Mongolei: Die Corona-Krise und die Medien

11. Mai 2020 • Aktuelle Beiträge, Internationales, Qualität & Ethik • von

In der Mongolei übertragen seit Ausbruch des Coronavirus Fernsehsender den Schulunterricht. Die Berichterstattung der mongolischen Medien stützt sich vor allem auf offizielle Quellen, kritische Analysen sind Mangelware.

Die mongolischen Medien begannen relativ früh den Nachrichten über Covid-19 Bedeutung beizumessen  – wahrscheinlich aufgrund der direkten Nachbarschaft des Landes zu China. Zahlreiche Online- und Printmedien berichteten bereits am 6. Januar 2020 über eine Lungenentzündung unbekannter Ursache in Wuhan und gaben Botschaften des Gesundheitsministeriums bezüglich erster Präventionsmaßnahmen an die Öffentlichkeit weiter, wie z.B. die Beschränkung aller nicht unbedingt notwendigen Reisen nach China, die Vermeidung von Fleischmärkten, das Händewaschen mit Seife, das Tragen von Gesichtsmasken und die Empfehlung an Bürger mit Atemwegserkrankungen, zu Hause zu bleiben.

Vor allem Informationen aus offiziellen Quellen

Als um den zwanzigsten Januar herum die Infektions- und Todesraten in Wuhan zu steigen begannen, brachten offizielle Erklärungen der chinesischen Botschaft in der Mongolei, der Weltgesundheitsorganisation und der Union der mongolischen Studenten in Wuhan die Medien dazu, dem Thema erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Ab diesem Zeitpunkt schafften es die Virusnachrichten auf die Titelseiten aller Tageszeitungen, und die Nachrichtensprecher der nationalen Rundfunkanstalten erschienen zur Hauptsendezeit mit Gesichtsmasken, um die Öffentlichkeit aufzufordern, sich und andere durch das Tragen von Masken vor der Infektion zu schützen. Ende Januar wurden Schulen und Universitäten geschlossen, öffentliche Versammlungen verboten, die traditionellen Feierlichkeiten zum Mondneujahr abgesagt und ein innerstaatliches Reiseverbot verhängt, das jegliche Bewegung in die und aus der Hauptstadt und die Provinzzentren einschränkte.

Covid-19 wurde zum Hauptthema der Medienberichterstattung. Seit Ende Januar halten das mongolische Gesundheitsministerium und das Nationale Zentrum für übertragbare Krankheiten jeden Tag um 11 Uhr (einschließlich der Wochenenden) eine Pressekonferenz ab, um über die aktuelle Lage zu informieren. Diese Pressekonferenz hat sich zum wichtigsten Ereignis des Tages für Journalisten entwickelt.

Die Medien beschränken sich in ihrer Berichterstattung weitgehend auf Informationen aus offiziellen Quellen und konzentrierten sich mehr als drei Monate lang auf Updates über die Zahl der bestätigten Fälle im Inland und die Bemühungen der Regierung, den Ausbruch zu verhindern, sowie auf internationale Nachrichten über Infektions- und Todesraten im Ausland und die von den jeweiligen Regierungen zur Bekämpfung des Virus ergriffenen Maßnahmen. Feature-Storys, investigative Recherchen, Datenjournalismus oder kritische Analysen zu Themen des öffentlichen Lebens, die von Covid-19 betroffen sind, gab es bisher so gut wie keine, abgesehen von einigen wenigen Artikeln über die Folgen der Abriegelung für die nationale Wirtschaft.

Selbstzensur unter Journalisten

Zum einen könnte dies dem Mangel an Erfahrungen in der Berichterstattung über eine Gesundheitskatastrophe geschuldet sein. Zum anderen hatte die Regierung eine Reihe von Warnungen vor Strafen für die Verbreitung von Desinformationen über soziale und Mainstream-Medien veröffentlicht, was zu Vorsicht und Selbstzensur unter Journalisten führte. So forderte beispielsweise der Nationale Sicherheitsdienst die Öffentlichkeit und die Medien auf, sich nur auf offizielle Quellen zu verlassen, und warnte vor gesetzlichen Sanktionen im Falle der Verbreitung von Desinformationen. Die Öffentlichkeit wurde dazu aufgefordert, verdächtige Nachrichten mit Hashtags zu kennzeichnen.

Das Ansehen der Regierung in der Öffentlichkeit war dank ihrer sofortigen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung des Virus und der frühzeitigen Informationspolitik gestiegen. Dies könnte die Medien auch darin bestärkt haben, sich hauptsächlich auf offizielle Erklärungen zu verlassen und andere mögliche Quellen und Bereiche der Berichterstattung zu vernachlässigen oder ihnen zumindest weniger Beachtung zu schenken.

Um eine umfassendere Berichterstattung des Themas zu erleichtern, geben NGOs für Medienentwicklung wie das Presseinstitut der Mongolei online Tipps. Da die Nachrichtenredaktionen jedoch nur über begrenzte Ressourcen verfügen, um die Berichterstattung auszuweiten, konzentrierten sie sich hauptsächlich darauf, die Sicherheit ihrer Mitarbeiter durch die Bereitstellung von Gesichtsmasken und Handdesinfektionsmitteln zu gewährleisten. So versorgte z.B. der staatliche öffentlich-rechtliche Rundfunk alle Mitarbeiter einschließlich des Verwaltungs-, Technik- und Hilfspersonals mit Gesichtsmasken und Desinfektionsmitteln und stattete die Reporter mit individueller Schutzkleidung und Einwegüberzügen für Mikrofone und Ausrüstung aus.

Fernsehen überträgt Schulunterricht

Da Schulen, Universitäten und Kindergärten im Februar geschlossen wurden, mussten alle nationalen Rundfunkanstalten Änderungen in ihrem Programm vornehmen, um die vom Bildungsministerium angeordneten Fernsehklassen übertragen zu können. 16 nationale Rundfunkanstalten, darunter kommerzielle und öffentlich-rechtliche, strahlen kostenlos Videokurse in Mongolisch, Kasachisch, Tuva und Gebärdensprachen aus, die verschiedene Inhaltsrichtungen abdecken, darunter Vorschulerziehung, Fächer für die Klassen 1-12, spezielle Inhalte für die Vorbereitung auf die Universitätsaufnahmeprüfung für die 12. Klassen, Bildung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen und Gesundheitserziehung. Diese Programme nehmen 12 – 35 Prozent der täglichen Sendezeit in Anspruch.

Änderungen des Sendeinhalts wurden auch durch den am 13. Februar verkündeten Notstand bedingt – viele Unternehmen (einschließlich der Medien) verkürzten die Arbeitszeit, gewährten ihren Mitarbeitern Jahresurlaub und wechselten, wenn möglich, in den Heimarbeitsmodus. So schickte zum Beispiel der mongolische Nationalrundfunk etwa 40% seiner Mitarbeiter in Jahresurlaub und organisierte den Sendeplan aller vier Hauptkanäle neu, um Zeit für Fernsehunterricht einzuplanen und die verbleibenden Lücken mit Programmen aus den eigenen Archiven (alte Dokumentarfilme, Dramen, Unterhaltungsprogramme, Konzerte usw.) zu füllen.

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