi, der sowohl redaktionelle Unabhängigkeit als auch eine Sicherheit gegen populistische Einflüsse garantiert. Ein bloßes Statement der Eigentümer, in dem sie ihre Enthaltung aus redaktionellen Angelegenheiten versprechen, reiche nicht aus.
Unabhängigkeit der Medien schützen
„Es sollte möglich sein, einen Verhaltenskodex, eine Art Vertrag zwischen Journalisten und Eigentümern, einzuführen. Es sollte ebenso möglich sein, interne Prozesse so zu gestalten, dass nicht der, der die Musik bezahlt, auch die Melodie bestimmt. Außerdem sollten Medien selbst regulative Einheiten aufbauen, um die Situation selber beobachten zu können”, sagt Josef Šlerka, Leiter der Stiftung für unabhängigen Journalismus (NFNZ), in einem Interview mit dem Online-TV-Sender DVTV, in dem er auch einige Optionen zur Risikominimierung bezüglich des Einflusses auf Medien nennt.
Journalisten müssen sich stärker gemeinsam für ihre Unabhängigkeit einsetzen. Beispielhaft dafür sind die Mitarbeiter der französischen Zeitung Le Monde, die sich im vergangenen Jahr gegen ihren neuen Eigentümer – zufällig den Tschechen Daniel Křetínský – richteten und sich für ihre redaktionelle Unabhängigkeit aussprachen.
Jan Miessler von der Karls-Universität erklärt die Rolle, die Journalisten in dieser Situation einnehmen müssen: „Die Wachhunde der Demokratie tragen selber keine weiße Weste. Sie haben dem Aufkommen der Oligarchen nicht genug Beachtung geschenkt.”
Übersetzt aus dem Englischen von Roman Winkelhahn.
Originalversion auf Tschechisch: Přiblížit se Itálii: prodej televize Nova završuje proměnu české mediální krajiny
Schlagwörter:Medien und Politik, Medienmarkt, Mittel- und Osteuropa, Oligarchen, Petr Kellner, Tschechien, TV Nova